Leitsatz (amtlich)
Bestreitet der Gläubiger, dem der Schuldner am letzten Tag der vereinbarten Frist in Höhe des geschuldeten Betrages einen Scheck übersandt hat, wahrheitswidrig dessen Eingang und läßt der Schuldner deshalb den Scheck sperren, darf sich der Gläubiger nicht darauf berufen, der Schuldner habe die Frist versäumt, wenn der Scheck bei unverzüglicher Vorlage eingelöst worden wäre.
Nimmt der Schuldner eine Leistungshandlung vor, obwohl er weiß, daß er berechtigt wäre, sie zu verweigern, verzichtet er damit in der Regel nicht auf die Erhebung der Einrede für den Fall, daß der mit der Handlung bezweckte Erfolg nicht eintritt.
Hat der Gläubiger auf die Rechte aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß verzichtet, können die Beteiligten dessen Aufhebung beim Vollstreckungsgericht beantragen.
Normenkette
BGB §§ 162, 269 Abs. 1, § 270 Abs. 4, § 364 Abs. 2, §§ 320, 397; ZPO § 843
Verfahrensgang
OLG Köln (Entscheidung vom 12.07.2000) |
LG Köln |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 12. Juli 2000 sowie das Teilanerkenntnis- und Schlußurteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 26. Oktober 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt ist.
Die Vollstreckung aus dem Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 25. November 1997 wird insgesamt für unzulässig erklärt.
Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen. Von den Kosten der ersten Instanz werden dem Kläger 1/10, dem Beklagten 9/10 auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Tatbestand:
Der Kläger wurde durch rechtskräftiges Urteil des LG Köln vom 25. November 1997 verurteilt, an den Beklagten einen Betrag von mehr als 233.000 DM zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Rückabtretung von zwei näher bezeichneten Forderungen zu zahlen. Der Beklagte betrieb aus diesem Urteil die Zwangsvollstreckung. Als gegen den Kläger wegen Nichtabgabe der eidesstattlichen Versicherung bereits Haftbefehl erlassen war, schlossen die Parteien am 24. Februar 1999 einen Vergleich. Danach hatte der Kläger zum Ausgleich aller titulierten Forderungen an den Beklagten insgesamt 282.000 DM zu bezahlen. Davon war ein Teilbetrag von 150.000 DM sofort fällig und wurde durch eine Scheckzahlung alsbald beglichen. Die restliche Forderung hatte der Kläger in Raten von 40.000 DM bis 5. Mai 1999, 60.000 DM bis 30. Dezember 1999 und 32.000 DM bis 30. Dezember 2000 zu zahlen. Weiter wurde vereinbart:
(Der Beklagte) nimmt hiermit den Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zurück und veranlaßt außerdem, daß der Beschluß des Amtsgerichts, Geschäfts-Nummer 290 M 8316/98, umgehend aufgehoben wird.
Mit Abschluß und Erfüllung dieses Vergleiches bestehen keine weiteren Forderungen zwischen den Vertragsschließenden.
Wird der Vergleich nicht erfüllt bzw. ein Teilbetrag nicht gezahlt, bleibt das Urteil bestehen.
Durch den in dem Vergleich bezeichneten Beschluß waren Forderungen des Klägers gegen den Notar K., die Bauunternehmung N. GmbH, die W. GmbH und die Kr. K. gepfändet und dem Beklagten zur Einziehung überwiesen worden. Die W. hatte sich nicht geäußert. Die übrigen Drittschuldner hatten erklärt, dem Kläger stehe keine Forderung gegen sie zu.
Am 5. Mai 1999 erhielt der Beklagte ein Fax des Klägers, wonach dieser am selben Tage einen Verrechnungsscheck über 40.000 DM in den Briefkasten des Beklagten geworfen habe. Der Kläger behauptet, diese Nachricht habe den Tatsachen entsprochen. Mit Schreiben vom 6. Mai 1999 teilten die Anwälte des Beklagten dem Gerichtsvollzieher mit, der Schuldner habe die Rate von 40.000 DM am 5. Mai 1999 nicht bezahlt, und baten, die Zwangsvollstreckung gegen den Kläger fortzusetzen. Dessen Angabe, einen Scheck in den Briefkasten des Beklagten geworfen zu haben, sei nicht zutreffend. Der Gerichtsvollzieher benachrichtigte davon den Kläger, der am 12. Mai 1999 die Sperrung des Schecks veranlaßte. Der Scheck, der nach Darstellung des Beklagten erst am 11. Mai 1999 im Briefkasten seiner Lebensgefährtin gelegen hatte, wurde zunächst eingelöst, aber wegen der Sperrung dem Beklagten rückbelastet.
Der Beklagte, der der Kr. K. mit Schreiben vom 9. April 1999 und den übrigen Drittschuldnern mit Schreiben vom 19. Mai 1999 mitgeteilt hat, die Pfändung sei als aufgehoben anzusehen, betreibt die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil. Der Kläger hat Vollstreckungsabwehrklage erhoben und den Betrag von 40.000 DM am 27. Juli 1999 gezahlt. Das Landgericht hat entsprechend dem Anerkenntnis des Beklagten wegen der vom Kläger geleisteten Zahlung die Zwangsvollstreckung teilweise für unzulässig erklärt und die Klage im übrigen abgewiesen. Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt er sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Durch das rechtskräftig gewordene Urteil des LG Köln vom 25. November 1997 waren die Parteien nicht gehindert, eine Vereinbarung zu treffen, die die Befugnis des Beklagten, von dem zu seinen Gunsten ergangenen Titel Gebrauch zu machen, aufhob oder einschränkte. Eine solche vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung ist mit dem Vergleich vom 24. Februar 1999 zustande gekommen. Der Einwand, die Vollstreckung aus dem Urteil sei infolge dieses Vergleichs nicht zulässig, ist gemäß § 767 Abs. 2 ZPO mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen (vgl. BGH, Urt. v. 2. April 1991 – VI ZR 241/90, NJW 1991, 2295, 2296).
II.
Das Berufungsgericht hat zu den zwischen den Parteien streitigen Tatsachen keine Feststellungen getroffen und die Behauptungen des Klägers als wahr unterstellt. Für den Revisionsrechtszug ist daher zunächst von dessen Vorbringen auszugehen. Auf dieser Grundlage ist das Klagebegehren entgegen der Meinung des Berufungsgerichts gerechtfertigt.
1. Der Kläger hat sich in dem Vergleich verpflichtet, sofort an den Beklagten 150.000 DM zu zahlen und drei weitere Teilbeträge bis zu bestimmten dort festgelegten Terminen zu leisten. Das Berufungsgericht hat den Vergleich in dem Sinne ausgelegt, daß der Beklagte die Vollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil fortsetzen dürfe, wenn der Kläger seine Zahlungsverpflichtungen nicht rechtzeitig erfülle. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden, soweit damit gesagt werden soll, die Vollstreckung sei schon dann zulässig, wenn der Kläger mit einer Ratenzahlung in Verzug gerate. Der Beklagte hat dem Kläger also keine Stundung bis zum 30. Dezember 2000 gewährt.
2. Das Berufungsgericht geht im Ergebnis zu Recht davon aus, daß der Kläger die bis zum 5. Mai 1999 geschuldete Rate von 40.000 DM nicht fristgerecht gezahlt hat. Trotzdem ist der Beklagte nicht berechtigt, die Vollstreckung fortzusetzen, weil er den Leistungserfolg treuwidrig vereitelt hat (§ 162 BGB analog).
a) Erfüllt der Schuldner eine Zahlungsverpflichtung mittels Scheck, so ist für die Frage der Rechtzeitigkeit der Leistung nicht auf den Zeitpunkt des Leistungserfolges, sondern den der Leistungshandlung abzustellen. Gemäß §§ 270 Abs. 4, 269 Abs. 1 BGB bleibt Leistungsort der Wohnsitz des Schuldners. Der Kläger hatte somit die ihm obliegende Leistungshandlung mit der Einlegung des Schecks in den Briefkasten des Beklagten am 5. Mai 1999 erbracht; auf den Zeitpunkt der Gutschrift auf dessen Konto kam es nicht an (vgl. BGHZ 44, 178, 179 f; BGH, Urt. v. 11. Februar 1998 – VIII ZR 287/97, NJW 1998, 1302).
Dies gilt allerdings nur dann, wenn die in dem Scheck verkörperte Leistung des Schuldners dem Gläubiger zugeflossen, der darin bezeichnete Betrag ihm also ausbezahlt, gutgeschrieben oder verrechnet ist. Der Beklagte hat den Scheck nur erfüllungshalber erhalten (vgl. § 364 Abs. 2 BGB). Erfüllung konnte erst mit dessen Einlösung eintreten (vgl. BGHZ 131, 66, 74). Im Streitfall kam es dazu nicht, weil der Kläger den Scheck zwischenzeitlich hatte sperren lassen.
b) Der Beklagte darf sich jedoch nach dem Vorbringen des Klägers nicht darauf berufen, daß er den Scheck nicht habe einlösen können und damit auf dem vom Kläger zunächst vorgesehenen Weg keine Erfüllung eingetreten ist.
Der Beklagte hat danach den Erhalt des Schecks wahrheitswidrig geleugnet, das Papier auch nicht alsbald zur Einlösung vorgelegt, sondern seinen Rechtsanwalt beauftragt, die Vollstreckung fortzusetzen. Hätte er statt dessen den Scheck seinem Kreditinstitut vorgelegt, wäre der Betrag von 40.000 DM alsbald seinem Konto gutgeschrieben worden. Der Kläger seinerseits hätte die vereinbarte Zahlungsfrist gewahrt. Die Rechtsfolge, daß die Übergabe des Schecks nicht zur rechtzeitigen Erfüllung der Zahlungspflicht geführt hat, beruht folglich darauf, daß der Beklagte eine von ihm geschuldete Mitwirkung, die Vorlage des Schecks zum alsbaldigen Erhalt der Zahlung des Klägers, treuwidrig unterlassen hat. Der Beklagte darf infolgedessen entsprechend dem Rechtsgedanken des § 162 BGB nicht einwenden, daß die Leistung des Betrages von 40.000 DM mittels dieses Schecks nicht erbracht worden ist (vgl. BGHZ 88, 240, 248; BGH, Urt. v. 13. Februar 1989 – II ZR 110/88, NJW-RR 1989, 802, 803; MünchKomm-BGB/Westermann 4. Aufl. BGB § 162 Rn. 19).
c) Das Scheitern des Leistungserfolges kann dem Kläger nicht deshalb zugerechnet werden, weil er den Scheck nach Kenntnis von der Behauptung des Beklagten, diesen nicht am 5. Mai erhalten zu haben, alsbald hat sperren lassen. Der Kläger hatte, weil der Beklagte den Eingang des Schecks bestritten und erneut Vollstreckungsauftrag erteilt hatte, Veranlassung zu befürchten, der Scheck sei in den Besitz eines unbefugten Dritten gelangt. Seine Reaktion wurde ausschließlich durch ein treuwidriges Verhalten des Beklagten ausgelöst und war demzufolge nicht vertragswidrig.
3. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts hat der Kläger seine Pflichten aus dem Vergleich vom 24. Februar 1999 auch nicht deshalb verletzt, weil er dem Beklagten keinen neuen Scheck ausgestellt hat.
Der Beklagte hatte sowohl die Vollstreckung aus dem rechtskräftigen Urteil fortgesetzt als auch den Scheck vorgelegt und in keiner Weise zum Ausdruck gebracht, er werde, wenn er die Teilzahlung aufgrund eines neuen Schecks erhalte, diese als vertragsgerecht behandeln und die Vollstreckung einstellen. Vielmehr hat er das ihm mit Schreiben vom 17. Mai 1999 unterbreitete Angebot, 40.000 DM zu zahlen, sobald er den Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zurückgenommen habe, abgelehnt und in der Folgezeit – auch nach Erhalt des Betrages am 27. Juli 1999 – beständig an der Auffassung festgehalten, er dürfe aus dem Titel vollstrecken, weil der Kläger mit der Hingabe des Schecks seine Verpflichtung aus dem Vergleich nicht erfüllt habe. Da der Beklagte nicht bereit war, bei Erhalt der Rate zu einem vertragstreuen Verhalten zurückzukehren, hat der Kläger durch die Unterlassung, einen neuen Scheck zu übersenden, nicht vertragswidrig gehandelt.
4. Das Berufungsgericht meint, der Beklagte sei im Vergleich vom 24. Februar 1999 nicht die Verpflichtung eingegangen, keinen Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung mehr zu stellen, solange der Kläger seine Leistungen vertragsgerecht erfülle. Vielmehr habe es dem berechtigten Interesse des Beklagten entsprochen, bei Streitigkeiten über die Rechtzeitigkeit der Zahlungen des Klägers erneut Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzuleiten. Gegen diese Auffassung wendet sich die Revision mit Erfolg.
Nach dem letzten Satz des Vergleichs vom 24. Februar 1999 bleibt das Urteil bestehen, wenn der Vergleich nicht erfüllt bzw. ein Teilbetrag nicht gezahlt wird. Da die Parteien über die Rechtskraft des Urteils nicht verfügen konnten (vgl. BGH, Urt. v. 2. April 1991, aaO), sollte damit ersichtlich geregelt werden, unter welchen Voraussetzungen der Beklagte die Vollstreckung aus dem Titel fortsetzen durfte. Dies war nach dem eindeutigen Wortlaut des Vergleichs nur dann der Fall, wenn der Kläger seine Zahlungspflicht nicht in der nach dem Vergleich geschuldeten Weise erfüllte. Sonstige Pflichten hatte der Kläger nicht übernommen. Das Berufungsgericht stellt keine Umstände fest, die auf eine Befugnis des Beklagten zur Vollstreckung über die in der Urkunde formulierte Regelung hinaus hindeuten. Der Vortrag der Parteien enthält solche Tatsachen nicht. Der Senat kann den Vergleich daher selbst auslegen. Nach dem Wortlaut und dem Zweck der getroffenen Abreden sollte der Kläger vor einer Vollstreckung aus dem Titel geschützt sein, solange er sich vertragskonform verhielt. Folglich darf der Beklagte die Vollstreckung nur bei Verstößen des Klägers gegen die im Vergleich geregelte Zahlungspflicht durchführen. Soweit es um den bis zum 5. Mai 1999 zu leistenden Teilbetrag geht, hat der Kläger seine vertraglichen Pflichten nicht verletzt; denn er hat dem Beklagten die Zahlung gegen Einstellung der Vollstreckung angeboten.
5. Vor der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz wurde ein weiterer Teilbetrag von 60.000 DM zum 30. Dezember 1999 fällig, den der Kläger bisher nicht beglichen hat. Auch darin liegt kein Vertragsverstoß; denn der Kläger ist gemäß § 320 BGB zur Verweigerung der Leistung berechtigt.
Der Vergleich vom 24. Februar 1999 ist als gegenseitiger Vertrag ausgestaltet. Der Beklagte hatte als Gegenleistung für die vom Kläger in vier Raten geschuldeten Zahlungen den Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zurückzunehmen und die Wirkungen des vom Vollstreckungsgericht erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu beseitigen. Der Anspruch des Klägers darauf, daß der Beklagte entsprechend tätig wurde, war ebenso wie die Forderung des Beklagten auf den ersten Teilbetrag von 150.000 DM sofort fällig. Damit standen die beiderseitigen Verpflichtungen in dem gegenseitige Verträge kennzeichnenden synallagmatischen Verhältnis zueinander (vgl. zur Rechtsnatur des Vergleichs BGHZ 116, 319, 330; BGH, Urt. v. 27. Februar 1974 – VIII ZR 206/72, WM 1974, 369, 370). Der Beklagte hat nach dem 5. Mai 1999 die Vollstreckung aus dem Urteil vertragswidrig fortgesetzt und zu keiner Zeit angeboten, zu der im Vergleich vom 24. Februar 1999 getroffenen Regelung zurückzukehren, sobald er die vertraglich auf den 5. Mai 1999 festgesetzte Rate erhalte. Der Vertragsverstoß des Beklagten begründet die Einrede aus § 320 BGB, so daß der Kläger auch insoweit zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist, solange der Beklagte die Vollstreckung fortsetzt.
III.
Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO); denn die Klage ist selbst dann begründet, wenn das Vorbringen des Beklagten zutrifft.
1. In diesem Falle hat der Kläger allerdings den Scheck erst am 11. Mai 1999 auf den Weg gebracht und deshalb keine zur fristgerechten Erfüllung des bis 5. Mai 1999 geschuldeten Teilbetrags geeignete Handlung vorgenommen. Dem Kläger stand jedoch zum damaligen Zeitpunkt die Einrede aus § 320 BGB zu, weil der Beklagte seinerseits die in dem Vergleich übernommenen Verpflichtungen nicht erfüllt hatte.
a) Der Beklagte hatte zu veranlassen, daß der ergangene Pfändungsbeschluß „umgehend aufgehoben wird”. Die Aufhebung eines Beschlusses, durch den Ansprüche des Schuldners gegen Drittschuldner gepfändet worden sind, sieht das Gesetz nicht ausdrücklich vor. Der Gläubiger kann gemäß § 843 ZPO auf die durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung erworbenen Rechte verzichten; die Verzichtleistung erfolgt nach dieser Vorschrift durch eine dem Schuldner und dem Drittschuldner zuzustellende Erklärung. Auch ohne Einhaltung der in § 843 Satz 2 und 3 ZPO vorgeschriebenen Form, die Beweisschwierigkeiten vermeiden soll, kann der Gläubiger auf die Rechte wirksam verzichten (BGH, Urt. v. 26. Januar 1983 – VIII ZR 258/81, NJW 1983, 886, 887; v. 21. November 1985 – VII ZR 305/84, NJW 1986, 977, 978). Hat der Gläubiger die Rechte aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß aufgegeben, ist es nach der in der Rechtsprechung und im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung zulässig, beim Vollstreckungsgericht zu beantragen, den ergangenen Beschluß zur Klarstellung aufzuheben (OLG Köln, JurBüro 1995, 387, 388; Musielak/Becker, ZPO 2. Aufl. § 843 Rn. 3; Stein/Jonas/Brehm, ZPO 21. Aufl. § 843 Rn. 5; Zöller/Stöber, ZPO 22. Aufl. § 843 Rn. 3; Stöber, Forderungspfändung 13. Aufl. Rn. 682; a.A. OLG München BayJMBl 1954, 159). Dieser Auffassung ist zuzustimmen, weil der gerichtliche Ausspruch, daß der ergangene Pfändungs- und Überweisungsbeschluß aufgehoben wird, der Sicherheit des Rechtsverkehrs dient und ein berechtigtes Interesse der Beteiligten, entsprechende Rechtsklarheit herbeizuführen, anzuerkennen ist.
b) Ob der Beklagte deshalb aufgrund des Vergleichs beim Vollstreckungsorgan einen Aufhebungsantrag zu stellen hatte, braucht indes nicht entschieden zu werden. Jedenfalls hatte er allein damit, daß er es in dem Vergleich übernahm, umgehend die Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu veranlassen, seine vertraglichen Pflichten noch nicht erfüllt. Vielmehr war er zumindest verpflichtet, den Drittschuldnern, die den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß zugestellt erhalten hatten, den Verzicht auf die daraus herrührenden Rechte mitzuteilen. Dies hat das Berufungsgericht selbst im Ergebnis zutreffend so gesehen. Ein solches Verständnis entspricht dem Wortlaut und dem Zweck der vertraglich getroffenen Regelung. Der Vergleich legt dem Beklagten eine Handlungspflicht auf: Er soll die Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts veranlassen. Da das Gesetz dazu in erster Linie das Verfahren nach § 843 ZPO zur Verfügung stellt, hatte er die Drittschuldner entsprechend zu benachrichtigen. Eine solche Maßnahme war zudem infolge der aus dem Vergleich ersichtlichen berechtigten Interessen des Klägers geboten. Dem Kläger mußte daran gelegen sein, die Wirkungen des § 836 Abs. 2 ZPO, wonach der Überweisungsbeschluß zugunsten des Drittschuldners dem Schuldner gegenüber so lange als rechtsbeständig gilt, bis der Drittschuldner von der Aufhebung erfahren hat, alsbald zu beseitigen. Davon abgesehen war der Pfändungsbeschluß geeignet, das Ansehen des Klägers bei den Drittschuldnern zu beeinträchtigen. Die geschäftlichen Beziehungen zu den genannten Personen blieben belastet, bis jene davon in Kenntnis gesetzt worden waren, daß sich die Zwangsvollstreckung erledigt hatte. Der Kläger hat behauptet, die N. GmbH sei im Hinblick auf den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß nicht bereit gewesen, ihm persönlich den Vertriebsauftrag für insgesamt elf Objekte zu übertragen. Der Beklagte hat dies mit Nichtwissen bestritten; jedoch kann dahingestellt bleiben, ob die Darstellung des Klägers zutrifft. Jedenfalls hatte er finanzielle und persönliche Nachteile zu befürchten, falls die Drittschuldner nicht vom Verzicht auf die Rechte aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß Kenntnis erhielten. Die Verpflichtung des Beklagten aus dem Vergleich, die Drittschuldner entsprechend zu benachrichtigen, hatte daher nicht bloß formalen Charakter.
c) Zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte nach seiner Darstellung den Scheck aus dem Briefkasten der Lebensgefährtin am 11. Mai 1999 erlangte, hatte er die Verpflichtung zur Benachrichtigung der Drittschuldner noch nicht erfüllt. Lediglich gegenüber der Kr. war mit Schreiben vom 9. April 1999 die Aufhebung der Pfändung erklärt worden. Die übrigen Drittschuldner wurden erst durch Schreiben vom 19. Mai 1999 informiert, mithin zu einer Zeit, als der Scheck gesperrt und das Konto rückbelastet worden war. Als die Erfüllung durch Scheckzahlung scheiterte, hatte der Beklagte somit eigene, im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende fällige Vertragspflichten nicht erfüllt. Deshalb war der Kläger gemäß § 320 BGB berechtigt, die ihm obliegende Leistung zu verweigern, ohne daß er dies damals ausdrücklich erklären mußte (vgl. BGHZ 84, 42, 44).
2. Das Berufungsgericht meint indes, der Kläger habe mit der Scheckhingabe auf seine Rechte aus § 320 BGB verzichtet, weil er gewußt habe, daß der Beklagte zum damaligen Zeitpunkt den Drittschuldnern noch nicht den Verzicht auf die Rechte aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß mitgeteilt hatte. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Einen ausdrücklichen Verzicht hat der Kläger nicht erklärt. Beim Verzicht auf Forderungen, der nur im Wege des Erlaßvertrages wirksam erfolgen kann, stellt die höchstrichterliche Rechtsprechung an die Annahme einer konkludent erklärten Vereinbarung strenge Anforderungen. Da ein Verzicht auf Rechte im allgemeinen nicht zu vermuten ist, muß sich deren Aufgabe aus einem unzweideutigen Verhalten ergeben (BGH, Urt. v. 16. November 1993 – XI ZR 70/93, NJW 1994, 379, 380; v. 22. Juni 1995 – VII ZR 118/94, WM 1995, 1677, 1678). Zwar kann auf die Rechte aus den §§ 273, 320 BGB einseitig verzichtet werden. Die Gründe, die dafür sprechen, nur unter strengen Voraussetzungen einen konkludenten Verzicht zu bejahen, gelten hier jedoch in gleicher Weise; denn auch insoweit trifft es zu, daß der Inhaber seine Rechte ohne einen nach außen deutlich hervortretenden Anlaß in der Regel nicht schmälern will.
b) Im Streitfall zeigt das Berufungsurteil keine Umstände auf, die es nahelegen, die Scheckhingabe als Verzicht auf die Einrede aus § 320 BGB zu verstehen. Der Beklagte trägt in dieser Hinsicht ebenfalls keine erheblichen Tatsachen vor.
Mit der verspäteten Hingabe des Schecks verfolgte der Kläger den Zweck, den Beklagten zu veranlassen, die Leistung noch als Erfüllung anzunehmen, deshalb am Vergleich festzuhalten und die Vollstreckung einzustellen. Solange dieser Erfolg nicht ausgeschlossen schien, bestand für den Kläger, der an dem ihm günstigen Vergleich vom 24. Februar 1999 festhalten wollte, keine Veranlassung, die Einrede aus § 320 BGB auszuüben. Die Hingabe besagt damit nichts darüber, wie sich der Kläger verhalten will, wenn es zu keiner einverständlichen Fortsetzung der im Vergleich getroffenen Regelung kommt. Aus der Zusendung des Schecks konnte der Beklagte nicht entnehmen, der Kläger werde unabhängig vom Eintritt des Leistungserfolges seine Rechte aus § 320 BGB nicht ausüben. Die Übersendung des Schecks hindert den Kläger daher nicht, die Einrede des nicht erfüllten Vertrages zu erheben.
c) Der Kläger hat die Einrede auch nicht dadurch verloren, daß er den Scheck hat sperren lassen. Unstreitig war der Beklagte nicht bereit, nach Erhalt der Zahlung die Vollstreckungsmaßnahmen aufzuheben und wieder die im Vergleich zu Umfang und Zeitpunkt der Zahlungspflicht des Klägers vereinbarte Regelung zu praktizieren. Er hat das am 17. Mai 1999 unmittelbar nach Verweigerung der Einlösung des Schecks infolge der Schecksperre vom Kläger unterbreitete Angebot, alsbald nach Aufhebung der Pfändung und Rücknahme des Antrags auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung den Betrag von 40.000 DM zu zahlen, abgelehnt. Da der Beklagte folglich in dem gesamten hier maßgeblichen Zeitraum selbst nicht vertragstreu war, verteidigt sich der Kläger zu Recht mit der Einrede aus § 320 BGB.
3. Der Beklagte kann sich nicht deshalb vom Vertrag lösen, weil er die Zahlung des Teilbetrages von 40.000 DM erst am 27. Juli 1999 bekommen hat. Der Kläger hat erst durch die Klageerwiderung, die ihm mit gerichtlicher Verfügung vom 9. Juli 1999 zugeleitet wurde, davon erfahren, daß der Beklagte zwischenzeitlich alle Drittschuldner benachrichtigt hatte. Ob die daraufhin geleistete Zahlung gleichwohl als nicht fristgerecht im Sinne der Vergleichsvereinbarung anzusehen wäre, wenn der Beklagte sich damals vertragsgerecht verhalten hätte, kann dahingestellt bleiben; denn diese Voraussetzungen waren nicht gegeben. Der Beklagte hatte sich bereits zu einem Zeitpunkt, als er selbst die Drittschuldner noch nicht benachrichtigt hatte, von dem Vergleich losgesagt und seitdem nie zu erkennen gegeben, bei nachträglicher Zahlung der Rate vom 5. Mai 1999 den Vergleich wieder für verbindlich erachten zu wollen. Er hatte somit die Einhaltung der die Erfüllung des Vergleichs betreffenden Abreden endgültig verweigert.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Ausübung eines vertraglichen Rücktrittsrechts nach Treu und Glauben ausgeschlossen, solange der Zurücktretende selbst nicht vertragstreu ist. Der Einwand eigener Vertragsuntreue („tu quoque”) aus § 242 BGB wird als Anwendungsfall der unzulässigen Rechtsausübung behandelt (vgl. BGH, Urt. v. 13. November 1998 – V ZR 386/97, WM 1999, 551, 552). Der Schlußsatz des Vergleichs, wonach das Urteil „bestehen bleibt”, wenn der Vergleich nicht erfüllt bzw. ein Teilbetrag nicht gezahlt wird, ist in seinen Rechtsfolgen der Ausübung eines vertraglichen Rücktrittsrechts vergleichbar. Nach dem Sinn und Zweck der am 24. Februar 1999 vereinbarten Regelung ist die Zwangsvollstreckung nur berechtigt, sofern der Kläger nicht leistet, obwohl sich der Beklagte vertragstreu verhält.
4. Aus den gleichen Gründen ist der Beklagte auch nicht berechtigt, deshalb die Vollstreckung fortzusetzen, weil der Kläger den bis zum 30. Dezember 1999 zu zahlenden Teilbetrag von 60.000 DM bisher nicht geleistet hat.
IV.
1. Die Vollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Köln vom 25. November 1997 ist daher für unzulässig zu erklären. Da der Kläger jedoch mit seinem Begehren nur deshalb durchdringt, weil er die geschuldete Zahlung derzeit verweigern darf, schließt der in diesem Rechtsstreit erzielte Erfolg eine zukünftige Vollstreckung aus dem genannten Urteil nicht aus, sofern der Beklagte nach Wegfall des Leistungsverweigerungsrechts die restlichen Teilbeträge in Höhe von insgesamt 92.000 DM nicht erhält.
2. Bei der Verteilung der erstinstanzlichen Kosten hat der Senat berücksichtigt, daß § 93 ZPO hinsichtlich des anerkannten Teils des Klagebegehrens Anwendung findet, sich der Streitwert jedoch infolge des Anerkenntnisses nur um rd. 40.000 DM verringert hat, weil die Zahlungen des Klägers auf Kosten und Zinsen verrechnet wurden.
Unterschriften
Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof, Fischer, Raebel
Fundstellen
Haufe-Index 728804 |
DB 2002, 1655 |
NJW 2002, 1788 |
BGHR 2002, 656 |
EWiR 2002, 697 |
KTS 2002, 543 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 999 |
ZIP 2002, 840 |
InVo 2002, 333 |
JA 2002, 916 |
KKZ 2003, 13 |
MDR 2002, 967 |
BKR 2002, 419 |
ZBB 2002, 220 |