Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung eines vertraglichen Rückgaberechts des Käufers einer Sache als Wiederverkaufsrecht.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 433, 497
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 31. Mai 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin betreibt einen Großhandel mit Bild- und Tonträgern. Die Beklagte stellt Compact Disks (CDs) her. Die Parteien schlossen „für den Zeitraum vom 01.01.1996 bis 31.12.1996” eine „Konditionsvereinbarung 1996”, auf deren Grundlage die Klägerin von der Beklagten im Jahr 1996 CDs bezog. In der Vereinbarung heißt es unter „E. Retouren”:
„1. A. (= Klägerin) … erhält ein 100 %-iges Rückgaberecht.”
Mit Anwaltsschreiben vom 13. Mai 1997 verlangte die Klägerin unter Hinweis auf ihr vertragliches Rückgaberecht von der Beklagten Zug um Zug gegen Rückgabe der in einer Anlage näher bezeichneten CDs Zahlung von 175.532,70 DM zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer. Die Beklagte lehnte dies durch Anwaltsschreiben vom 30. Mai 1997 mit der Begründung ab, die Klägerin habe ihr Rückgaberecht verspätet ausgeübt, da die Konditionsvereinbarung nur für das Jahr 1996 getroffen worden sei. Nach fruchtloser Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung durch Anwaltsschreiben vom 18. Juni 1997 und nach entsprechender Ankündigung durch weiteres Anwaltsschreiben vom 18. Juni 1998 ließ die Klägerin am 4. Juli 1998 insgesamt 16.901 CDs zum Einkaufspreis von 262.835,29 DM ohne Mehrwertsteuer versteigern. Dazu gehörte auch eine streitige Anzahl von CDs, die die Beklagte an die Firma T. geliefert hatte und die nach deren Konkurs von der Klägerin übernommen worden waren. Bei der Versteigerung wurde ein Erlös von 45.588 DM erzielt. Die Versteigerungskosten betrugen 1.922,04 DM.
In dem vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin die Beklagte nach Rücknahme der Klage in Höhe von 40.000 DM zuletzt auf Zahlung von 221.222,97 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Die Klägerin hat geltend gemacht, sie sei, wie in der Branche üblich, unbefristet, jedenfalls aber noch innerhalb einer Frist von drei bis sechs Monaten nach Vertragsbeendigung zur Rückgabe der von der Beklagten bezogenen CDs befugt gewesen. Weiter hat sie behauptet, die Beklagte habe ihr mündlich auch für die von der Firma T. übernommenen CDs ein Rückgaberecht eingeräumt. Hierbei habe es sich um CDs zum Einkaufswert von 29.669,66 DM und 7.300 DM ohne Mehrwertsteuer gehandelt.
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht, zu dem die Beklagte ordnungsgemäß geladen war, ist für diese niemand erschienen.
Entscheidungsgründe
Die Revision, über die durch Versäumnisurteil zu entscheiden war, hat Erfolg. Die Entscheidung beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 81 f).
I. Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe der geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung des vertraglich vereinbarten Rückgaberechts nicht zu. Dieses Rückgaberecht sei als Rücktrittsrecht im Sinne von § 346 BGB zu werten. Die Klägerin habe ihr Rücktrittsrecht mit Schreiben vom 13. Mai 1997 gemäß § 349 BGB ausgeübt. Wegen des dadurch begründeten Abwicklungsverhältnisses nach §§ 346 ff BGB seien die Klägerin zur Rückgabe der von der Beklagten gelieferten CDs und die Beklagte zur Rückzahlung des von der Klägerin gezahlten Kaufpreises verpflichtet gewesen. Durch die weder nach § 373 HGB noch aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigte Versteigerung der CDs habe sich die Klägerin deren Rückgabe unmöglich gemacht. Deswegen sei sie der Beklagten gemäß §§ 347 Satz 1, 989 BGB in Höhe des von dieser zu erstattenden Kaufpreises schadensersatzpflichtig. Danach bestehe kein Zahlungsanspruch der Klägerin mehr.
Offenbleiben könne, ob und gegebenenfalls innerhalb welcher Frist die Klägerin nach Vertragsbeendigung am 31. Dezember 1996 berechtigt gewesen sei, von ihrem Rückgaberecht Gebrauch zu machen. Lediglich ergänzend sei hierzu auszuführen, daß die Auslegung der Rückgabeklausel durch die Klägerin, wonach die Rückgabe noch innerhalb einer Frist von drei bis sechs Monaten nach Vertragsbeendigung habe möglich sein sollen, nach der Interessenlage einleuchtend sei. Die Klägerin habe diese Frist jedoch deutlich überschritten. Die Aufstellung der zur Versteigerung bestimmten CDs trage das Datum vom 3. Juni 1998.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach den bisher getroffenen Feststellungen hat das Berufungsgericht den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus § 326 Abs. 1 BGB wegen Nichterfüllung ihres Rückgaberechts aus Abschnitt E Nr. 1 der mit der Beklagten getroffenen „Konditionsvereinbarung 1996” in Höhe von zuletzt 221.222,97 DM nebst Zinsen zu Unrecht verneint.
1. Dem Berufungsgericht kann bereits nicht in dem Ausgangspunkt gefolgt werden, daß das vertraglich vereinbarte Rückgaberecht der Klägerin als Rücktrittsrecht im Sinne von § 346 BGB auszulegen sei.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar die tatrichterliche Auslegung eines Individualvertrages – wie hier der „Konditionsvereinbarung 1996” der Parteien – revisionsrechtlich nur eingeschränkt auf die Verletzung von gesetzlichen oder allgemein anerkannten Auslegungsregeln, Denkgesetzen und Erfahrungssätzen überprüfbar. Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört jedoch auch der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (zuletzt z.B. BGHZ 131, 136, 138; Senatsurteil vom 29. März 2000 – VIII ZR 297/98, WM 2000, 1290 unter II 2 a, jew. m.w.Nachw.). Dem wird hier die Auslegung des Berufungsgerichts nicht gerecht.
Das Berufungsgericht hat, wie die Revision zu Recht beanstandet, verkannt, daß ein Rücktrittsrecht nicht den beiderseitigen Interessen der Parteien entspricht. Zum einen führt es zur Anwendung der §§ 350, 351 BGB, wonach der Rücktritt unter anderem durch einen zufälligen Untergang oder eine unverschuldete wesentliche Verschlechterung nicht ausgeschlossen ist. Es ist jedoch nicht einzusehen, weshalb hier die Beklagte das Risiko des zufälligen Untergangs oder der unverschuldeten wesentlichen Verschlechterung der an die Klägerin gelieferten CDs tragen soll. Das Rückgaberecht soll der Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag lediglich das Absatzrisiko abnehmen. Zum anderen hat die Ausübung des Rücktrittsrechts die Rückabwicklung des betreffenden (Kauf-) Vertrags insgesamt zur Folge und erfaßt damit grundsätzlich auch die Ware, die die Klägerin bereits verkauft hat oder insbesondere noch verkaufen will. Die Klägerin hat aber nur ein Interesse an der Rückgabe der Ware, die sie nicht absetzen kann.
Richtigerweise ist das vertragliche Rückgaberecht der Klägerin als Wiederverkaufsrecht zu qualifizieren. Die Ausübung dieses gesetzlich nicht geregelten Rechts des Käufers, auf das das Wiederkaufsrecht des Verkäufers nach §§ 497 ff BGB nur eingeschränkt entsprechende Anwendung findet (BGHZ 110, 183, 191 f; Senatsurteil vom 31. Januar 1990 – VIII ZR 261/88, NJW 1990, 3014 unter II 3; BGHZ 140, 218, 221 f), läßt den Ausgangskaufvertrag unberührt und erfaßt lediglich die vom Wiederverkäufer benannten Gegenstände. Damit trägt das Wiederverkaufsrecht den oben genannten Interessen der Parteien Rechnung. Dementsprechend hat der Senat auch in dem vergleichbaren Fall des vertraglichen „Remissionsrechts” eines „Auslieferers” (Zwischenhändlers) von Büchern gegenüber dem Verlag ein Wiederverkaufsrecht angenommen (Senatsurteil vom 16. März 1994 – VIII ZR 246/92, NJW-RR 1994, 880 unter II 2 a aa).
2. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich offengelassen, ob und gegebenenfalls innerhalb welcher Frist die Klägerin nach Ablauf der „Konditionsvereinbarung 1996” am 31. Dezember 1996 berechtigt war, von ihrem Rückgaberecht Gebrauch zu machen. Deswegen ist in der Revisionsinstanz zugunsten der Klägerin gemäß ihrem in erster Linie erfolgten Vortrag davon auszugehen, daß sie die von der Beklagten bezogenen CDs branchenüblich unbefristet zurückgeben durfte.
Soweit das Berufungsgericht „lediglich ergänzend” ausgeführt hat, die – hilfsweise geltend gemachte – Auslegung der vertraglichen Rückgabeklausel durch die Klägerin, wonach eine Rückgabe der CDs innerhalb einer Frist von drei bis sechs Monaten habe möglich sein sollen, erscheine nach der Interessenlage „einleuchtend”, handelt es sich um eine die Entscheidung nicht tragende Erwägung, die im vorliegenden Zusammenhang keiner weiteren Prüfung bedarf. Im übrigen könnte der hieran anknüpfenden Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe die vorgenannte Frist „deutlich überschritten”, allenfalls teilweise gefolgt werden. Innerhalb der Frist hat die Klägerin ihr Rückgaberecht mit Anwaltsschreiben vom 13. Mai 1997 bezüglich der in der Anlage hierzu näher bezeichneten CDs zum Einkaufswert von 175.532,70 DM zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer ausgeübt. Insoweit hat sie die vom Berufungsgericht in Betracht gezogene Frist eindeutig gewahrt. Lediglich wegen der Mehrforderung ist das nicht der Fall.
3. Ist hier mithin von einem unbefristeten Wiederverkaufsrecht der Klägerin auszugehen, ist der von dieser geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung aus § 326 Abs. 1 BGB nach den bisher getroffenen Feststellungen jedenfalls bezüglich der mit Schreiben vom 13. Mai 1997 zur Rückgabe angebotenen CDs dem Grunde nach nicht zu verneinen. Im übrigen fehlt es – schon wegen des abweichenden Ausgangspunktes – an Feststellungen des Berufungsgerichts.
a) Ob daran festzuhalten ist, daß bei Ausübung des Wiederverkaufsrechts grundsätzlich die Bestimmungen des Rücktrittsrechts entsprechend anzuwenden sind (so Senatsurteil vom 21. April 1972 – VIII ZR 121/70, WM 1972, 725 unter II 2 a.E.), bedarf hier keiner Entscheidung. Wie vorstehend dargelegt, hat die Klägerin ihr Wiederverkaufsrecht mit Anwaltsschreiben vom 13. Mai 1997 bezüglich der in der Anlage hierzu näher bezeichneten CDs ausgeübt. Zu diesem Zeitpunkt waren die CDs noch nicht versteigert, so daß ein Ausschluß des Wiederverkaufsrechts entsprechend § 351 BGB nicht in Betracht kommt.
b) Durch die Ausübung des Wiederverkaufsrechts ist entsprechend § 497 Abs. 1 BGB ein Wiederverkauf zustande gekommen (vgl. BGHZ 140, 218, 220). Auf diesen Kaufvertrag finden – anders als auf das durch einen Rücktritt begründete Rückgewährschuldverhältnis (vgl. insoweit Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 348 Rdnr. 1) – wie auf jeden gegenseitigen Vertrag die §§ 323 ff BGB Anwendung. Hier ist die Klägerin, nachdem die Beklagte ihr Rückgaberecht durch Anwaltsschreiben vom 30. Mai 1997 verneint hatte, gemäß § 326 Abs. 1 BGB vorgegangen, indem sie die Beklagte durch weiteres Anwaltsschreiben vom 18. Juni 1997 unter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung zur Rücknahme der CDs Zug um Zug gegen Zahlung aufgefordert hat. Da die Beklagte die Frist fruchtlos hat verstreichen lassen, kann die Klägerin insoweit Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.
c) Für die Berechnung des Nichterfüllungsschadens ist anerkannt, daß der Verkäufer den Verlust aus einem Deckungsverkauf ersetzt verlangen kann (BGHZ 126, 131, 134; vgl. auch Senatsurteil vom 27. Mai 1998 – VIII ZR 362/96, WM 1998, 1784 unter II 2 b). Einen solchen Deckungsverkauf hat die Klägerin in Form der Versteigerung vom 4. Juli 1998 vorgenommen. Zu dieser Versteigerung war sie hinsichtlich der mit Schreiben vom 13. Mai 1997 angebotenen CDs gemäß § 373 Abs. 2 HGB befugt, da sich die Beklagte insoweit nach der – in anderem Zusammenhang getroffenen – Feststellung des Berufungsgerichts gemäß § 293 BGB in Annahmeverzug befand und sie, die Klägerin, die Versteigerung mit Anwaltsschreiben vom 18. Juni 1998 angekündigt hatte.
d) Im vorliegenden Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit gegebenenfalls die Klägerin die CDs, die sie mit Schreiben vom 13. Mai 1997 zur Rückgabe angeboten und am 4. Juli 1998 versteigert hat, nicht von der Beklagten bezogen, sondern von der Firma T. übernommen hat. Mangels gegenteiliger Feststellungen ist in der Revisionsinstanz zugunsten der Klägerin gemäß deren Vortrag davon auszugehen, daß ihr die Beklagte mündlich auch für die von der Firma T. übernommenen CDs ein Rückgaberecht eingeräumt hat.
4. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da es gemäß den vorstehenden Ausführungen noch weiterer tatsächlicher Feststellungen bedarf. Daher waren das Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Hübsch, Wiechers, Dr. Wolst, Dr. Frellesen
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 07.11.2001 durch Mayer, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 664986 |
BB 2002, 13 |
NJW 2002, 506 |
BGHR 2002, 177 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 444 |
ZIP 2002, 307 |
MDR 2002, 328 |