Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinweispflicht des Gerichts gemäß § 139 ZPO auf die Möglichkeit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO analog. Verhältnis der Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit zur Verfahrensrüge im Revisionsverfahren. Vollstreckungsfähigkeit eines Unterhaltstitels, der eine unbezifferte Anrechnungsanordnung enthält
Leitsatz (amtlich)
a) Zur Berechtigung und Verpflichtung des Gerichts, den auf Abänderung eines Unterhaltstitels (§ 323 ZPO) klagenden Schuldner gem. § 139 Abs. 1 S. 2 ZPO auf die Möglichkeit der prozessualen Gestaltungsklage nach § 767 ZPO analog hinzuweisen, wenn es den abzuändernden Titel mangels Bestimmtheit für nicht vollstreckungsfähig hält.
b) Sieht die Partei in einem vom Berufungsgericht erteilten Hinweis einen Verstoß gegen den Grundsatz der Unparteilichkeit, kann sie dies im Revisionsverfahren nicht mehr zum Gegenstand einer Verfahrensrüge machen, wenn sie ihr Ablehnungsrecht aus § 42 Abs. 2 ZPO nach § 43 ZPO durch Antragstellung oder weitere Einlassung in die Verhandlung verloren hat.
c) Zu den Voraussetzungen der Vollstreckungsfähigkeit eines Unterhaltstitels mit unbezifferter Anrechnungsklausel (hier: Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs "unter Anrechnung bereits gezahlter Beträge").
Normenkette
ZPO § 42 Abs. 2, §§ 43, 139 Abs. 1 S. 2, §§ 295, 323, 556, 767, 767 analog, § 794 Abs. 1 Nr. 4b, §§ 796a, 796b; ZPO a.F. § 794 Abs. 1 Nr. 4a, §§ 1044a, 1044b Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Pfälzischen OLG Zweibrücken als Familiensenat v. 10.9.2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind geschiedene Eheleute.
Mit schriftlichem Anwaltsvergleich v. 18.7.1995 verpflichtete sich der Kläger, an die Beklagte ab 15.3.1995 nachehelichen Unterhalt i.H.v. 800 DM monatlich "unter Anrechnung bereits gezahlter Beträge" zu zahlen, und unterwarf sich der sofortigen Zwangsvollstreckung. Mit Beschluss v. 21.3.1996 erklärte das AG S. den Vergleich für vollstreckbar. Der Tenor dieses Beschlusses lautet wie folgt:
"Der zu den Akten eingereichte Anwaltsvergleich v. 18.7.1995 wird für vollstreckbar erklärt. Der Vergleich lautet in seinem wesentlichen Teil: J. D. verpflichtet sich, ab 15.3.1995, unter Anrechnung bereits gezahlter Beträge, einen Nachscheidungsunterhalt von monatlich 800 DM an M. D. zu zahlen und unterwirft sich der sofortigen Zwangsvollstreckung hieraus. Änderungen bleiben vorbehalten."
Mit seiner Klage begehrte der Kläger, den vollstreckbaren Vergleich dahin abzuändern, dass er der Beklagten keinen Unterhalt mehr zahlen müsse. Insoweit machte er geltend, der Unterhaltsanspruch sei entfallen, weil die Beklagte - anders als bei Abschluss des Vergleichs - den 1991 geborenen gemeinsamen Sohn nicht mehr betreue, nachdem ihr durch Beschluss des AG N. v. 24.2.2000 die elterliche Sorge entzogen worden und der Sohn spätestens seit Mitte 2000 in einem Heim untergebracht sei. Seitdem sei die Beklagte verpflichtet und in der Lage, ihren Unterhaltsbedarf durch eigene Erwerbstätigkeit zu decken. Außerdem führe sie ihrem neuen Partner den Haushalt.
Das FamG wies die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Erwerbsfähigkeit der Beklagten ab.
Dagegen richtete sich die Berufung des Klägers, mit der er zunächst sein Abänderungsbegehren weiterverfolgte und zusätzlich geltend machte, inzwischen lebe die Beklagte seit fast zwei Jahren mit ihrem neuen Partner zusammen, so dass der Unterhaltsanspruch verwirkt sei.
Auf gerichtlichen Hinweis in der letzten mündlichen Verhandlung stellte er seinen Klageantrag um und beantragte festzustellen, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Anwaltsvergleich bzw. dem Beschluss des AG S. v. 21.3.1996 ab Rechtshängigkeit unzulässig sei.
Das Berufungsgericht sah die Klageänderung als sachdienlich an und erklärte die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss v. 21.3.1996 für die Zeit ab 24.7.2001 für unzulässig.
Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in (OLG Zweibrücken v. 10.9.2002 - 5 UF 48/02, OLGReport Zweibrücken 2003, 95 = FamRZ 2003, 692 f.) veröffentlicht ist, hat den Übergang von der Abänderungsklage zur Vollstreckungsgegenklage angeregt und für sachdienlich gehalten, weil der Vollstreckungstitel infolge der unbestimmten Anrechnungsklausel keinen vollstreckbaren Inhalt habe und eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO gegen einen solchen Titel unzulässig sei. Hingegen habe der Kläger ein schutzwürdiges Interesse daran, die fehlende Vollstreckbarkeit des Titels im Wege der prozessualen Gestaltungsklage analog § 767 ZPO feststellen zu lassen.
Dem Vollstreckungstitel, der den Kläger zu Unterhaltszahlungen "unter Anrechnung bereits gezahlter Beträge" verpflichte, lasse sich nämlich nicht entnehmen, in welcher Höhe und für welchen Zeitraum Zahlungen geleistet wurden. Zwar ergäben sich Bedenken gegen die Vollstreckbarkeit eines solchen Titels dann nicht, wenn der Vereinbarung der Parteien mit der erforderlichen Klarheit entnommen werden könne, dass die Anrechnungsklausel lediglich eine materiell-rechtliche Vereinbarung außerhalb des Titels bilde. Das sei hier aber nicht der Fall. Auch könne es nicht dem Vollstreckungsorgan überlassen bleiben, durch Auslegung des Vollstreckungstitels zu ermitteln, ob die Anrechnungsklausel nur materiell-rechtliche Wirkung habe entfalten oder auch die Vollstreckbarkeit beschränken sollen. Daher stehe die unbestimmte Anrechnungsklausel der Vollstreckbarkeit des Titels insgesamt entgegen.
Dies hält der rechtlichen Prüfung und den Angriffen der Revision stand.
1. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe die Klageänderung weder anregen noch als sachdienlich zulassen dürfen, weil die zwischen den Parteien streitige Unterhaltspflicht so nicht geklärt werde und die Beklagte daher ggf. in einem weiteren Verfahren einen neuen Titel erstreiten müsse.
a) Soweit die Beklagte meint, mit dieser Anregung habe das Berufungsgericht seine Pflicht zur Unparteilichkeit verletzt, ist dieser Vortrag nicht geeignet, das angefochtene Urteil in Frage zu stellen. Abgesehen davon, dass dieser Vorwurf nicht gerechtfertigt ist, weil das Gericht nach § 139 ZPO in jeder Lage des Verfahrens auf eine von ihm als sachdienlich angesehene Antragstellung hinzuwirken hat, kann die Revision mit einer derartigen Verfahrensrüge schon deshalb nicht gehört werden, weil die Beklagte den Vorwurf eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Unparteilichkeit allenfalls zum Gegenstand eines Ablehnungsgesuchs wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 42 ZPO hätte machen können.
Die Beklagte hat diesen Hinweis aber nicht zum Anlass genommen, ein solches Ablehnungsgesuch zu stellen, sondern sich auf den geänderten Antrag eingelassen und anschließend zur Sache verhandelt. Damit hat sie zugleich ihr Ablehnungsrecht verloren, § 43 ZPO. Daraus folgt, dass sie im Revisionsverfahren den erteilten Hinweis nicht mehr als Verfahrensfehler geltend machen kann (BVerwG NVwZ 2003, 1132 ff., zu § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; OLG Brandenburg v. 18.7.1996 - 5 U 9/95, OLGReport Brandenburg 1997, 18 ff., zu § 539 ZPO a.F.). Denn die Verletzung einer das Verfahren der Berufungsinstanz betreffenden Vorschrift kann in der Revisionsinstanz nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei das Rügerecht bereits in der Berufungsinstanz nach der Vorschrift des § 295 ZPO verloren hat, § 556 ZPO. Dies gilt entsprechend auch für den Anwendungsbereich des § 43 ZPO, da diese Vorschrift ebenfalls einen - ggü. § 295 ZPO spezielleren - Heilungstatbestand darstellt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., vor § 43 Rz. 2, § 43 Rz. 1).
b) An die Zulassung der Klageänderung als sachdienlich ist das Revisionsgericht gebunden, § 268 ZPO.
2. Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch in der Sache als richtig.
a) Soweit das Berufungsgericht den Antrag des Klägers, die Zwangsvollstreckung aus dem Anwaltsvergleich bzw. dem ihn für vollstreckbar erklärenden Beschluss des AG S. unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung "ab Rechtshängigkeit für unzulässig zu erklären", als prozessuale Gestaltungsklage analog § 767 ZPO aufgefasst hat, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Zwar mag die Einschränkung des Klägers, die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung erst ab Rechtshängigkeit der vorliegenden Klage festzustellen, darauf schließen lassen, dass der Kläger vorrangig nach wie vor eine Sachentscheidung über den Bestand und hilfsweise die Höhe seiner Unterhaltsverpflichtung erstrebte, wie er sie zunächst mit seiner Abänderungsklage nach § 323 ZPO begehrt hatte. Denn dieser Einschränkung hätte es bei einer prozessualen Gestaltungsklage nach § 767 ZPO analog, mit der die (von Anfang an) fehlende Vollstreckungsfähigkeit wegen mangelnder Bestimmtheit des Titels geltend gemacht wird, nicht bedurft.
Gleichwohl war es zulässig und geboten, den Antrag des Klägers in diesem Sinne auszulegen oder ggf. umzudeuten, weil die Klage andernfalls - sowohl als Abänderungsklage nach § 323 ZPO wegen veränderter Verhältnisse als auch als Vollstreckungsabwehrklage aus § 767 ZPO wegen materieller Einwendungen gegen den titulierten Anspruch - bei fehlender Vollstreckbarkeit des Titels als unzulässig hätte zurückgewiesen werden müssen (BGHZ 22, 54 [64]; BGH v. 18.11.1993 - IX ZR 244/92, BGHZ 124, 164 [169] = MDR 1994, 1040; Urt. v. 5.12.2003 - V ZR 341/02, MDR 2004, 471 = BGHReport 2004, 506 = NJW-RR 2004, 1135 f.).
Hingegen kann die fehlende Vollstreckungsfähigkeit nach der neueren Rechtsprechung des BGH mit der prozessualen Gestaltungsklage analog § 767 ZPO geltend gemacht werden, ohne dass ein Rechtsschutzinteresse wegen der Möglichkeit, dies mit der Klauselerinnerung nach §§ 732, 797 Abs. 3 ZPO geltend zu machen, zu verneinen wäre (BGH v. 27.3.1981 - V ZR 202/79, BGHZ 118, 230 [234] = MDR 1981, 660; v. 15.12.2003 - II ZR 358/01, MDR 2004, 658 = BGHReport 2004, 553 = ZIP 2004, 356 [358]).
Die Auslegung seines Antrags im Sinne einer solchen Klage lag auch im Interesse des Klägers, da sein Begehren, keinen Unterhalt mehr zahlen zu müssen, auch das Interesse umfasste, jedenfalls aus dem vorliegenden Titel nicht mehr im Wege der Zwangsvollstreckung auf Unterhalt in Anspruch genommen werden zu können.
b) Zu Recht hat das Berufungsgericht den Beschluss des AG v. 21.3.1996 wegen der darin enthaltenen Anrechnungsklausel als unbestimmt und daher nicht vollstreckungsfähig angesehen.
Das Bestimmtheitserfordernis gilt (nur) für den Titel, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben werden soll. Das ist hier gem. § 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO a.F. (jetzt § 794 Abs. 1 Nr. 4b) nicht der Anwaltsvergleich nach § 1044b ZPO a.F. (jetzt § 796a ZPO), sondern die gerichtliche Entscheidung nach § 1044b Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 1044a ZPO a.F. (jetzt § 796b ZPO), mit der dieser für vollstreckbar erklärt wurde (Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., § 796a Rz. 25).
Ein Titel ist nur dann bestimmt genug und zur Zwangsvollstreckung geeignet, wenn er den Anspruch des Gläubigers ausweist und Inhalt und Umfang der Leistungspflicht bezeichnet. Bei einem Zahlungstitel muss der zu vollstreckende Zahlungsanspruch betragsmäßig festgelegt sein (BGHZ 22, 54 [57]) oder sich zumindest aus dem Titel ohne Weiteres errechnen lassen (BGH v. 30.6.1983 - V ZB 20/82, BGHZ 88, 62 [65] = MDR 1983, 923). Notfalls hat das Vollstreckungsorgan den Inhalt des Titels durch Auslegung festzustellen. Dabei muss der Titel jedoch aus sich heraus für eine Auslegung genügend bestimmt sein oder jedenfalls sämtliche Kriterien für seine Bestimmbarkeit eindeutig festlegen. Es genügt nicht, wenn auf Urkunden Bezug genommen wird, die nicht Bestandteil des Titels sind, oder wenn sonst die Leistung nur aus dem Inhalt anderer Schriftstücke ermittelt werden kann (BGH, Urt. v. 6.11.1985 - IVb ZR 73/84, MDR 1986, 660 = FamRZ 1986, 45 [46], m.N.).
Diesen Anforderungen genügt der Beschluss des AG v. 21.3.1996 nicht, weil der Anrechnungsklausel "unter Anrechnung bereits gezahlter Beträge" mangels Konkretisierung und Bezifferung nicht zu entnehmen ist, unter Abzug welcher Beträge der Unterhaltsanspruch von monatlich 800 DM jeweils zu vollstrecken ist. Dieser Anrechnungsklausel ist nicht einmal mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, ob unter "bereits" gezahlten Beträgen nur solche zu verstehen sind, die vor der Titulierung gezahlt wurden, oder auch solche, die jedenfalls vor der jeweiligen Vollstreckung gezahlt worden sind (zur Unbestimmtheit einer Klausel "abzgl. bereits geleisteter Zahlungen" vgl. auch LAG Köln, Urt. v. 26.3.2004 - 4 Sa 1393/03, veröffentlicht bei JURIS; OLG Zweibrücken v. 18.2.2002 - 6 UF 2/2002, MDR 2002, 541 f.; a.A. OLG Zweibrücken v. 17.7.2002 - 2 WF 35/02, OLGReport Zweibrücken 2002, 480 = FamRZ 2003, 691 f.).
aa) Ohne Erfolg rügt die Revision insoweit, das Berufungsgericht habe es unterlassen, den Anwaltsvergleich umfassend auszulegen, weil ihm nur dessen S. 2 vorgelegen habe. Da nicht dieser Anwaltsvergleich, sondern allein der ihn für vollstreckbar erklärende Beschluss des AG v. 21.3.1996 Vollstreckungstitel ist, ist es schon fraglich, ob der Anwaltsvergleich zu dessen Auslegung überhaupt heranzuziehen ist. Jedenfalls hatte das Berufungsgericht die Beiakte des AG, die den vollständigen Text des Anwaltsvergleichs enthält, mit Verfügung v. 6.5.2002 beigezogen, so dass davon auszugehen ist, dass ihm der vollständige Text vorlag. Abgesehen davon sind auch der S. 1 des Anwaltsvergleichs keine weiteren Angaben zu entnehmen, die zur Auslegung der vereinbarten Anrechnungsklausel beitragen könnten.
bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht auch berücksichtigt, dass grundsätzlich keine Bedenken bestehen, den in einer Unterwerfungserklärung vollstreckbar gestellten Anspruch von vornherein weiter zu fassen als die zu Grunde liegende materielle Forderung, namentlich, wenn deren endgültige Höhe noch nicht feststeht. Dies gilt aber nur dann, wenn jedenfalls die Auslegung des Vollstreckungstitels ergibt, dass sich der Schuldner der Zwangsvollstreckung in der bezifferten Höhe unterwirft und ein Zurückbleiben des materiell-rechtlich geschuldeten hinter dem titulierten Betrag als materiell-rechtliche Einwendung deshalb nur im Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen wäre (BGH, Urt. v. 16.4.1997 - VIII ZR 239/96, MDR 1997, 776 = NJW 1997, 2887 f.; v. 6.3.1996 - VIII ZR 212/94, MDR 1996, 1065 = NJW 1996, 2165 [2166]).
Allerdings ist bereits zweifelhaft, ob diese Rechtsprechung, der jeweils titulierte Kaufpreisansprüche zu Grunde lagen, ohne Weiteres auch auf Titel über laufende Unterhaltsansprüche übertragen werden kann. Dies bedarf jedoch ebenso wenig einer Entscheidung wie die Frage, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, es könne dem Vollstreckungsorgan nicht überlassen bleiben, durch Auslegung des Vollstreckungstitels zu ermitteln, ob die darin enthaltene Anrechnungsklausel lediglich materiell-rechtliche Wirkung entfalten oder auch die Vollstreckbarkeit des titulierten Anspruchs beschränken soll.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beschluss des AG S. sei wegen der unbestimmten Anrechnungsklausel nicht vollstreckbar, hält der rechtlichen Prüfung nämlich im Ergebnis schon deshalb stand, weil auch eine Auslegung dieses Titels nicht mit der für eine Vollstreckung erforderlichen Gewissheit ergibt, dass sich der Kläger der Vollstreckung i.H.v. monatlich 800 DM unterworfen hat und der Anrechnungsklausel nur materiell-rechtliche Wirkung zukommen sollte.
Dagegen spricht zum einen, dass die Anrechnungsklausel überflüssig wäre, wenn sie nur materiell-rechtliche Wirkung entfalten sollte, da der Kläger Zahlungen auf die titulierte Forderung auch ohne eine solche Klausel im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend machen kann. Ob dies auch für Zahlungen gilt, die vor dem Abschluss des Anwaltsvergleichs oder seiner Vollstreckbarerklärung erfolgten, oder ob insoweit die Präklusionsvorschrift des § 767 ZPO anwendbar ist (zum Meinungsstreit vgl. OLG Köln v. 24.9.1996 - 22 U 53/96, OLGReport Köln 1997, 13 = NJW 1997, 1450 [1451]; LG Halle/S. v. 6.9.1999 - 9 O 132/99, NJW 1999, 3567; Musielak/Voit, ZPO, 4. Aufl., § 796a Rz. 10; Baumbach/Albers, ZPO, 50. Aufl., § 1044b, Anm. 3 A c), ist insoweit belanglos, da eine unbestimmte Anrechnungsklausel jedenfalls nicht geeignet wäre, eine Präklusion zu verhindern.
Zum anderen spricht gegen eine nur materiell-rechtlich gewollte Bedeutung der Anrechnungsklausel, dass der Schuldner materiell zu Unrecht beigetriebenen laufenden Unterhalt in der Praxis regelmäßig schon deshalb nicht mit Erfolg zurückfordern kann, weil dieser vom Unterhaltsgläubiger sogleich verbraucht wurde. Bei der Auslegung einer solchen Anrechnungsklausel kann daher ohne entsprechende Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden, dass der Schuldner sich durch uneingeschränkte Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung diesem Risiko aussetzen wollte. Solche Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Argument der Revision, die Parteien seien schließlich übereingekommen, einen vollstreckbaren Titel zu schaffen, so dass im Zweifel die zur Vollstreckbarkeit des Vergleichs führende Auslegung geboten sei. Wollte der Kläger sich nur in Höhe der jeweils materiell-rechtlich geschuldeten Beträge der Zwangsvollstreckung unterwerfen, ist vielmehr davon auszugehen, dass er, wenn er die Problematik erkannt hätte, eher die fehlende Vollstreckbarkeit des Titels insgesamt in Kauf zu nehmen bereit gewesen wäre als einem Titel ausgesetzt zu sein, der eine Vollstreckung über den materiell geschuldeten Unterhalt hinaus erlaubt. Von einer gemeinsamen Interessenlage der Parteien, einen unabhängig von erbrachten Zahlungen i.H.v. jeweils 800 DM monatlich vollstreckbaren Titel zu schaffen, kann daher nicht ausgegangen werden.
c) Die Vollstreckungsfähigkeit eines auf einem Anwaltsvergleich beruhenden und mit einer unbezifferten Anrechnungsklausel verbundenen Titels ist nach alledem nur dann gewahrt, wenn sich aus ihm mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, dass der Schuldner sich ohne Einschränkung der sofortigen Zwangsvollstreckung in Höhe des bezifferten Betrages unterwirft und die Anrechnungsklausel lediglich einen (deklaratorischen) Vorbehalt darstellt, den Einwand der Erfüllung ggf. mit einer späteren Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend zu machen.
Eine solche - auch für das Vollstreckungsorgan hinlänglich deutliche - Klarstellung lässt sich beispielsweise dadurch erreichen, dass zunächst nur der Betrag beziffert wird, über den der Titel errichtet wird, gefolgt von der Erklärung des Schuldners, sich der sofortigen Zwangsvollstreckung daraus zu unterwerfen.
Soweit eine unbezifferte Anrechnungsklausel für erforderlich gehalten wird, sollte diese sodann einem gesonderten Absatz vorbehalten werden, der zugleich klarstellt, dass die Anrechnung gezahlter, aber derzeit noch nicht bezifferbarer Beträge mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend zu machen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1471680 |
BGHZ 2006, 223 |
NJW 2006, 695 |
BGHR 2006, 302 |
EBE/BGH 2006, 34 |
FamRZ 2006, 261 |
FuR 2006, 125 |
DNotI-Report 2006, 35 |
JurBüro 2006, 277 |
ZAP 2006, 312 |
AnwBl 2006, 100 |
DNotZ 2006, 198 |
InVo 2006, 247 |
MDR 2006, 637 |
FamRB 2006, 76 |
RENOpraxis 2006, 124 |
ZFE 2006, 111 |
FK 2006, 73 |