Leitsatz (amtlich)
a) Der Auftraggeber legt einen Mangel des Architektenwerks, der sich im Bauwerk realisiert hat, hinreichend substantiiert dar, wenn er die Mangelerscheinungen bezeichnet und einer Leistung des Architekten zuordnet.
b) Der Bauherr ist nicht verpflichtet, vorprozessual Mängelbeseitigungskosten zu ermitteln. Es genügt, wenn er die Kosten schätzt und für den Fall, daß der Schuldner die Kosten bestreitet, ein Sachverständigengutachten als Beweismittel anbietet.
Normenkette
BGB § 635
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 23. Oktober 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt vom Beklagten zu 1 (im folgenden: Beklagter), einem Innenarchitekten, Schadensersatz wegen fehlerhafter Planung und Bauaufsicht.
Im Rahmen des Um- und Ausbaus eines Fachwerkhauses mit angrenzender Scheune schlossen die Klägerin und ihr Ehemann, dessen Beteiligung in der Revision keine Rolle mehr spielt, mit dem Beklagten zwei Architektenverträge. Danach sollte der Beklagte die Leistungsphasen 1-6 des § 15 Abs. 2 HOAI für „raumbildende Ausbauten” bzw. „Innenräume” erbringen. Nach dem Vortrag der Klägerin war der Beklagte darüber hinaus mündlich beauftragt worden, die gesamte Planung für das Projekt zu erstellen und die Bauaufsicht zu übernehmen. Letzteres hat der Beklagte bestritten. Die Tragwerksplanung wurde separat vergeben. Der Beklagte fertigte eine Ausführungsplanung und erbrachte weitere Architektenleistungen, deren Umfang streitig ist. Nach Fertigstellung des Rohbaus rügte die Klägerin Mängel an Mauerwerk und Dachstuhl. Sie leitete ein selbständiges Beweisverfahren ein. Unter Bezugnahme auf das darin erstellte Sachverständigengutachten bezifferte sie ihren Schadensersatzanspruch zuletzt mit 66.802,69 DM.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich ihre Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Die Beurteilung richtet sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht führt aus, die Klägerin habe die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach § 635 BGB nicht schlüssig dargelegt. Die Klägerin hätte vortragen müssen, welche Planung der Beklagte im einzelnen vorgesehen habe und inwieweit diese nicht genehmigungsfähig oder lückenhaft gewesen sei, nicht den Regeln der Technik oder den vertraglichen Vereinbarungen entsprochen habe. Die Klägerin habe nicht dargelegt, welche konkreten Überwachungspflichten der Beklagte verletzt habe und welcher Schaden adäquat durch welchen Fehler verursacht worden sei. Es genüge ferner nicht, die für die Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten zu benennen. Es hätte dargelegt werden müssen, welche Maßnahmen im einzelnen zur Mängelbeseitigung erforderlich seien, und daß die geltend gemachten Kosten notwendig, ortsüblich und angemessen seien. Sowieso-Kosten seien in Abzug zu bringen.
II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die Darlegung eines Mangels des Architektenwerks verkannt.
a) Im werkvertraglichen Mängelprozeß ist zu unterscheiden zwischen dem Mangel und den Mangelerscheinungen. Es genügt für einen hinreichenden Sachvortrag des Auftraggebers zu Mängeln, wenn er die Mangelerscheinungen, die er der fehlerhaften Leistung des Auftragnehmers zuordnet, hinreichend genau bezeichnet. Dadurch werden die Mängel selbst Gegenstand des Vortrags und des Verfahrens. Der Auftraggeber ist nicht gehalten, zu den Ursachen der Mangelerscheinungen vorzutragen. Ob diese in einer vertragswidrigen Beschaffenheit der Leistung des Auftragnehmers zu suchen sind, ist Gegenstand des Beweises und nicht Erfordernis des Sachvortrags (st. Rspr., Urteile vom 17. Januar 2002 – VII ZR 488/00, BauR 2002, 784, 785 = ZfBR 2002, 357 = NZBau 2002, 335, 336; vom 6. Dezember 2001 – VII ZR 241/00, ZfBR 2002, 345, 347 und vom 14. Januar 1999 – VII ZR 19/98, BauR 1999, 631, 632 = ZfBR 1999, 193).
b) Diese Grundsätze gelten auch im Architektenprozeß. Der Auftraggeber legt einen Mangel des Architektenwerks, z.B. fehlerhafte Planung oder Bauaufsicht, der sich im Bauwerk realisiert hat, hinreichend substantiiert dar, wenn er die am Bauwerk sichtbaren Mangelerscheinungen bezeichnet und einer Leistung des Architekten zuordnet. Zu den Ursachen der Mangelerscheinungen muß er sich nicht äußern. Er muß sie daher nicht als Planungs- oder Überwachungsfehler einordnen (BGH, Urteile vom 18. September 1997 – VII ZR 300/96, BGHZ 136, 342, 346 und vom 10. November 1988 – VII ZR 272/87, BauR 1989, 361, 364 = ZfBR 1989, 113).
c) Der Sachvortrag der Klägerin zu den Mängeln des Werks des Beklagten genügt diesen Anforderungen. Sie hat die am Gebäude aufgetretenen Mangelerscheinungen hinreichend beschrieben und durch Bezugnahme auf das vorliegende Sachverständigengutachten näher konkretisiert. Ferner hat sie dargelegt, daß sie die Mangelerscheinungen einer Leistung des Beklagten zuordnet.
2. Das Berufungsgericht beanstandet zu Unrecht den Vortrag der Klägerin zur Höhe der Mängelbeseitigungskosten.
a) Der Bauherr ist nicht verpflichtet, vorprozessual die Mängelbeseitigungskosten durch ein Sachverständigengutachten zu ermitteln. Es genügt, wenn er die Kosten schätzt und für den Fall, daß der Schuldner die Kosten bestreitet, ein Sachverständigengutachten als Beweismittel anbietet (BGH, Urteile vom 28. November 2002 – VII ZR 136/00, ZfBR 2003, 249, 250 = NZBau 2003, 152, 153 und vom 14. Januar 1999 – VII ZR 19/98, BauR 1999, 631, 632 = ZfBR 1999, 193).
Das hat die Klägerin getan. Sie hat sich die im selbständigen Beweisverfahren vom Sachverständigen vorgenommene Schätzung der Mängelbeseitigungskosten zu eigen gemacht. Unerheblich ist, daß der Sachverständige ausgeführt hat, er könne die entstehenden Kosten lediglich grob abschätzen, da zahlreiche Detaillösungen zu erarbeiten seien, deren Umsetzung einen mehr oder weniger hohen Arbeitsaufwand nach sich ziehe. Ins einzelne gehende Sanierungspläne oder Kostenvoranschläge können von der Klägerin nicht verlangt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2002 – VII ZR 136/00 aaO).
b) Die Klägerin ist nicht verpflichtet, diejenigen Kosten, um die das Bauwerk bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung durch den Beklagten von vornherein teurer geworden wäre (Sowieso-Kosten), von sich aus bei der Bemessung ihres Schadens zu berücksichtigen. Diese Kosten, deren Anrechnung sich nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung richtet, hat der Beklagte darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1988 – VII ZR 272/87, BauR 1989, 361, 365 = ZfBR 1989, 113).
III.
Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben, die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
1. Das Berufungsgericht hat zum Umfang der vom Beklagten geschuldeten Leistungen keine abschließenden Feststellungen getroffen.
Es ist unstreitig, daß der Beklagte mit der gesamten Planung für das Bauprojekt beauftragt war. Deshalb hat er die vom Sachverständigen festgestellte Lücke in seiner Planung zu vertreten.
Nach dem bestrittenen, unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin schuldete der Beklagte auch die Bauaufsicht in vollem Umfang.
2. Der Beklagte haftet für eine fehlerhafte Tragwerksplanung des von ihm beauftragten Statikers, wenn der Fehler auf unzureichenden Vorgaben beruht, wenn er einen unzuverlässigen Statiker ausgewählt hat oder wenn er Mängel der Statik nicht beanstandet, die für ihn nach den von ihm zu erwartenden Kenntnissen erkennbar waren (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1996 – VII ZR 233/95, BauR 1997, 488, 490 = ZfBR 1997, 185, 186).
Die Klägerin hat hierzu unter Beweisantritt vorgetragen, der Beklagte habe dem Statiker fehlerhaft nur den Auftrag zu einer vereinfachten „Minimalstatik” für einen Neubau erteilt ohne Hinweis auf den wesentlichen Umstand, daß Teile der alten Bausubstanz erhalten bleiben sollten. Das Berufungsgericht sieht diesen Vortrag als „ins Blaue hinein” gehalten und damit unbeachtlich an. Denn er stehe mit dem weiteren Vortrag, aus den vorliegenden Unterlagen sei nicht ersichtlich, wie das Vertragsverhältnis mit dem Statiker gestaltet sei, in Widerspruch.
Ob dies zutrifft, kann offen bleiben. Die Klägerin hat im weiteren Verfahren Gelegenheit, sich hierzu klarstellend zu äußern.
Unterschriften
Thode, Wiebel, Kuffer, Kniffka, Bauner
Fundstellen
Haufe-Index 952494 |
DB 2003, 1845 |
BGHR 2003, 859 |
BauR 2003, 1247 |
NJW-RR 2003, 1239 |
IBR 2003, 365 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2003, 907 |
ZfIR 2003, 694 |
MDR 2003, 984 |
ZfBR 2003, 559 |
BTR 2003, 242 |
NZBau 2003, 501 |
IWR 2003, 77 |
JbBauR 2004, 390 |