Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 31. März 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob der Kläger von der Beklagten die für den Fall der Berufsunfähigkeit vertraglich zugesagten Leistungen ab 1. November 1992 bis längstens 30. September 2008 beanspruchen kann.
Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit 1985 eine dynamische Lebensversicherung unter Einschluß einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Nach § 20 der „Ergänzenden Bestimmungen betreffend die Zusatzversicherung für Berufsunfähigkeit” (im folgenden B-BUZ) liegt Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, ganz oder teilweise außerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Erwerbstätigkeit auszuüben, die seiner Lebensstellung, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten angemessen ist. Bei teilweiser Berufsunfähigkeit werden die vertraglich für den Fall vollständiger Berufsunfähigkeit versprochenen Leistungen in einer Höhe gewährt, die dem Grad der Berufsunfähigkeit entspricht; bei Berufsunfähigkeit unter 25% besteht kein Leistungsanspruch, bei einer solchen von mindestens 75% werden die vollen Leistungen erbracht (§ 20 (2) B-BUZ). Ab 1. April 1992 ergab sich nach dem Vertrag als volle Berufsunfähigkeitsrente ein Betrag von monatlich 1.097,17 DM.
Der Kläger war seit dem Jahre 1965 bis Ende Januar 1989 als Obermonteur im Sprinklermontagenbereich tätig; er übte Vorgesetztenfunktionen aus. Nach einem Bandscheibenvorfall im Jahre 1985 und erneuten Erkrankungen in den Jahren 1988 und 1989 gab er seine Tätigkeit als Obermonteur zum 31. Januar 1989 auf. Bereits seit 1987 hatte der Kläger unter seinem Namen eine Videothek als Gewerbebetrieb angemeldet.
Der Kläger hat behauptet, er sei ab Februar 1989 zu mehr als 75% berufsunfähig. Wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei er seit diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage, die Tätigkeit als Obermonteur weiterhin auszuüben. Die Videothek sei zwar auf seinen Namen angemeldet, tatsächlich aber von seiner Ehefrau betrieben worden. Nach Aufgabe seiner Tätigkeit als Obermonteur habe er in dem Geschäft gelegentlich ausgeholfen.
Die Beklagte verweigert Leistungen. Sie ist der Auffassung, bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit liege nicht vor, weil der Kläger gesundheitlich in der Lage sei, einer Tätigkeit als Videothekar nachzugehen.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung rückständiger Rente (30.720,76 DM), auf Beitragsrückzahlung (9.215,30 DM) – beides für die Zeit vom 1. November 1992 bis 28. Februar 1995 – und auf Zahlung einer laufenden Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 1.097,17 DM ab 1. März 1995 in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht nimmt an, der Kläger habe den Eintritt bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit nicht bewiesen. Zwar sei zwischen den Parteien nicht mehr streitig, daß der Kläger den bis zum 31. Januar 1989 ausgeübten Beruf eines Obermonteurs nicht mehr ausüben könne. Es sei aber nicht festzustellen, daß dies auch tatsächlich der vom Kläger zuletzt ausgeübte Beruf gewesen sei. Der Kläger bestreite nicht, Inhaber einer Videothek gewesen zu sein. Er habe sich zudem gegenüber den ihn untersuchenden Ärzten in einer Weise geäußert, die jene übereinstimmend dahin verstanden hätten, der Beruf eines Videothekars sei vom Kläger zuletzt ausgeübt worden. Die sich daraus und aus dem weiteren Vorbringen des Klägers ergebenden Zweifel, welche Tätigkeit der Kläger zuletzt ausgeübt habe, seien auch durch die Beweisaufnahme nicht widerlegt worden. Daß der Kläger auch im Beruf eines Inhabers einer Videothek gesundheitsbedingt nicht tätig werden könne, sei gleichfalls nicht festzustellen.
Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
2. a) Das Berufungsgericht hat nicht hinreichend beachtet, daß der vom Kläger behauptete Zeitpunkt des Eintritts von Berufsunfähigkeit zugleich den maßgeblichen Zeitpunkt für die Entscheidung abgibt, ob der Kläger zu einem bedingungsgemäß erheblichen Ausmaß nicht mehr in der Lage war, seinem zuletzt ausgeübten Beruf oder einer anderen Tätigkeit im Sinne des § 20 B-BUZ nachzugehen. Der Kläger hat behauptet, er sei ab Februar 1989 zu mehr als 75% berufsunfähig. Demgemäß kam es zunächst darauf an festzustellen, ob der Kläger in dem von ihm behaupteten Ausmaß die Fähigkeit verloren hatte, seine bis zu diesem Zeitpunkt ausgeübte Tätigkeit weiterhin wahrzunehmen. Das gilt unbeschadet des Umstandes, daß der Kläger Leistungen der Beklagten erst ab einem späteren Zeitpunkt beansprucht hat.
Bis zum 31. Januar 1989 – also bis zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt – war der Kläger unstreitig vollschichtig als Obermonteur tätig. Soweit das Berufungsgericht gleichwohl nicht festzustellen vermag, daß dies die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit gewesen sei, hat es den maßgeblichen Stichtag nicht ausreichend in den Blick genommen. Denn seine Erwägungen dazu, daß der Kläger als Videothekar tätig geworden sei, stützen sich in der Hauptsache auf den Zeitraum nach der Aufgabe seiner beruflichen Tätigkeit als Obermonteur.
b) Der Umstand, daß der Kläger schon vor 1989 Inhaber einer Videothek gewesen ist, sagt über eine Tätigkeit des Klägers im Rahmen des Betriebs der Videothek vor Aufgabe der Beschäftigung als Obermonteur ebensowenig aus wie die Tatsache, daß der Kläger Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente erst ab November 1992 begehrt hat. Gleiches gilt für den Umstand, daß sich die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb erst ab 1989 gesteigert haben. Deuten schon diese Erwägungen des Berufungsgerichts eher darauf hin, daß es vom Kläger ab Februar 1989 ausgeübte Tätigkeiten – namentlich die eines Videothekars – im Blick hatte, so gilt das umso mehr, soweit es auf Angaben des Klägers abstellt, die dieser gegenüber Ärzten gemacht haben soll, die ihn aus Anlaß von Rentenanträgen untersucht haben. Denn aus den Berichten der Ärzte, in denen Angaben des Klägers referiert werden, ist – worauf das Berufungsgericht denn auch selbst abstellen will – nur zu entnehmen, daß der Kläger seit 1989, also nach der Aufgabe des Monteurberufs, als Videothekar tätig geworden ist. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Würdigung der Beweisaufnahme ergibt kein anderes Bild. Die von ihm gewürdigten Zeugenaussagen betreffen teilweise nur den Zeitraum nach 1989; dagegen betrachtet das Berufungsgericht die Aussage eines Zeugen gerade deshalb als unmaßgeblich, weil sie sich auf einen Zeitraum bezieht, in dem der Kläger noch als Obermonteur tätig war.
c) Das Berufungsgericht hat deshalb schon die Frage, ob der Kläger seiner vor Eintritt der behaupteten Berufsunfähigkeit ausgeübten Tätigkeit gesundheitsbedingt nicht weiter nachgehen konnte, nicht rechtsfehlerfrei verneint. Denn insoweit kam es auf etwaige Tätigkeiten des Klägers als Videothekar nach dem 31. Januar 1989 und die Fähigkeit, diese auszuüben, nicht an. Wenn deshalb davon auszugehen ist, daß der Kläger vor Februar 1989 nur – oder jedenfalls in einem sein Berufsleben bestimmenden Ausmaß – als Obermonteur tätig war, ist für die Beantwortung der Frage allein auf diese Tätigkeit abzustellen. Daß der Kläger diese aber gesundheitsbedingt zu 75% nicht mehr ausüben kann, hat die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht mehr bestritten.
3. Zu Versicherungsleistungen berechtigende Berufsunfähigkeit liegt aber nicht bereits dann vor, wenn der Versicherte nicht mehr in der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit in dem bedingungsgemäß vorausgesetzten Umfange nachzugehen, hinzu kommen muß gemäß § 20 B-BUZ vielmehr, daß der Versicherte auch keine andere Erwerbstätigkeit ausüben kann, die seiner Lebensstellung, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten angemessen ist. Ob im vorliegenden Falle diese weitere Voraussetzung erfüllt ist, hat das Berufungsgericht – seinem Ausgangspunkt folgend – nicht geprüft. Es hat zwar nicht festzustellen vermocht, daß der Kläger den Beruf eines Videothekars nicht ausüben könne, insoweit aber diesen Beruf als den zuletzt ausgeübten eingeordnet und schon deshalb die Prüfung der Voraussetzungen einer Verweisung auf eine solche Tätigkeit unterlassen. Zur Prüfung einer Verweisbarkeit des Klägers auf die Tätigkeit als Videothekar ist deshalb zu bemerken:
a) Die Beweislast für den Eintritt von Berufsunfähigkeit und damit auch dafür, daß auch eine andere Erwerbstätigkeit im Sinne des § 20 B-BUZ nicht in einem Berufsunfähigkeit ausschließenden Umfange ausgeübt werden kann, trifft den Versicherungsnehmer. Diesen Negativbeweis kann der Versicherungsnehmer grundsätzlich nur dann ordnungsgemäß antreten, wenn der – branchenerfahrene – Versicherer den von ihm beanspruchten Vergleichsberuf bezüglich der ihn prägenden Merkmale näher konkretisiert (Senatsurteil vom 29. Juni 1994 – IV ZR 120/93 – VersR 1994, 1095 unter 2 b). Denn nur dann kann der Versicherungsnehmer das Bestreiten von Berufsunfähigkeit durch den Versicherer mit substantiierten Beweisangeboten bekämpfen. Der Umfang der Darlegungslast des Versicherers zu den prägenden Merkmalen des Vergleichsberufs hängt also nicht zuletzt davon ab, was der Versicherer beim Versicherungsnehmer insoweit an Kenntnissen voraussetzen darf. Übt der Versicherungsnehmer eine vom Versicherer als Vergleichsberuf in Anspruch genommene Tätigkeit schon tatsächlich aus, hat er – und nicht sein Versicherer – Kenntnis davon, welche Anforderungen diese im einzelnen an ihn stellt. In einem solchen Falle genügt es daher nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Vergleichbarkeit der anderen Tätigkeit nur summarisch bestreitet, vielmehr obliegt es ihm von Anfang an vorzutragen – und erforderlichenfalls zu beweisen –, daß und warum er diese Tätigkeit nicht ausüben kann oder warum sie sonst den bedingungsgemäßen Anforderungen an eine Vergleichstätigkeit nicht genügt (Senatsurteil vom 30. November 1994 – IV ZR 300/93 – VersR 1995, 159 unter 3).
b) Im vorliegenden Falle hat der Kläger zwar bestritten, nach Aufgabe seiner Tätigkeit als Obermonteur die in der auf seinen Namen angemeldeten Videothek anfallenden Tätigkeiten vollständig übernommen zu haben. Er hat aber eingeräumt, in der von seiner Ehefrau geführten Videothek neben seinen Kindern gelegentlich – bis höchstens zwei Stunden täglich – ausgeholfen zu haben. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß der Kläger Kenntnis von den prägenden Merkmalen der ihm von der Beklagten angesonnenen Tätigkeit als Videothekar hatte. Denn die Videothek wurde – selbst wenn der Kläger darin ab Februar 1989 auch nur aushilfsweise mitgearbeitet haben sollte – als Familienbetrieb geführt; die dort hauptsächlich tätige Ehefrau wurde sowohl von ihren Kindern als auch vom Kläger unterstützt. Schon das legt es nahe, daß jedes Familienmitglied auch um die in der Videothek anfallenden Arbeiten wußte; daß dies aber insbesondere für den Kläger gilt, folgt weiter daraus, daß er sich durch seine zeitweise Mitarbeit auch ein eigenes Bild von den Tätigkeitsfeldern beim Betrieb einer Videothek machen konnte. Deshalb oblag es im vorliegenden Falle von vornherein dem Kläger vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, daß er die Tätigkeit als Videothekar gesundheitsbedingt nicht zu mehr als 25% ausüben kann oder daß und warum sie sonst den Anforderungen an einen Vergleichsberuf im Sinne des § 20 B-BUZ nicht entspricht.
c) Dieser Vortragslast hat der Kläger bislang nicht genügt. Er hat sich vielmehr auf die Beschreibung von Aushilfstätigkeiten beschränkt. Indessen erweist sich die Entscheidung des Berufungsgerichts auch deshalb nicht als im Ergebnis zutreffend. Denn das Berufungsgericht hat es – wie die Revision mit Recht erinnert – jedenfalls an einem Hinweis (§ 139 ZPO) darauf fehlen lassen, wie weit die Darlegungs- und Beweislast des Klägers hinsichtlich einer Tätigkeit als Videothekar als mögliche Verweisungstätigkeit im Sinne des § 20 Abs. 1 B-BUZ reichte. Das gilt umso mehr, als noch das Landgericht auf der Grundlage des bisherigen Vortrags des Klägers eine Verweisung auf die Tätigkeit als Videothekar abgelehnt, der Kläger deshalb zu ergänzendem Vortrag zunächst also keine Veranlassung hatte.
d) Die Zurückverweisung der Sache gibt dem Kläger Gelegenheit, seinen Vortrag zu einer Verweisung auf eine Tätigkeit als Videothekar nachzuholen. Auf dieser Grundlage wird das Berufungsgericht sodann zu beurteilen haben, ob sich der Kläger auf diese Tätigkeit als eine andere Erwerbstätigkeit im Sinne des § 20 B-BUZ verweisen lassen muß.
Unterschriften
Dr. Schmitz, Römer, Terno, Seiffert, Ambrosius
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 12.01.2000 durch Schick Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 557106 |
NJW-RR 2000, 691 |
NVersZ 2000, 221 |
VersR 2000, 349 |