Leitsatz (amtlich)
Art. 15 Abs. 2 EuGVVO ist nicht anwendbar, wenn die Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung bereits vor Einreichung der Klage auf gelöst worden ist.
Normenkette
EuGVVO Art. 15 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 10.08.2006; Aktenzeichen 19 U 1978/06) |
LG München I (Entscheidung vom 05.01.2005; Aktenzeichen 22 O 24619/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des OLG München vom 10.8.2006 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Der Kläger macht gegen die Beklagte, ein in New York ansässiges, weltweit tätiges Finanzinstitut, Ansprüche wegen angeblicher Abrechnungsmängel bei Anlagegeschäften geltend.
[2] Der in München wohnhafte Kläger legte von 1993 an sein Vermögen i.H.v. mehreren Millionen EUR bei verschiedenen Konzernunternehmen der Beklagten in komplexen Finanzinstrumenten an. Er wurde von Mitarbeitern der Münchener Repräsentanz einer zur Unternehmensgruppe der Beklagten gehörenden Londoner Bank betreut. Die Repräsentanz wurde Anfang 2004 aufgelöst und ist seit dem 29.9.2004 im Handelsregister gelöscht. In Frankfurt am Main betreibt die Unternehmensgruppe der Beklagten weiterhin eine Zweigniederlassung.
[3] Mit seiner am 23.12.2004 eingereichten Stufenklage begehrt der Kläger, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, Auskunft über Zinsgutschriften auf seinen Konten sowie über Käufe und Verkäufe von J. Zertifikaten. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
[4] Die Revision des Klägers ist unbegründet.
I.
[5] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
[6] Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte sei nicht gegeben. Die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000 (im Folgenden: EuGVVO) sei nicht anwendbar, weil die Beklagte ihren Sitz nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union habe. Art. 15 Abs. 2 EuGVVO sei nicht einschlägig, weil die als sonstige Niederlassung der Beklagten anzusehende Münchener Repräsentanz im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht mehr bestanden habe. Die EuGVVO gehe von dem Grundsatz aus, dass ein Beklagter, der vor Klageerhebung seinen Wohnsitz verlege, nur in seinem neuen Wohnsitzstaat gerichtlich belangt werden könne. Dieser Grundsatz lasse keine Ausnahme zum Schutz von Verbrauchern zu, sondern gelte auch für Art. 15 Abs. 2 EuGVVO. Der Kläger habe mit der Klageerhebung mehrere Jahre zugewartet und müsse eine Veränderung der Verhältnisse seines Vertragspartners hinnehmen.
[7] Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folge auch nicht aus den gem. Art. 4 EuGVVO anwendbaren §§ 39, 21, 23 oder 29 ZPO.
II.
[8] Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Überprüfung stand. Die auch im Revisionsverfahren zu prüfende (BGH v. 28.11.2002 - III ZR 102/02, BGHZ 153, 82, 84 ff. = MDR 2003, 348 = BGHReport 2003, 248 m. Anm. Schneider; BGH v. 16.12.2003 - XI ZR 474/02, BGHZ 157, 224, 227 = BGHReport 2004, 549 m. Anm. Kilian = MDR 2004, 707 und Urt. v. 7.12.2004 - XI ZR 366/03, BGHReport 2005, 593 m. Anm. Schneider = MDR 2005, 587 = WM 2005, 339, 340) internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte besteht weder nach europäischem noch nach deutschem Recht.
[9] 1. Der Anwendungsbereich der EuGVVO ist nicht eröffnet. Gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1, Art. 60 Abs. 1 EuGVVO findet die Verordnung, vorbehaltlich der hier nicht gegebenen Sonderfälle der Art. 22, 23 EuGVVO, nur Anwendung, wenn der Beklagte seinen (Wohn-)Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates (Art. 1 Abs. 3 EuGVVO) hat. Dies trifft auf die Beklagte nicht zu.
[10] a) Die Beklagte kann für die vorliegende Streitigkeit auch nicht gem. Art. 15 Abs. 2 EuGVVO so behandelt werden, wie wenn sie ihren Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hätte. Dies würde voraussetzen, dass sie in einem Mitgliedstaat eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung besitzt und die Streitigkeit aus deren Betrieb herrührt. Diese Voraussetzung hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint.
[11] aa) Die frühere Münchener Repräsentanz der Londoner Konzerntochter der Beklagten vermag keine Wohnsitzfiktion gem. Art. 15 Abs. 2 EuGVVO zu begründen, weil sie bereits vor Einreichung der Klage Ende Dezember 2004 aufgelöst und im Handelsregister gelöscht worden war. Dass sie bei Abschluss der Verträge zwischen den Parteien noch bestand, reicht entgegen der Auffassung der Revision nicht aus.
[12] (1) Die EuGVVO selbst enthält ebenso wie ihre Materialien keine ausdrückliche Regelung des Zeitpunkts, in dem die zuständigkeitsbegründende Niederlassung bestehen muss. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat diese Frage noch nicht entschieden.
[13] Bei der Auslegung des Art. 15 Abs. 2 EuGVVO ist davon auszugehen, dass die Verordnung im Interesse einer einheitlichen Anwendung grundsätzlich autonom unter Berücksichtigung ihrer Systematik und Zielsetzungen auszulegen ist (vgl. EuGH v. 19.1.1993 - Rs. C-89/91, NJW 1993, 1251; 2004, 1439; 2005, 653, 654; 2005, 811, 812; NJW-RR 2006, 1568, 1569; Geimer, in: Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht 2. Aufl. Einl. A 1 Rz. 125; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht 8. Aufl. Einl. Rz. 41; Gottwald in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl. EuGVÜ vor Art. 1 Rz. 30; Musielak/Weth, ZPO 5. Aufl. EG-Verordnungen Vorbem. Rz. 6; Rauscher/Staudinger, Europäisches Zivilprozessrecht 2. Aufl. Brüssel I-VO Einl. Rz. 35 ff.). Auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu den im Wesentlichen identischen Zuständigkeitsregelungen des EuGVÜ kann zurückgegriffen werden, sofern kein zwingender Grund für eine unterschiedliche Auslegung ersichtlich ist (vgl. EuGH v. 1.10.2002 - Rs. C-167/00, NJW 2002, 3617, 3619; NJW-RR 2006, 1568; BGH, Urt. v. 30.3.2006 - VII ZR 249/04, BGHReport 2006, 921 = NJW 2006, 1672 Tz. 14; Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss Kap. 26 Rz. 15).
[14] (2) Der Wortlaut des Art. 15 Abs. 2 EuGVVO setzt voraus, dass der Vertragspartner des Verbrauchers eine Niederlassung in einem Mitgliedstaat "besitzt", nicht nur besessen hat. Er erfasst somit bereits sprachlich keine vor der Befassung des Gerichts abgeschlossenen Sachverhalte. Dass es sich hierbei um eine bewusste Formulierung des Verordnungsgebers handelt, zeigt ein Vergleich mit den Vorschriften über den Gerichtsstand des Erfüllungsortes und den Arbeitgebergerichtsstand, die in der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte ausdrücklich einbeziehen. Art. 5 Nr. 1a EuGVVO erklärt das Gericht des Ortes für zuständig, an dem eine vertragliche Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Art. 19 Nr. 2a bzw. b EuGVVO stellt auf den Ort ab, an dem der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet oder zuletzt verrichtet hat, bzw. auf den Ort, an dem sich eine Niederlassung des Arbeitgebers befindet bzw. befand.
[15] (3) Auch die Systematik der EuGVVO spricht gegen eine Anwendung des Art. 15 Abs. 2 EuGVVO auf bereits vor Klageeinreichung geschlossene Niederlassungen.
[16] (aa) Der allgemeine Gerichtsstand des Art. 2 Abs. 1 EuGVVO ist nicht bereits dann begründet, wenn der Beklagte in der Zeit vor der Einreichung der Klage seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates gehabt hat. In der Literatur wird vielmehr auf den Zeitpunkt der Zustellung der Klage bzw. den Schluss der mündlichen Tatsachenverhandlung (Geimer, in: Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht 2. Aufl. EuGVVO Art. 2 Rz. 137 und 173; Gottwald in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl. EuGVÜ Art. 2 Rz. 16; Musielak/Weth, ZPO 5. Aufl. EuGVVO Art. 2 Rz. 5; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO 27. Aufl. EuGVVO Art. 2 Rz. 8) oder auf den der Einreichung der Klage (Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht 8. Aufl. EuGVVO vor Art. 2 Rz. 15; Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht 2. Aufl. Brüssel I-VO Art. 2 Rz. 3; vgl. auch Canada Trust CO. v. Stolzenberg, Court of Appeal AII E.R. 318 (C.A.) [1998] 1 W.L.R. 547, 568 und House of Lords 4 AII E.R. 481 [2000] 3 W.L.R. 1376, 1377) abgestellt.
[17] Gleiches gilt für Art. 5 Nr. 5 EuGVVO (bzw. Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ), der, wenn der Beklagte einen Wohnsitz innerhalb der Gemeinschaft hat, zusätzlich einen Gerichtsstand am Ort einer Zweigniederlassung eröffnet. Auch hier stellen Rechtsprechung und Literatur auf die Existenz der Niederlassung bei Einreichung oder Zustellung der Klage bzw. bei Schluss der mündlichen Tatsachenverhandlung ab (vgl. OLG Saarbrücken OLG Saarbrücken v. 3.4.1979 - 2 U 185/76, RIW 1980, 796, 799; OLG Düsseldorf IPRax 1998, 210, 211 und NJW-RR 2004, 1720, 1721 zu Art. 5 Nr. 5 LugÜ; Geimer, in: Geimer/Schütze, a.a.O., Art. 5 Rz. 312; Gottwald in MünchKomm/ZPO, a.a.O., EuGVÜ Art. 5 Rz. 57; Hausmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO 3. Aufl. EuGVÜ 1989 Art. 5 Rz. 74). Eine Klage nach Auflösung der Niederlassung wird als unzulässig angesehen (vgl. Goette DStR 1997, 503, 504; Gottwald in MünchKomm/ZPO, a.a.O.; Rauscher/Leible, a.a.O., Brüssel I-VO Art. 5 Rz. 109; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht 2. Aufl. EuGVVO Art. 5 Rz. 24).
[18] (bb) Zudem gehört Art. 15 Abs. 2 EuGVVO zu den vom Grundsatz des Art. 2 Abs. 1 EuGVVO abweichenden Zuständigkeitsregeln, die nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften strikt auszulegen sind; eine Auslegung über die ausdrücklich in der Verordnung vorgesehenen Fälle hinaus ist unzulässig (EuGH NJW 1991, 631, 632; 1993, 1251; 2000, 3121, 3123; 2004, 1439; 2004, 2441, 2442; 2005, 653, 654; 2005, 811, 813; EuGH v. 5.2.2004 - Rs. C-265/02, NJW-RR 2004, 1291 f.; 2006, 1568). Dies gilt insbesondere für Zuständigkeitsvorschriften, die, wie Art. 15 Abs. 2, Art. 16 Abs. 1 EuGVVO, die Möglichkeit eröffnen, einen Vertragspartner vor den Gerichten des Mitgliedstaates zu verklagen, in dem der Kläger seinen Wohnsitz hat. Die EuGVVO begründet nämlich, ebenso wie früher das EuGVÜ, eine Zuständigkeit am Wohnsitz des Klägers nur in den ausdrücklich geregelten Fällen (EuGH NJW 1991, 631, 632; 1993, 1251; 2000, 3121, 3122; 2004, 1439; 2005, 653, 654).
[19] (4) Dass Art. 15 Abs. 2 EuGVVO nicht auf Niederlassungen anwendbar ist, die bereits vor Klageeinreichung geschlossen worden sind, entspricht auch den Zielsetzungen der Verordnung.
[20] Nach dem 11. Erwägungsgrund der Verordnung müssen Zuständigkeitsvorschriften in hohem Maße vorhersehbar sein. Ein Kläger soll ohne Schwierigkeiten feststellen können, welches Gericht er anrufen kann; für den Beklagten soll klar erkennbar sein, vor welchem Gericht er verklagt werden kann (vgl. EuGH v. 10.6.2004 - Rs. C-168/02, NJW 2004, 2441, 2442; NJW-RR 2006, 1568, 1569). Dem widerspräche es, Art. 15 Abs. 2 EuGVVO entgegen seinem Wortlaut auf vergangene Sachverhalte zu erstrecken, deren Feststellung erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann.
[21] Der Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes führt entgegen der Auffassung der Revision zu keiner anderen Beurteilung. Die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zur strikten Auslegung besonderer Zuständigkeiten, auch der Zuständigkeit für Verbrauchersachen (EuGH v. 20.1.2005 - Rs. C-464/01, NJW 2005, 653, 654; 2005, 811, 813; EuGH v. 3.7.1997 - Rs. C-269/95, WM 1997, 1549, 1550), zeigt, dass der Verbraucherschutz keine erweiternde Auslegung dieser Zuständigkeiten über die ausdrücklich geregelten Fälle hinaus rechtfertigt.
[22] bb) Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gem. Art. 234 EG-Vertrag (EGV) zur Auslegung des Art. 15 Abs. 2 EuGVVO bedarf es entgegen der Ansicht der Revision nicht. Eine Vorlagepflicht gem. Art. 234 Abs. 3 EGV besteht auch bei noch nicht vom Gerichtshof entschiedenen Fragen nicht, wenn das letztinstanzliche nationale Gericht in dem bei ihm anhängigen Verfahren feststellt, dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts so offenkundig ist, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt. Ob dies der Fall ist, hat das nationale Gericht unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu beurteilen (EuGH v. 6.10.1982 - Rs. C-283/81, NJW 1983, 1257, 1258; BVerfGE 82, 159, 193 ff.; BVerfG v. 9.11.1987 - 2 BvR 808/82, NJW 1988, 1456; BGHZ 109, 29, 35; 153, 82, 92; BGH, Beschl. v. 21.12.2006 - IX ZB 150/05, MDR 2007, 288 = BGHReport 2007, 310 = WM 2007, 373, 374 f. m.w.N.). Nach Auffassung des Senats ist die richtige Auslegung des Art. 15 Abs. 2 EuGVVO offenkundig. Vernünftige Zweifel können in Anbetracht von Wortlaut, Systematik und Zielsetzung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zur EuGVVO und zum EuGVÜ nicht bestehen.
[23] b) Da die Verordnung demnach insgesamt nicht anwendbar ist, beruft sich die Revision ohne Erfolg auf die Sonderzuständigkeiten der Zweigniederlassung gem. Art. 5 Nr. 5 EuGVVO, des Erfüllungsortes gem. Art. 5 Nr. 1b Alt. 2 EuGVVO und der unerlaubten Handlung gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO, die sämtlich einen Wohnsitz des Beklagten im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates voraussetzen. Insbesondere macht die Revision ohne Erfolg geltend, Art. 5 Nr. 5 EuGVVO knüpfe vorrangig an den durch das beklagte Unternehmen verursachten Rechtsschein an. Den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem Vortrag des Klägers in den Tatsacheninstanzen ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte nach der Schließung der Münchener Niederlassung und Löschung im Handelsregister den Rechtsschein ihres Fortbestandes hervorgerufen hat.
[24] 2. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich auch nicht aus den gem. Art. 4 Abs. 1 EuGVVO anzuwendenden Vorschriften der Zivilprozessordnung. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH ist die internationale Zuständigkeit in den Vorschriften der §§ 12 ff. ZPO über die örtliche Zuständigkeit mitgeregelt. Soweit danach ein deutsches Gericht zuständig ist, indiziert dies regelmäßig die internationale Zuständigkeit (Senat, Urt. v. 20.4.1993 - XI ZR 17/90, BGH v. 20.4.1993 - XI ZR 17/90, AG 1993, 469 = MDR 1994, 1146 = WM 1993, 1109, 1110; v. 22.11.1994 - XI ZR 45/91, BGH v. 22.11.1994 - XI ZR 45/91, MDR 1995, 519 = WM 1995, 100, 101 m.w.N.; v. 26.6.2001 - XI ZR 241/00, BGH v. 26.6.2001 - XI ZR 241/00, BGHReport 2001, 894). Hier ist jedoch keiner der Gerichtsstände der §§ 12 ff. ZPO eröffnet.
[25] a) Der Gerichtsstand der Niederlassung gem. § 21 Abs. 1 ZPO scheitert daran, dass die Münchener Niederlassung im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht mehr bestand und im Handelsregister gelöscht war (vgl. BayObLG v. 25.1.1989 - AR 1 Z 112/88, WM 1989, 871; MünchKomm/ZPO/Patzina, 2. Aufl., § 21 Rz. 11; Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl., § 21 Rz. 6), während die Frankfurter Niederlassung keinen Bezug zu den streitgegenständlichen Anlagegeschäften hat (vgl. Musielak/Heinrich, ZPO 5. Aufl., § 21 Rz. 8).
[26] b) Auch den Gerichtsstand des Vermögens gem. § 23 ZPO hat das Berufungsgericht zutreffend verneint. Der Kläger hat nicht schlüssig dargelegt, dass es sich bei der Frankfurter Repräsentanz um eigenes Vermögen der Beklagten und nicht um Vermögen eines anderen Unternehmens ihrer Firmengruppe handelt (vgl. zur Darlegungslast RGZ 75, 147, 149; BGH, Urt. v. 13.7.1987 - II ZR 188/86, MDR 1988, 122 = CR 1987, 856 = WM 1987, 1089, 1091). Er hat erstinstanzlich nur vorgetragen, es handele sich um ein Büro der Unternehmensgruppe der Beklagten, über das die Beklagte ihre Dienste anbiete und das ihm nach Schließung der Münchener Repräsentanz als Ansprechpartner genannt worden sei. Nach seinem zweitinstanzlichen Vortrag gehört die Frankfurter Niederlassung zu einer in Irland ansässigen Gesellschaft der Firmengruppe. Der Umstand, dass die irische Gesellschaft zum Konzern der Beklagten gehört und diese das Büro auch für ihre Geschäftstätigkeit nutzt, begründet nicht ihre Vermögensinhaberschaft. Selbst wenn die Repräsentanz auch wirtschaftlich ihrer Verfügungsbefugnis unterliegen sollte, ergibt sich daraus keine rechtliche Vermögenszuordnung, die bei einer Vollstreckung gegen die Beklagte einen Zugriff ermöglichen würde (OLG München v. 21.1.1992 - 25 U 2987/91, OLGReport München 1993, 30 = NJW-RR 1993, 701, 704; Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl., § 23 Rz. 7a, 8). Aus diesen Gründen und wegen § 545 Abs. 2 ZPO (vgl. für § 513 Abs. 2 ZPO: BGH, Urt. v. 22.10.2004 - V ZR 47/04, BGHReport 2005, 326 m. Anm. Kramer = MDR 2005, 265 = NJW-RR 2005, 501, 504) konnte der in der Revisionsverhandlung gestellte Hilfsantrag, den Rechtsstreit an das LG Frankfurt/M. zu verweisen, keinen Erfolg haben.
[27] c) Ohne Erfolg beruft sich die Revision auch auf die Gerichtsstände des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) und der Vermögensverwaltung (§ 31 ZPO).
[28] aa) Der gem. § 29 Abs. 1 ZPO maßgebliche Erfüllungsort für die streitgegenständliche Nebenpflicht der Beklagten zur Auskunftserteilung bestimmt sich im Zweifel nach dem Erfüllungsort für die zugrunde liegende Hauptverpflichtung (vgl. BGH v. 7.5.2002 - XI ZR 197/01, BGHZ 151, 5, 9 = BGHReport 2002, 732 = MDR 2002, 1135; BGH, Urt. v. 30.9.1976 - II ZR 107/74, WM 1976, 1230, 1232 m.w.N.). Der Erfüllungsort des Konto- bzw. Depotvertrages der Parteien war nach den rechtsfehlerfreien und unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts gemäß dem vertraglich vereinbarten Sachrecht des US-Staates New York (Art. 27 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1, Art. 35 Abs. 2 EGBGB) nicht in Deutschland, sondern am Sitz der Beklagten in New York.
[29] bb) Entgegen der Auffassung der Revision ist auch der Gerichtsstand der Vermögensverwaltung gem. § 31 ZPO nicht gegeben. Die Beklagte hat nicht, insbesondere nicht auf vertraglicher Grundlage, das Vermögen des Klägers verwaltet. Ein Vermögensverwaltungsvertrag ist ein entgeltlicher Dienstvertrag in Form eines Geschäftsbesorgungsvertrages, der den Verwalter zur Verwaltung des Vermögens des Kunden in dessen Interesse verpflichtet. Aufgrund eines Vermögensverwaltungsvertrages ist der Verwalter berechtigt und verpflichtet, fortlaufend über das Vermögen des Kunden zu disponieren, d.h. ohne Einholung von Weisungen im Einzelfall tätig zu werden und selbständig Anlageentscheidungen zu treffen (BGH v. 28.10.1997 - XI ZR 260/96, BGHZ 137, 69, 73 = MDR 1998, 232). Der Abschluss eines solchen Vertrages ist dem Sachvortrag des Klägers, insbesondere dem von ihm vorgelegten und von der Revision in Bezug genommenen Schreiben der Beklagten vom 12.10.1993, nicht zu entnehmen.
[30] d) Schließlich ist auch eine Zuständigkeit des LG München I nach § 32 ZPO nicht gegeben. Die streitgegenständlichen Auskunftsansprüche beruhen nach dem Vortrag des Klägers nicht auf einer unerlaubten Handlung mit Handlungs- oder Erfüllungsort im Bezirk eines deutschen Gerichts (vgl. zu dieser Voraussetzung BGH v. 25.11.1993 - IX ZR 32/93, BGHZ 124, 237, 240 f. = MDR 1994, 1240; 132, 105, 110 f.; Senat, Urt. v. 28.2.1989 - XI ZR 70/88, BGH v. 28.2.1989 - XI ZR 70/88, WM 1989, 1047, 1049; v. 6.2.1990 - XI ZR 184/88, WM 1990, 462, 463; v. 22.11.1994 - XI ZR 45/91, BGH v. 22.11.1994 - XI ZR 45/91, MDR 1995, 519 = WM 1995, 100, 102). Die Revision beruft sich insoweit ohne Erfolg auf Ansprüche wegen grober Täuschung durch verdeckte Einrechnung von Provisionen in Abrechnungspreise. Diese Ansprüche hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr geltend gemacht. Die im Berufungsverfahren noch weiterverfolgten Abrechnungsfehler, die einen selbständigen Streitgegenstand darstellen, erfüllen nicht den Tatbestand einer unerlaubten Handlung. Insoweit liegen Handlungs- und Erfüllungsort auch nicht in Deutschland, weil die Beklagte die Abrechnungen und Buchungen unstreitig in New York vorgenommen und dort auch das belastete Konto geführt hat (vgl. BayObLG v. 27.3.2003 - 1Z AR 28/03, MDR 2003, 893 = ZIP 2003, 1863, 1864 und BayObLG v. 22.1.2004 - 1Z AR 4/04, Rpfleger 2004, 365, 366).
III.
[31] Die Revision des Klägers war demnach als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1784671 |
BGHR 2007, 1139 |
EBE/BGH 2007 |
NJW-RR 2007, 1570 |
WM 2007, 1586 |
WuB 2007, 883 |
ZIP 2007, 1676 |
IPRax 2008, 128 |
RIW 2007, 873 |
VersR 2008, 940 |