Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesundheitsgefährdung durch Mobilfunksendeanlage auf Kirchturm
Leitsatz (redaktionell)
Die in der 26. BImschV festgelegten Grenzwerte berücksichtigen sowohl die thermischen wie die athermischen Effekte elektromagnetischer Felder.
Zum Nachweis gesundheitlicher Folgen der Einwirkung elektromagnetischer Felder durch athermische Effekte ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens derzeit als Beweismittel ungeeignet.
Normenkette
26. BImschV Anh. 1 § 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 2; BImschV § 2; BGB § 906
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des OLG Frankfurt am Main v. 18.6.2003 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte zu 1 betreibt seit 1999 auf dem Kirchturm der Jakobuskirche in B. eine Mobilfunksendeanlage. Den Standort nutzt sie aufgrund eines auf 20 Jahre befristeten Mietvertrages mit der Beklagten zu 2), der ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Fall eingeräumt ist, dass der Betrieb der Sendeanlage Gesundheitsgefahren herbeiführt.
Die Kläger wohnen etwa 100m von der Anlage entfernt.
Die für Mobilfunkanlagen geltenden Grenzwerte nach § 2 i. V. m. Anh. 1 der 26. BImSchV v. 16.12.1996 (BGBl. I S. 1966) werden eingehalten.
Die Kläger verlangen gleichwohl von der Beklagten zu 1), den Betrieb der Sendeanlage zu unterlassen, und von der Beklagten zu 2), den Betrieb durch die Beklagte zu 1) nicht zu ermöglichen. Sie behaupten, von dem Betrieb der Anlage gehe für sie eine konkrete Gesundheitsgefährdung aus, vor der sie die Einhaltung der Grenzwerte der 26. BImSchV nicht schütze. Diese Werte seien nämlich zu hoch. Außerdem - so ihre Ansicht - erfasse die Verordnung nur die sog. thermischen Wirkungen, nicht aber die athermischen, die u. a. zu einer Steigerung des Krebsrisikos führten, die Möglichkeit einer Blutbildveränderung einschlössen und negative Auswirkungen auf das Immunsystem sowie u. a. Kopfschmerzen, Gehör- und Konzentrationsstörungen sowie Beeinträchtigungen der Psyche zur Folge hätten.
Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem OLG zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Unterlassungsanträge weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei den von der Sendeanlage der Beklagten zu 1) ausgehenden elektromagnetischen Feldern zwar um Einwirkungen i. S. d. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB, jedoch um solche, die die Kläger zu dulden hätten, weil sie nur zu unwesentlichen Beeinträchtigungen führten. Das folge gemäß der Regel des § 906 Abs. 1 S. 2 BGB daraus, dass sie unter den Grenzwerten blieben, die zum Schutze vor schädlichen Umwelteinwirkungen elektromagnetischer Felder festgesetzt worden seien (§§ 1 Abs. 1 S. 2, 2 Nr. 2 der 26. BImSchV, Anh. 1). Diese Grenzwerte, die an sich auf thermische Auswirkungen von Hoch- und Niederfrequenzanlagen ausgerichtet seien, gälten auch für athermische Wirkungen elektromagnetischer Felder. Dass die Beeinträchtigungen trotz Unterschreitens dieser Grenzwerte infolge besonderer Umstände als wesentlich einzustufen seien, könne nicht festgestellt werden. Nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft sei es nicht nachweisbar, dass durch athermische Effekte elektromagnetischer Felder Gesundheitsgefahren ausgelöst würden, und wenn ja, unter welchen Bedingungen und mit welchen, möglicherweise die Schwelle zur Wesentlichkeit überschreitenden Folgen. Daher sei auch eine Beweiserhebung über diese Fragen durch eine sachverständige Begutachtung nicht geboten. Sie könne nur das bereits bekannte Ergebnis haben, dass eine die Gesundheit gefährdende Beeinträchtigung nicht ausschließbar, aber auch nicht nachweisbar sei.
II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.
Den Klägern steht der nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu, weil sie nach § 906 Abs. 1 S. 1 BGB die von der Mobilfunkanlage der Beklagten zu 1) ausgehenden elektromagnetischen Felder dulden müssen.
1. Immissionen durch elektromagnetische Felder werden als "ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen" von § 906 Abs. 1 S. 1 BGB erfasst (Fritz, BB 1995, 2122 [2123 f.]; Staudinger/Roth, BGB, 2001, § 906 Rz. 173). Sie sind daher, wie jede andere Zufügung unwägbarer Stoffe, von dem Eigentümer des von den Auswirkungen betroffenen Grundstücks zu dulden, wenn sie zu keiner oder nur zu einer unwesentlichen Beeinträchtigung führen. Ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist, hängt - wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat - nach der ständigen Rechtsprechung des BGH von dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen ab und davon, was diesem auch unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist (BGH v. 20.11.1992 - V ZR 82/91, BGHZ 120, 239 [255] = MDR 1993, 868; v. 5.2.1993 - V ZR 62/91, BGHZ 121, 248 [255] = MDR 1993, 541; BVerfG, Urt. v. 8.1.2001 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 = MDR 2001, 401 = BGHReport 2001, 197 = AG 2001, 303 = GmbHR 2001, 190). Bei der von dem Tatrichter dazu anzustellenden Bewertung ist allerdings § 906 Abs. 1 S. 2 BGB zu beachten. Danach liegt eine unwesentliche Beeinträchtigung i. d. R. vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenzen oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. So ist das Berufungsgericht verfahren. Rechtsfehler sind ihm dabei entgegen der Auffassung der Revision nicht unterlaufen.
Zutreffend ist insbesondere die Annahme, die in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte berücksichtigten sowohl die thermischen wie die athermischen Effekte elektromagnetischer Felder. Die Verordnung unterscheidet nicht zwischen diesen beiden Auswirkungen, sondern stellt Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder generell (§ 1 Abs. 1 der Verordnung). Dies bestätigt die von dem Berufungsgericht zitierte Empfehlung der Strahlenschutzkommission v. 13./14.9.2001, die erkennen lässt, dass ihr Augenmerk seit jeher den thermisch bedingten Reaktionen wie auch den athermischen Reaktionen galt. Da die Arbeit und die Ergebnisse der Strahlenschutzkommission Grundlage für die 26. BImSchV waren, liegt es nahe, dass der Verordnungsgeber - wie die Kommission - beide Gesichtspunkte im Auge hatte und regeln wollte. Dass sich die festgelegten Grenzwerte nur an den thermischen Auswirkungen orientieren, beruht - wie die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission deutlich machen - darauf, dass thermisch bedingte Reaktionen bei geringeren Feldstärken eintreten als nachgewiesene athermische Reaktionen. Der Verordnungsgeber konnte sich daher auf die Bestimmung von Grenzwerten beschränken, die an thermischen Reaktionen anknüpfen; nachweisbare athermische Reaktionen waren so in jedem Fall miterfasst. Soweit die Revision meint, aus der amtlichen Begründung der Verordnung ergebe sich, dass allein thermische Auswirkungen Gegenstand der Regelung seien, missversteht sie die dort enthaltenen Ausführungen (BR-Drucks. 393/96, 15). Sie stellen, im Einklang mit den Empfehlungen der Strahlenschutzkommission, darauf ab, dass "dominanter Effekt der Hochfrequenzfelder ... die Erwärmung des Gewebes" ist, der sog. thermische Effekt. Darauf beruht, wie dargelegt, die Grenzwertbestimmung, sie schließt aber den Schutz vor athermischen Wirkungen nicht aus.
Richtig ist - worauf die Revision hinweist , dass die 26. BImSchV keine Vorsorgekomponente enthält (vgl. Stellungnahme des Wirtschaftsausschusses, BR-Drucks. 393/1/96, 5; s.a. BVerfG v. 28.2.2002 - 1 BvR 1676/01, CR 2002, 666 = NJW 2002, 1638 [1639]; Kutscheidt, NJW 1997, 2481 [2484]). Von nichts Anderem geht aber auch das Berufungsgericht aus. Wenn es gleichwohl meint, die Verordnung habe auch "Vorsorge" gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder getroffen, soweit es um athermische Effekte geht, bedeutet das nicht, dass ein Vorsorge- (d. h. Sicherheits-) Faktor eingerechnet sei, sondern dass die Verordnung auch Schutz vor athermischen Wirkungen gewährleisten soll. Im Übrigen bliebe ein etwaiger Irrtum des Berufungsgerichts auf das Ergebnis ohne Einfluss. Denn die Berücksichtigung einer Vorsorgekomponente ist für die Frage, ob die Verordnung auch vor schädlichen athermischen Wirkungen schützen will, ohne Belang.
2. Fehl geht die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die Darlegungs- und Beweislast verkannt, wenn es davon ausgegangen sei, den Klägern obliege die Darlegung konkreter Anhaltspunkte dafür, dass trotz Einhaltung der Grenzwerte eine wesentliche Beeinträchtigung vorliege.
Richtig daran ist, dass grundsätzlich der Störer darlegen und beweisen muss, dass sich eine Beeinträchtigung nur als unwesentlich darstellt (BGH v. 20.11.1992 - V ZR 82/91, BGHZ 120, 239 [257] = MDR 1993, 868). Dieser Grundsatz erfährt jedoch eine Einschränkung, wenn nach der Regel des § 906 Abs. 1 S. 2 BGB von einer unwesentlichen Beeinträchtigung auszugehen ist, weil - wie hier - ein entsprechender Grenz- oder Richtwert nicht überschritten ist. Allerdings kehrt sich in solch einem Fall entgegen einer zum Teil vertretenen Auffassung (vgl. Begründung zu § 906 Abs. 1 S. 2 BGB, BT-Drucks. 12/7425, 88; Staudinger/Roth, BGB, 1996, Rz. 178; Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., § 906 Rz. 20; Baumgärtel/Laumen, Handbuch des Beweisrechts, 2. Aufl., § 906 Rz. 7; Fritz, NJW 1996, 573 [574]) die Beweislast nicht um. Vor der Neufassung des § 906 Abs. 1 BGB durch das Sachenrechtsänderungsgesetz v. 21.9.1994 (BGBl. I, 2457) entsprach es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass in technischen Regelungswerken festgelegte Grenz- oder Richtwerte bei der Frage, ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist oder nicht, nicht schematisch angewendet werden können, sondern nur eine Entscheidungshilfe für den Richter in der Weise bieten, dass bei einer Überschreitung der einschlägigen Richtwerte grundsätzlich von einer wesentlichen Beeinträchtigung auszugehen ist. Dies entbindet den Tatrichter aber nicht von der Verpflichtung, die Umstände des Einzelfalls zu würdigen und unter Berücksichtigung des Empfindens eines verständigen Menschen zu entscheiden, ob trotz Überschreitens der Grenzwerte möglicherweise doch von einer unwesentlichen Beeinträchtigung auszugehen ist (BGH v. 23.3.1990 - V ZR 58/89, BGHZ 111, 63 [66 ff.] = MDR 1990, 706 m. w. N.). Daran hat sich durch die Einführung des Regeltatbestandes in § 906 Abs. 1 S. 2 BGB nichts geändert. Der Gesetzgeber wollte den dem Tatrichter zugewiesenen einzelfallbezogenen Beurteilungsspielraum nicht einengen (vgl. BT-Drucks. 12/7425, 28). Hätte er eine Beweislastumkehr zu Lasten des Beeinträchtigten vornehmen wollen, hätte im Übrigen eine andere Formulierung näher gelegen als die Aufstellung einer Regel, wonach bei Einhaltung der Grenz- oder Richtwerte von einer unwesentlichen Beeinträchtigung auszugehen sei (vgl. Marburger, FS Ritter, 1997, 901 [905, 913]). Der Senat ist daher auch nach der Änderung des § 906 Abs. 1 BGB weiterhin davon ausgegangen, dass den in S. 2 und 3 der Norm genannten Grenz- oder Richtwerten nur die Bedeutung zukommt, dass einem Überschreiten der Werte Indizwirkung für das Vorliegen einer wesentlichen Beeinträchtigung zukommt und ein Einhalten oder Unterschreiten der Grenz- oder Richtwerte die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung indiziert (vgl. BGH v. 6.7.2001 - V ZR 246/00, BGHZ 148, 261 [264 f.] = MDR 2001, 1233 = BGHReport 2001, 775). Eine solche indizielle Bedeutung hat der Tatrichter zu beachten. Er kann im Rahmen seines Beurteilungsspielraums von dem Regelfall abweichen, wenn dies besondere Umstände des Einzelfalls gebieten. Darzulegen und ggf. zu beweisen sind solche die Indizwirkung erschütternde Umstände von demjenigen, der trotz Einhaltung der Grenzwerte eine wesentliche Beeinträchtigung geltend macht. Er muss allerdings nur diese Umstände darlegen und beweisen, um dem Tatbestand des § 906 Abs. 1 S. 2 BGB die Indizwirkung zu nehmen. Er muss nicht nachweisen, dass die Beeinträchtigung wesentlich ist (ebenso, wenngleich zum Teil missverständlich von "Gegenbeweis" sprechend, Marburger, FS Ritter, 1997, 901 [917]; Staudinger/Roth, BGB, 2001, § 906 Rz. 202; s.a. Erman/Hagen/Lorenz, BGB, 10. Aufl., § 906 Rz. 17).
Das steht - entgegen der Auffassung der Revision - nicht im Widerspruch zu den Wertungen der §§ 903, 1004, 906 BGB. Allerdings hat das Berufungsgericht nicht die Feststellung getroffen, dass eine Gesundheitsgefährdung der Kläger ausgeschlossen ist. Sie tragen demnach das Risiko einer Gefährdung. Das ist aber nicht systemwidrig. Der Gesetzgeber hat in § 906 Abs. 1 S. 2 BGB eine Risikoverschiebung vorgenommen und im Ergebnis eine Duldungspflicht für den Fall statuiert, dass eine wesentliche Beeinträchtigung zwar nicht ausgeschlossen ist, dass sie aber wegen der Einhaltung einschlägiger Grenzwerte i. d. R. nicht gegeben sein wird und der von den Immissionen Betroffene die hiervon ausgehende Indizwirkung nicht hat erschüttern können. Darin besteht - abweichend von den Vorstellungen der Revision - die Wertung. Was die Revision der Sache nach bekämpft, ist im Grunde nicht diese, sondern die in den Grenzwerten der 26. BImSchV zum Ausdruck gekommene Wertung. Sie ist aber von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (BVerfG v. 28.2.2002 - 1 BvR 1676/01, CR 2002, 666 = NJW 2002, 1638) und daher bindend. Sie kann nicht auf dem Umweg des privaten Immissionsschutzes wieder in Frage gestellt werden. Eine eigene generelle Risikobewertung steht dem Tatrichter gerade nicht zu, nur eine einzelfallbezogene Beurteilung bei Vorliegen entsprechender Umstände. Das Verfahren des Berufungsgerichts war daher entgegen der Auffassung der Revision insoweit nicht fehlerhaft.
3. Gemessen daran ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Vortrag der Kläger den Anforderungen an die Erschütterung der von dem Regelfall ausgehenden Indizwirkung nicht genügt. Sie haben weder dargelegt, dass ein wissenschaftlich begründeter Zweifel an der Richtigkeit der in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte besteht noch dass ein fundierter Verdacht einer Gesundheitsgefährdung durch elektromagnetische Felder unterhalb dieser Werte erhoben werden kann. Wissenschaft und Forschung ist - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat - bislang nicht der Nachweis gelungen, dass athermische Effekte elektromagnetischer Felder, zumal unterhalb der durch die Verordnung gezogenen Grenzen, zu gesundheitlichen Schäden führen.
Nicht berechtigt ist die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge, dass das Berufungsgericht den Beweisanträgen der Kläger auf Einholung von Sachverständigengutachten zu den gesundheitlichen Folgen der Einwirkung elektromagnetischer Felder durch athermische Effekte nicht nachgegangen sei.
Sieht man einmal davon ab, dass die Kläger an den von der Revision angegebenen Stellen ganz überwiegend nicht die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt haben, sondern die Vernehmung sachverständiger Zeugen zu den von ihnen in der Wissenschaft bekannten Ansichten, so hat das Berufungsgericht jedenfalls eine Beweiserhebung durch Einholung von Sachverständigengutachten zu Recht unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerfG (BVerfG v. 28.2.2002 - 1 BvR 1676/01, CR 2002, 666 = NJW 2002, 1638 [1639 f.]) abgelehnt. Das Beweismittel ist nämlich - derzeit - ungeeignet.
a) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts gehen die Kläger selbst davon aus, dass es in Wissenschaft und Forschung bislang nicht gelungen ist, den Nachweis zu erbringen, dass athermische Effekte elektromagnetischer Felder, zumal unterhalb der durch die 26. BImSchV gezogenen Grenzen, zu gesundheitlichen Schäden führen können. Das deckt sich mit den Empfehlungen der Strahlenschutzkommission v. 13./14.9.2001 und liegt auch der Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der 26. BImSchV zu Grunde (BVerfG v. 28.2.2002 - 1 BvR 1676/01, CR 2002, 666 = NJW 2002, 1638 [1639]). Ein Sachverständigengutachten zu der Frage der gesundheitlichen Auswirkungen von elektromagnetischen Feldern kann nur diesen Stand der Forschung wiedergeben und ist daher nicht geeignet, neue Erkenntnisse zu vermitteln. Dass die Kläger auf neue Forschungsansätze hingewiesen hätten, die eine andere Sicht der Dinge vermitteln könnten, zeigt die Revision nicht auf. Soweit sie auf neuere Studien verweist, die nach Erlass des Berufungsurteils herausgekommen sind, handelt es sich um keinen Sachvortrag, der der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt. Zudem legt sie nicht dar, dass diese Studien geeignet sind, den bisherigen Stand der Forschung zu revidieren, und dass sie im konkreten Fall eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch athermische Wirkungen zu beweisen geeignet sind. Dass - wie die Revision zusammenfasst - Schäden möglich sind, also nicht ausgeschlossen werden können, entspricht auch bisherigen Erkenntnissen. Dass aber unter den durch die 26. BImSchV gesetzten Grenzen im konkreten Fall ein Gefährdungspotenzial vorhanden ist, das nach neuestem Stand der Forschung als eine wesentliche Beeinträchtigung eingestuft werden müsste, wird nicht einmal im Ansatz erkennbar.
Ebensowenig führen die Rügen der Revision zum Erfolg, das Berufungsgericht habe sich nicht mit allen von den Klägern in das Verfahren eingeführten gutachtlichen Stellungnahmen auseinander gesetzt. Es wird nicht dargelegt, dass diesen Stellungnahmen wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zu entnehmen sind, wonach im konkreten Fall durch den Betrieb der Mobilfunksendeanlage eine Gesundheitsgefährdung der Kläger zu gewärtigen sei oder auch nur der ernsthafte Verdacht einer solchen Gefährdung besteht.
Angesichts dessen verlangt die Durchsetzung des Justizgewährungsgebots keine Beweisaufnahme, die doch wiederum nur den bestehenden Zustand der Ungewissheit, eine wissenschaftlich nicht verlässlich explorierte komplexe Gefährdungslage, spiegeln könnte. Es bleibt allein Sache des Verordnungsgebers, die Entwicklung zu beobachten und etwaigen neuen Erkenntnissen durch engere oder weitere Grenzen Rechnung zu tragen (BVerfG v. 28.2.2002 - 1 BvR 1676/01, CR 2002, 666 = NJW 2002, 1638 [1639]).
b) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht aus einer anderen Entscheidung des BVerfG (BVerfG Beschl. v. 31.1.2001 - 1 BvR 66/01, NJW 2001, 1482 [1483]) zu einem mit der vorliegenden Konstellation vergleichbaren Fall. Richtig daran ist, dass es dort - wie hier - um einen Anspruch auf Unterlassung des Betriebs einer Mobilfunkanlage ging. Die dortigen Kläger hatten gegen zwei sie beschwerende Entscheidungen im einstweiligen Verfügungsverfahren Verfassungsbeschwerde erhoben, die das BVerfG im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat. Dieser Grundsatz verlange eine Erschöpfung des Instanzenzugs im Hauptsacheverfahren mit der gebotenen Sachverhaltsaufklärung. Eine möglicherweise auf ungesicherten tatsächlichen Grundlagen beruhende Entscheidung im Eilverfahren genüge nicht. Diese allgemein gehaltenen Erwägungen lassen nicht erkennen, dass das BVerfG eine Sachaufklärung in dem hier interessierenden Punkt durch sachverständige Begutachtung für erforderlich hält. Das Gegenteil wird deutlich, wenn es in der Entscheidung ausdrücklich heißt, dass in "rechtlicher Hinsicht" zu klären sei, ob die von Mobilfunkanlagen ausgehenden Strahlungen Besonderheiten aufwiesen, die bei einer Beurteilung der von § 906 Abs. 1 BGB erfassten Beeinträchtigungen und den bei der Entscheidung über die Duldungspflicht maßgebenden Wertungen folgenreich würden. Um eine rechtliche Einschätzung durch die Fachgerichte ging es dem BVerfG, Konsequenzen in dem von der Revision geltend gemachten Sinn lassen sich daraus nicht ziehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1124920 |
BGHR 2004, 833 |
DWW 2004, 154 |
CR 2005, 274 |
ITRB 2005, 108 |
GuG-aktuell 2004, 23 |
JWO-VerbrR 2004, 107 |