Leitsatz (amtlich)
Ein vor dem 19. Oktober 1989 gestellter Antrag auf den Kauf eines Gebäudes oder Grundstücks wirkt nur dann zugunsten des Käufers, wenn bei gesetz- und verwaltungstreuem Verhalten der Behörden der DDR der Abschluß eines Kaufvertrags möglich war und es hierzu keiner weiteren Maßnahmen der Behörden mehr bedurfte.
Normenkette
SachenRBerG § 121 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) |
Brandenburgisches OLG |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 27. Oktober 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Berechtigung des Klägers nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz an einem dem Beklagten zurückübertragenen Grundstück.
Der Beklagte war Eigentümer des mit einem Wohnhaus und Nebengebäuden bebauten Grundstücks D.-Str. in G. 1960 verließ er die DDR. Das Grundstück wurde unter staatliche Verwaltung gestellt. Das Wohnhaus wurde von dem Kläger, seinen Geschwistern, seiner Mutter, seinem Großvater und seiner Großmutter genutzt, an die es die örtliche LPG zumindest teilweise vermietet hatte.
Durch Vertrag vom 11. März 1969 verkaufte der Rat der Gemeinde G. als staatlicher Verwalter das Grundstück an den Rat des Kreises B. Nach der in der Urkundsverhandlung erklärten Auflassung sollte an dem Grundstück Volkseigentum entstehen. Rechtsträger des Volkseigentums sollte der Rat der Gemeinde G. werden. Eine Eintragung zum Vollzug der Auflassung im Grundbuch unterblieb.
1974 starb die Mutter des Klägers. Mit seinen Geschwistern verblieb der Kläger im Haushalt seiner Großeltern. Ab 1981 beteiligte er sich an den Mietzahlungen für das Anwesen. Im März 1989 starb die Großmutter des Klägers. Mitte 1989 stellte der Kläger schriftlich einen Antrag zum Kauf des Grundstücks an den Rat der Gemeinde.
Am 20. Februar 1990 bestimmte der Rat des Kreises B. den Rat der Gemeinde G. mit Wirkung zum 1. März 1990 zum Rechtsträger des Grundstücks. Am 9. März 1990 wurde Volkseigentum an dem Grundstück in der Rechträgerschaft des Rates der Gemeinde in das Grundbuch eingetragen. Mit notariellem Vertrag vom 10. April 1990 verkaufte der Rat der Gemeinde das Grundstück dem Kläger. Zu seiner Eintragung als Eigentümer in das Grundbuch kam es nicht. Am 18. Juni 1990 verlieh der Rat des Kreises dem Kläger ein Nutzungsrecht an dem Grundstück. Durch Bescheid vom 6. September 1996 wurde das Grundstück an den Beklagten zurückübertragen. Am 23. Juni 1997 wurde der Kläger als Gebäudeeigentümer in ein am selben Tag angelegtes Gebäudegrundbuch eingetragen.
Der Kläger beantragt die Feststellung seiner Anspruchsberechtigung nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz an dem Grundstück, hilfsweise an einer Teilfläche des Grundstücks. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht verneint eine Anspruchsberechtigung des Klägers aus § 121 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a SachenRBerG. Der Kläger habe zwar vor dem 19. Oktober 1989 den Kauf des Grundstücks beantragt, sein Antrag könne jedoch keine Grundlage für ein schutzwertes Vertrauen bilden, weil bis zum Erlaß des Gesetzes über den Verkauf volkseigener Grundstücke (Verkaufsgesetz) vom 7. März 1990 (GBl. I, 157) der Verkauf des Grundstücks aus dem Volkseigentum nicht möglich gewesen sei. Eine Berechtigung des Klägers aus § 121 Abs. 2 SachenRBerG scheide bereits deshalb aus, weil der Kaufvertrag nicht über ein Eigenheim, sondern über ein Grundstück geschlossen worden und nicht hinreichend dargestellt sei, daß der Kläger das Haus aufgrund eines Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsvertrages genutzt habe.
Das hält revisionsrechtlicher Prüfung teilweise nicht stand.
II.
1. Eine Anspruchsberechtigung des Klägers aus § 121 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a SachenRBerG besteht nicht. Es fehlt hierzu an einer beachtlichen Anbahnung des Kaufvertrages vor dem 19. Oktober 1989. Dies gilt unabhängig davon, ob der Mitte 1989 beim Rat der Gemeinde G. gestellte Antrag des Klägers auf Erwerb des Grundstücks oder, wie die Revision geltend macht, nur auf den Erwerb des Gebäudeeigentums gerichtet war.
§ 121 Abs. 1 SachenRBerG dient der Abgrenzung der Interessen derjenigen, die mit einer staatlichen Stelle der DDR einen im Grundbuch nicht mehr vollzogenen Kaufvertrag über ein Grundstück oder Gebäude geschlossen haben, von den Interessen der rückübertragungsberechtigten Eigentümer. Daß aufgrund der Überlastung der grundbuchführenden Stellen die Eintragung des Erwerbs im Grundbuch unterblieben ist, soll nicht dazu führen, daß ein Käufer rechtlos gestellt ist, der bei zügiger Bearbeitung das Eigentum an einem Gebäude oder Grundstück erworben hätte. Der Schutz der Eigentümer erfolgt dadurch, daß ein Kaufvertrag, der nach dem 18. Oktober 1989, dem Rücktritt der Regierung Honecker, geschlossen wurde, grundsätzlich keine schutzwerte Rechtsposition begründet (§ 121 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG). Anderes soll nur gelten, wenn einer der in § 121 Abs. 1 Satz 3 SachenRBerG beschriebenen Tatbestände vorliegt. Die Bestimmung entspricht insoweit § 4 Abs. 2 VermG (BT-Drucks. 12/7425 S. 83).
Ziel von § 121 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a SachenRBerG, § 4 Abs. 2 Buchst. a VermG ist es zu vermeiden, daß ein Käufer nur deswegen unter die Stichtagsregelung fällt, weil seinem Erwerbsanliegen aus Gründen, auf die er keinen Einfluß hatte, nicht rechtzeitig entsprochen wurde (BT-Drucks. 12/2480 S. 44; 12/5992, S. 206; MünchKomm-BGB/Wendtland, 3. Aufl., § 121 SachenRBerG Rdn. 5). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, wenn vor dem 19. Oktober 1989 ein Kaufantrag gestellt oder der Abschluß eines Vertrages angebahnt wurde, der nach dem Recht der DDR ohne weitere Maßnahmen der Behörden nicht geschlossen werden konnte oder bei ordnungsgemäßem Verhalten der Behörden nicht geschlossen werden durfte (Eickmann/Wittmer, SachenRBerG [Stand: April 2001], § 121 Rdn. 44; BVerwGE 110, 28, 31; BVerwG, ZOV 1996, 433, 434; BVerwG, VIZ 1997, 589; 1998, 450, 451; 1998, 457 jeweils zu § 4 Abs. 2 Satz 2 a VermG). Ein solcher Antrag oder die Anbahnung eines derartigen Vertragsabschlusses begründen kein schutzwertes Vertrauen, weil bei rechtstreuem Verhalten der Behörden der DDR nicht mit einem baldigen Erwerb gerechnet werden konnte. In einem solchen Fall führt die Verzögerung der Entscheidung über den 18. Oktober 1989 hinaus zu keiner unbilligen Benachteiligung durch die Stichtagsregelung. So verhält es sich hier.
a) Legt man den Antrag nach seinem Wortlaut und nach dem Wortlaut der Stellungnahme des Rates der Gemeinde gegenüber dem Rat des Kreises wie das Berufungsgericht dahin aus, daß der Erwerb des Grundstücks beantragt wurde, betraf er zwar einen Vermögensgegenstand, der vor dem 19. Oktober 1989 grundsätzlich auf den Kläger übertragen werden konnte. Solange die Auflassung vom 11. März 1969 im Grundbuch nicht vollzogen war, bestand nämlich an dem Grundstück kein Volkseigentum; ein Verkauf durch den Rat der Gemeinde als Verwalter war nach §§ 1, 3 der Verordnung über die Rechte und Pflichten des Verwalters des Vermögens von Eigentümern, die die Deutsche Demokratische Republik ungesetzlich verlassen haben, gegenüber Gläubigern in der Deutschen Demokratischen Republik (Verwalterverordnung) vom 11. Dezember 1968 (GBl. II 1969, 1) grundsätzlich zulässig. Ihm stand jedoch der am 11. März 1969 von dem Rat der Gemeinde als Treuhänder mit dem Rat des Kreises B. geschlossene Vertrag entgegen, durch den Volkseigentum an dem Grundstück begründet werden sollte. Bei rechtstreuem Handeln des Rates der Gemeinde kam der Verkauf des Grundstücks an den Kläger damit nicht in Betracht.
b) Legt man den Antrag des Klägers mit der Revision dahin aus, daß er allein auf den Erwerb des Gebäudes gerichtet war, folgt auch hieraus keine Rechtsposition, die nach § 121 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a SachenRBerG schutzfähig wäre. Der Kläger konnte sich keine begründeten Hoffnungen machen, daß seinem Anliegen alsbald entsprochen würde. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn es nur noch einer positiven Entscheidung der Behörden über das Erwerbsgesuch und des Abschlusses des beabsichtigten Kaufvertrages bedurft hätte (vgl. BVerwG VIZ 1998, 450, 451 und 457). So verhielt es sich hier aber nicht. Vor dem 19. Oktober 1989 fehlte es an einer für den Erwerb des Gebäudes durch den Kläger wesentlichen Voraussetzung. Das Grundstück stand nämlich nicht im Volkseigentum, ein Rechtsträger des Volkseigentums war nicht bestimmt. Erst nach dem Vollzug der Auflassung vom 11. März 1969 und der Einsetzung des Rates der Gemeinde als Rechtsträger wäre der Verkauf des Gebäudes an den Kläger nach dem Gesetz über den Verkauf volkseigener Eigenheime, Miteigentumsanteile und Gebäude für Erholungszwecke vom 19. Dezember 1973 (GBl. I, 578) möglich geworden.
3. Das Berufungsurteil hat jedoch insoweit keinen Bestand, als das Berufungsgericht eine Anspruchsberechtigung des Klägers gemäß § 121 Abs. 2 SachenRBerG verneint.
a) Der Senat hat bereits entschieden, daß die Vorschrift entgegen dem Wortlaut von § 121 Abs. 2 Buchst. b SachenRBerG nicht nur Kaufverträge über Eigenheime, sondern auch Kaufverträge über Eigenheimgrundstücke erfaßt (Senatsurt. v. 9. Juli 1999, V ZR 404/97, VIZ 1999, 605, 606 m.w.N.). Hieran ist festzuhalten.
b) Mit Erfolg rügt die Revision, daß das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darstellung der Nutzung eines Eigenheims zu eigenen Wohnzwecken durch den Kläger gemäß § 121 Abs. 2 Buchst. a SachenRBerG überspannt hat. Nach dieser Vorschrift muß der Käufer aufgrund eines bis zum Ablauf des 18. Oktober 1989 abgeschlossenen Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsvertrages das Eigenheim am 18. Oktober 1989 genutzt haben. Zweck dieser Regelung ist es, Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz auf diejenigen Käufer eines Eigenheims zu beschränken, die dieses zur Befriedigung ihrer elementaren Lebensbedürfnisse benötigen (Eickmann/Wittmer, § 121 SachenRBerG Rdn. 66; Purps/Krauss, Sachenrechtsbereinigung nach Anspruchsgrundlagen, 1997, III, Rdn. 54). Das ergibt sich aus dem Zusammenspiel mit § 121 Abs. 2 Buchst. c SachenRBerG, wonach die Nutzung des Eigenheims zu eigenen Wohnzwecken bis zum 1. Oktober 1994 fortgedauert haben muß. Durch diese Regelung soll vermieden werden, daß ein früherer Nutzer ein Ankaufsrecht allein zur Vermietung, Verpachtung oder Weiterveräußerung ausüben kann (Czub in Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, SachenRBerG [Stand: Mai 1996], § 121 Rdn. 114; Michalsky/Schramm, NJ 1998, 281, 288). Im Vordergrund der gesetzlichen Regelung steht daher die Deckung des eigenen Wohnbedürfnisses und nicht die Ausgestaltung des der Nutzung eines Eigenheims als Wohnung zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses. Das wird auch daraus deutlich, daß die Vorschrift neben Miet- und Pachtverträgen sonstige, nicht näher bezeichnete Nutzungsverträge als ausreichend aufführt.
Das Berufungsgericht hat unter Berücksichtigung dieser Grundsätze zu Unrecht angenommen, der Kläger habe nicht hinreichend dargetan, das Gebäude aufgrund eines Nutzungsvertrages bewohnt zu haben. Nach ständiger Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden. Es ist dann gegebenenfalls Sache des Tatrichters, bei der Beweisaufnahme Zeugen oder zu vernehmende Parteien nach den Einzelheiten zu fragen, die ihm für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundungen erforderlich erscheinen (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 13. Juli 1998, II ZR 131/97, NJW-RR 1998, 1409). Der Grad der Wahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung ist für den Umfang der Darlegungslast ohne Bedeutung (Senatsurt. v. 14. Juni 1996, V ZR 150/93, NJW-RR 1996, 1402). Das hat das Berufungsgericht verkannt und schlüssiges, unter Beweis gestelltes Vorbringen des Klägers nicht ausreichend gewürdigt (§ 286 ZPO).
Der Kläger hat behauptet, die Räume im Hause seien zu einem Teil von seinen Großeltern und zum anderen Teil von seiner Mutter gemietet gewesen. In den zwischen der LPG und seiner Mutter geschlossenen Vertrag sei er eingetreten. Seit er volljährig geworden sei, habe er die früher von seiner Mutter geschuldete Miete bezahlt. Er sei fortan von der LPG als Mieter angesehen worden. Hierzu hat er das Mietbuch der LPG abschriftlich vorgelegt. Dieser Vortrag ist zur Darlegung eines vertraglichen Nutzungsverhältnisses ausreichend substantiiert. Er ist unter Beweis gestellt. Das kann nicht mit der Überlegung übergangen werden, es sei denkbar und nicht fernliegend, daß der Kläger sich lediglich an Mietzahlungen seiner Großeltern beteiligt habe. Diese Überlegung mag für die Wahrscheinlichkeit der Sachverhaltsschilderung von Belang sein, ihre Schlüssigkeit läßt sie nicht entfallen.
III.
Eine abschließende Sachentscheidung (§ 565 Abs. 3 ZPO) ist dem Senat mangels hinreichender Feststellungen des Berufungsgerichts zu § 121 Abs. 2 SachenRBerG nicht möglich. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung gibt darüber hinaus Gelegenheit zur Prüfung des geltend gemachten Anspruchs unter dem Gesichtspunkt des dem Kläger verliehenen Nutzungsrechts und dem hiergegen gerichteten Vorbringen des Beklagten.
Unterschriften
Wenzel, Schneider, Krüger, Klein, Gaier
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.09.2001 durch Kanik Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 649974 |
BGHR 2002, 98 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2002, 49 |
WM 2002, 44 |
ZfIR 2003, 41 |
MDR 2002, 85 |
NJ 2002, 154 |