Entscheidungsstichwort (Thema)
Einvernehmlich aufgehobener Architektenvertrag. Umbau, Sanierung und Erweiterung einer Halle. Abriss der Halle. Architektenanspruch auf Vergütung erbrachter Leistungen nach § 645 Abs. 2 BGB. Unausführbarkeit der Leistung wegen mangelhafter Bausubstanz. Keine abweichende Risikoverteilung. Mindestsätze der HOAI. Preisrechtlich zulässiger Rahmen. Vereinbarung über den Umbauzuschlag. Mehrere getrennte Bauwerke. Präklusion. Verzögerung des Verfahrens. Mangelhafte Entschuldigung der Partei für die Verzögerung
Leitsatz (amtlich)
a) Schließen die Parteien eines Werkvertrags einen Aufhebungsvertrag, nachdem die Werkleistung unmöglich geworden ist, bestimmt sich die Vergütung des Unternehmers nicht nach § 649 BGB. Beruht die Unmöglichkeit auf einem von dem Besteller gelieferten Stoff, richtet sich die Vergütung nach § 645 BGB.
b) Die HOAI ist öffentliches Preisrecht. Sie regelt den preisrechtlichen Rahmen, in dem Honorarvereinbarungen zulässig sind (Anschluss an BGH, Urt. v. 13.9.2001 - VII ZR 380/00, MDR 2001, 1348 = BGHReport 2002, 12 = BauR 2001, 1926).
c) Vereinbaren die Parteien in Anlehnung an die HOAI mehrere Faktoren, nach denen die Vergütung des Architekten berechnet werden soll, kann nicht daraus, dass einer der vereinbarten Berechnungsfaktoren von der HOAI abweicht, geschlossen werden, dass die Honorarvereinbarung unwirksam ist. Es ist zu ermitteln, welches Honorar sich unter Anwendung der gesamten von den Parteien vereinbarten Bemessungsregelungen ergibt und ob dieses Honorar in dem von der HOAI zugelassenen Rahmen liegt.
c) Die Zurückweisung verspäteten Vorbringens ist auch nach dem Gesetz zur Reform des Zivilprozesses gem. §§ 530, 296 ZPO nur dann zulässig, wenn die Zulassung zu einer Verzögerung des Verfahrens führen würde und die Verspätung nicht entschuldigt ist.
d)Die Fragen, welche Kosten i.S.d. § 10 Abs. 2 bis 6 HOAI anrechenbar sind, welche Honorarzone anwendbar ist, wie erbrachte Leistungen zu bewerten sind und ob die Berechnung eines Architektenhonorars den Grundlagen der HOAI entspricht, sind Rechtsfragen. Diese Fragen sind vom Gericht auf der vom Sachverständigen ermittelten Tatsachengrundlage zu beantworten. Die rechtliche Beurteilung darf das Gericht nicht dem Sachverständigen überlassen.
Normenkette
ZPO §§ 296, 359, 530; HOAI §§ 4, 10 Abs. 2 bis Abs. 6; BGB § 645 a.F.
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des OLG Jena v. 18.12.2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten zurückgewiesen worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger machen gegen die beklagte Stadt W. Honoraransprüche aus einem einvernehmlich aufgehobenen Architektenvertrag geltend.
Die Beklagte lobte im Jahr 1995 einen Architektenwettbewerb für den Umbau, die Sanierung und Erweiterung der W.-Halle aus, den die Kläger gewannen. Ihre Planung war darauf gerichtet, die W.-Halle weitgehend zu erhalten. Die Kläger unterzeichneten am 18.2.1997 einen schriftlichen Architektenvertrag und begannen mit den Planungsarbeiten; die Beklagte unterzeichnete den Vertrag am 20.5.1997. In der Vertragsurkunde ist unter 7.1.3. für die Honorarermittlung bestimmt:
"Das Objekt besteht aus:
1. Umbau und Sanierung W.-Halle
2. Neubauten
...
zu Honorarzonen und Umbauzuschlag s. § 9. 26"
9.26 lautet:
"Vereinbarung zu Honorarzone, Hebesatz, Umbauzuschlag, Nebenkostenpauschale
(1) Honorarzone (HZ), Hebesatz und Umbauzuschlag (ZU)
(a) Umbau und Sanierung W.-Halle: HZ = IV + 25 %, ZU = 26 % (ausgenommen für Leistungsphase 9)
(b) Neubauten: HZ = III + 50 %
(c) Freianlagen: HZ IV, Mindestsatz (...)
(2) Nebenkostenpauschale:
Als Pauschale für sämtliche Nebenkosten nach § 7 HOAI werden 9 % des Honorars vereinbart ..."
Im Verlauf der Bauarbeiten ergab sich im Sommer 1997, dass anders als erwartet die Bausubstanz der W.-Halle nicht erhalten werden konnte. Die W.-Halle wurde vollständig abgerissen. Die Beklagte verlangte von den Klägern, baubegleitend einen Neubau zu planen. Dies lehnten die Kläger als unseriös ab. Die Parteien hoben einverständlich den Vertrag auf.
Die Kläger haben ein Honorar für erbrachte Leistungen i.H.v. 2.684.598,32 DM netto und für nicht erbrachte Leistungen i.H.v. 2.887.962,33 DM abzgl. ersparter Aufwendungen i.H.v. 1.412.873 DM errechnet. Unter Berücksichtigung von Zahlungen der Beklagten haben die Kläger mit der Klage 3.014.143,90 DM geltend gemacht. Das LG hat der Klage hinsichtlich der erbrachten Leistungen in vollem Umfang und hinsichtlich der nicht erbrachten Leistungen teilweise, insgesamt i.H.v. 1.928.369,90 DM (= 985.959,87 EUR), stattgegeben. Die Berufung der Kläger hatte nur hinsichtlich der Zinsen Erfolg; die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils im angegriffenen Umfang und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf das Schuldverhältnis finden die bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetze Anwendung (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).
I.
1. Das Berufungsgericht führt unter Einbeziehung der landgerichtlichen Gründe aus, den Klägern stehe ein Honoraranspruch nach § 649 S. 2 BGB zu. Bei einvernehmlicher Vertragsbeendigung aus einem wichtigen Grund, den der Architekt nicht zu vertreten habe, entfalle der Anspruch auf das volle Honorar abzgl. der ersparten Aufwendungen grundsätzlich nicht. Ein wichtiger, von den Klägern zu vertretender Kündigungsgrund sei nicht gegeben. Die Kläger treffe kein Verschulden an der Vertragsbeendigung. Der Abriss der W.-Halle sei nicht auf Betreiben der Kläger durchgeführt worden. Der erst nach Vertragsschluss erkannte schlechte Zustand der Halle habe eine Neuerrichtung notwendig und die bisherigen Planungen hinfällig gemacht. Durch den Abriss sei eine neue Planungssituation entstanden, so dass es den Klägern nicht vorzuwerfen sei, dass sie sich geweigert hätten, ihre Planung "ex tempore" anzupassen und weiter baubegleitend mitzuplanen. Es bedürfe keiner besonderen Vereinbarung, um einen Honoraranspruch des Architekten nach § 649 S. 2 BGB zu begründen.
2. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nur teilweise stand.
Anspruchsgrundlage für den Vergütungsanspruch der Kläger ist nicht § 649 S. 2 BGB. Die Kläger haben lediglich einen Anspruch gem. § 645 Abs. 1 BGB auf Vergütung für die von ihnen erbrachten Leistungen. Ob die Beklagte darüber hinaus für nicht erbrachte Leistungen haftet (§ 645 Abs. 2 BGB), kann nach den bisherigen Feststellungen nicht beurteilt werden.
a) Das von den Klägern geschuldete Werk ist auf Grund eines Mangels der Bausubstanz der W.-Halle unausführbar geworden. Dadurch sind die Kläger von ihrer Leistungspflicht frei geworden (§ 275 BGB). Die Rechtsfolgen für den Anspruch auf die Gegenleistung bestimmen sich nach § 645 BGB.
Daran ändert die nachträglich geschlossene Aufhebungsvereinbarung der Parteien nichts. Sie enthält keine Regelung über den Vergütungsanspruch der Kläger. Dieser richtet sich danach, welche Rechte die Kläger zum Zeitpunkt der Vertragsaufhebung geltend machen konnten (BGH, Urt. v. 4.6.1973 - VII ZR 113/71, BauR 1973, 319 [320]). Daher kann die Vertragsaufhebung nicht zu einer Anwendung des § 649 S. 2 BGB führen.
b) Der Unternehmer kann gem. § 645 Abs. 1 BGB einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung sowie Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen Auslagen verlangen, wenn das Werk vor der Abnahme infolge eines Mangels des von dem Besteller gelieferten Stoffes untergegangen, verschlechtert oder unausführbar geworden ist. Eine weiter gehende Haftung des Bestellers setzt ein Verschulden des Bestellers voraus (§ 645 Abs. 2 BGB).
Die Bausubstanz der W.-Halle ist wie ein von der Beklagten gelieferter Stoff i.S.d. § 645 Abs. 1 BGB zu behandeln. Der Begriff "Stoff" umfasst alle Gegenstände, aus denen, an denen oder mit deren Hilfe das Werk herzustellen ist (BGH, Urt. v. 30.11.1972 - VII ZR 239/71, BGHZ 60, 14 [20]). Der Besteller, der einen solchen Gegenstand liefert, trägt ohne Rücksicht auf etwaiges Verschulden die Verantwortung dafür, dass dieser Stoff zur Herstellung des Werkes tauglich ist (BGH, Urt. v. 30.11.1972 - VII ZR 239/71, BGHZ 60, 14 [19 f.]). Das von den Klägern geschuldete Werk, die Sanierung der W.-Halle, war an der vorhandenen Bausubstanz auszuführen.
Die Bausubstanz war mangelhaft. Dem Vertrag lag die Vorstellung der Parteien zu Grunde, dass der Zustand der W.-Halle ihre Erhaltung und Sanierung zulassen würde. Diese Beschaffenheit wies die W.-Halle nicht auf.
c) Dass die Bausubstanz bereits bei Vertragsschluss mangelhaft war, steht der Anwendung des § 645 BGB nicht entgegen. Die Unmöglichkeit, eine Planung umzusetzen, führt nicht zur Nichtigkeit des Werkvertrags nach § 306 BGB (BGH, Urt. v. 21.12.2000 - VII ZR 17/99, MDR 2001, 563 = BGHReport 2001, 408 = BauR 2001, 785 [788] = NZBau 2001, 761 = ZfBR 2001, 310). Fällt die Unmöglichkeit in den Verantwortungsbereich des Unternehmers, haftet dieser nach den §§ 633 ff. BGB, die als Sonderregelung grundsätzlich die Anwendbarkeit der §§ 306, 307 BGB ausschließen (BGH, Urt. v. 21.12.2000 - VII ZR 17/99, MDR 2001, 563 = BGHReport 2001, 408 = BauR 2001, 785 [788] = NZBau 2001, 761 = ZfBR 2001, 310). Beruht die Unausführbarkeit des Werks auf einem Mangel des von dem Besteller gelieferten Stoffes, ist es sachgerecht, dass dieser nach § 645 BGB haftet. Der Besteller ist der Gefahr für das Werk, die sich aus dem von ihm zur Verfügung gestellten Stoff ergibt und die zur Unausführbarkeit des Werks geführt hat, näher als der Unternehmer (BGH, Urt. v. 21.8.1997 - VII ZR 17/96, BGHZ 136, 303 [308] = MDR 1997, 1020). Für die Bewertung der Interessenlage der Parteien ist es unerheblich, ob der Stoff bereits bei Vertragsschluss unerkannt mangelhaft war oder erst nachträglich geworden ist.
d) Es ist unerheblich, dass die Kläger sich geweigert haben, einen Neubau zu planen. Die Planung und Durchführung einer Neuerrichtung schuldeten die Kläger nicht.
Die Kläger haben es in dem mit der Beklagten geschlossenen Vertrag übernommen, den von ihnen im Rahmen des Wettbewerbs eingereichten Entwurf zu verwirklichen, der die Erhaltung der vorhandenen Bausubstanz vorsah. Die Honorarvereinbarung der Parteien ist auf die Planung und Durchführung eines Umbaus abgestimmt. Ein Neubau ist ein anderes Werk als ein Umbau.
Unerheblich ist es, dass sich der Anteil der zu erhaltenden Bausubstanz nach dem Vortrag der Beklagten, der in der Revisionsinstanz zu unterstellen ist, während der Ausführung des Werks bereits erheblich verringert hatte und die Kläger ihre Planung insoweit angepasst hatten. Maßgeblich für die Bestimmung der vereinbarten Leistungspflicht der Kläger sind die übereinstimmenden Vorstellungen der Parteien beim Vertragsschluss. Zu diesem Zeitpunkt haben die Parteien nicht damit gerechnet, dass ein vollständiger Abriss der W.-Halle erforderlich werden würde.
e) Der Architektenvertrag enthält keine von § 645 BGB abweichende Risikoverteilung.
f) Ob die Kläger einen Anspruch auf Vergütung auch für die von ihnen nicht erbrachten Leistungen haben, lässt sich nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht beurteilen. Eine über § 645 Abs. 1 S. 1 BGB hinausgehende Haftung setzt ein Verschulden des Bestellers voraus (§ 645 Abs. 2 BGB). Hierzu hat das Berufungsgericht bisher keine Feststellungen getroffen. Dies wird es nachzuholen haben.
II.
1. Das Berufungsgericht hält die Honorarvereinbarung auch insoweit für wirksam, als diese eine Vergütung vorsieht, die über die Mindestsätze der HOAI hinausgeht. Die Kläger hätten den Vertrag am 18.2.1997 unterschrieben und sofort mit den Arbeiten begonnen. Es erscheine angesichts des Zeitdrucks, unter dem die Baumaßnahme gestanden habe, als treuwidrig i.S.d. § 242 BGB, wenn die Beklagte den Klägern die mangelnde Schriftform bis zu ihrer eigenen Unterschrift vorhalte, auf welche die Kläger keinen Einfluss gehabt hätten.
2. Das hält einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
Die Honorarvereinbarung und die Vereinbarung über die Nebenkosten in dem schriftlichen Vertrag v. 18.2./20.5.1997 sind nicht gem. § 4 Abs. 4 und § 7 Abs. 3 HOAI unwirksam, denn sie sind bei Auftragserteilung getroffen worden.
Auftragserteilung i.S.d. § 4 Abs. 4 HOAI ist der Vertragsschluss (BGH, Urt. v. 6.5.1985 - VII ZR 320/84, MDR 1985, 925 = BauR 1985, 582 [583] = ZfBR 1985, 222). Die Parteien haben den Vertrag schriftlich am 18.2./20.5.1997 geschlossen. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Parteien schon zuvor einen Vertrag geschlossen hätten. Dass die Kläger mit den Arbeiten begonnen haben, bevor der Vertrag für die Beklagte unterschrieben worden ist, erlaubt nicht, einen früheren Vertragsschluss anzunehmen. Sie haben damit lediglich den besonderen Beschleunigungsinteressen der Beklagten Rechnung getragen.
III.
1. Das Berufungsgericht hält den Vortrag der Beklagten im Schriftsatz v. 30.7.2002 für verspätet. Es hat sich deshalb mit den dort vorgebrachten Einwänden der Beklagten gegen das vom LG eingeholte Sachverständigengutachten und gegen die auf dieser Grundlage zuerkannte Höhe des Honorars nicht auseinander gesetzt. Es führt aus, die fristgemäße Berufungsbegründung v. 13.5.2002 rechtfertige für sich alleine nicht eine Abänderung des angefochtenen Urteils. Diese Begründung sei nicht hinreichend substantiiert. Der Vortrag der Beklagten in dem Schriftsatz v. 30.7.2002 sei als eine weitere Berufungsbegründung anzusehen, die außerhalb der Berufungsbegründungsfrist vorgelegt worden sei. Dieser ergänzende Vortrag könne gem. §§ 520 Abs. 3 Nr. 2-4, 530 ZPO nicht berücksichtigt werden. Es komme nicht darauf an, ob der Rechtsstreit durch die Zulassung des Vorbringens in dem Schriftsatz v. 30.7.2002 verzögert werde.
2. Das hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hätte sich mit den Einwänden der Beklagten in dem Schriftsatz v. 30.7.2002 auseinander setzen müssen.
a) Der Schriftsatz enthält rechtliche Überlegungen, deren Behandlung das Berufungsgericht ohnehin nicht aus Präklusionsgründen verweigern durfte. Dies gilt insb. für die Rechtsfragen, welche Kosten anrechenbar sind, welche Honorarzone anwendbar ist, wie die erbrachten Leistungen zu bewerten sind, ob die Berechnungen zutreffend sind und ob sie den Grundlagen der HOAI entsprechen. Diese Fragen sind vom Gericht auf der vom Sachverständigen ermittelten Tatsachengrundlage zu beantworten. Die rechtliche Beurteilung darf das Gericht nicht dem Sachverständigen überlassen.
b) Soweit sich der Schriftsatz auf Tatsachen bezieht, die bereits in der ersten Instanz vorgetragen worden sind, kommt eine Präklusion ebenfalls nicht in Betracht. Dies betrifft insb. den Vortrag, der sich mit dem Inhalt des in erster Instanz vorgelegten Privatgutachtens deckt. Das in erster Instanz vorgelegte Privatgutachten war bereits substantiierter Parteivortrag, den das Gericht hätte zur Kenntnis nehmen müssen (BGH, Urt. v. 17.10.2001 - IV ZR 205/00, BGHReport 2002, 153 = NJW-RR 2002, 166 [167]; Urt. v. 10.10.2000 - VI ZR 10/00, MDR 2001, 85 = NJW 2001, 77 [78]).
c) Auch soweit der Schriftsatz neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel enthält, durfte das Berufungsgericht ihn nicht zurückweisen ohne zu prüfen und darzulegen, ob eine Verzögerung des Rechtsstreits drohte.
Die Auslegung der §§ 520 Abs. 3, 530 ZPO, die das Berufungsgericht vorgenommen hat, ist rechtsfehlerhaft. Eine Zurückweisung verspäteten Vorbringens ist nur dann zulässig, wenn die Zulassung zu einer Verzögerung des Verfahrens führen würde.
Für Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die entgegen §§ 520 und 521 Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig vorgebracht werden, erklärt § 530 ZPO § 296 Abs. 1 und 4 ZPO für entsprechend anwendbar. Gem. § 296 Abs. 1 ZPO sind verspätet vorgebrachte Angriffs- oder Verteidigungsmittel zuzulassen, wenn ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Die in einer Präklusion liegende Einschränkung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist verfassungsrechtlich nur dann gerechtfertigt, wenn diese der Abwehr pflichtwidriger Verfahrensverzögerungen dient (BVerfG, Beschl. v. 5.5.1987 - 1 BvR 903/85, BVerfGE 75, 302 = MDR 1987, 904 = NJW 1987, 2733 [2735]). Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen bestehen auch nach dem Gesetz zur Reform des Zivilprozesses v. 27.7.2001 unverändert fort.
Das Berufungsgericht durfte nicht über die Präklusionsbestimmungen des § 530 ZPO hinaus das Vorbringen mit der Begründung zurückweisen, es liege eine weitere Berufungsbegründung nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vor.
IV.
1. Das Berufungsgericht ist mit dem LG, dessen Ausführungen es stillschweigend folgt, der Auffassung, der Umbauzuschlag sei auf das Honorar für den gesamten Altbau (Bauteil 1) zu beziehen. Dies folge daraus, dass die Honorarabrechnung nach der HOAI einheitlich für ein Objekt zu erfolgen habe. Liege eine Baumaßnahme vor, die insgesamt eine Trennung nicht zulasse, weil wesentliche Umbauteile mit Neubauten untrennbar verbunden seien, liege insgesamt ein Umbau vor. Eine Trennung in diesem Sinne könne innerhalb des Bauteils 1 "Altbau" nicht vorgenommen werden.
2. Dies ist rechtsfehlerhaft.
a) Die Parteien haben eine Vereinbarung über den Umbauzuschlag getroffen. Ob dieser Zuschlag sich auf das Honorar für den gesamten Bauteil 1 beziehen sollte, oder nur auf die Teile des Gebäudes, bei denen vorhandene Bausubstanz tatsächlich verarbeitet worden ist, ist eine Frage der Vertragsauslegung. Das Berufungsgericht hat den Vertrag insoweit nicht ausgelegt. Dies wird es nachzuholen haben.
b) Die HOAI regelt den preisrechtlichen Rahmen, in dem Honorarvereinbarungen zulässig sind (BGH, Urt. v. 24.10.1996 - VII ZR 283/95, BGHZ 133, 399 [401 f.] = MDR 1997, 238; Urt. v. 13.9.2001 - VII ZR 380/00, MDR 2001, 1348 = BGHReport 2002, 12 = BauR 2001, 1926 [1927] = NZBau 2001, 690 = ZfBR 2002, 59). Sie kann bei der Auslegung vertraglicher Vereinbarungen nur insofern von Bedeutung sein, als im Zweifel anzunehmen ist, dass die Parteien eine zulässige Honorarvereinbarung treffen wollten. Ob das von der Beklagten behauptete Verständnis der Vereinbarung des Umbauzuschlags zu einem preisrechtlich nicht zulässigen Honorar geführt hätte, kann nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beurteilt werden.
V.
1. Das Berufungsgericht hat sich der Auffassung des LG angeschlossen, es gehe nicht um ein einheitliches Bauwerk, sondern um mehrere getrennte Bauwerke. Das LG hat dazu ausgeführt, eine Zusammenfassung der Bauteile 2 bis 4, wie sie von den Parteien vorgenommen worden sei, entspreche nicht den Regelungen der HOAI; es handele sich jeweils um einzelne Gebäude i.S.d. § 22 HOAI. Der Bauteil 3 (Seminarpavillon) könne unabhängig vom Bauteil 1 (Altbau) genutzt werden; er sei funktional und konstruktiv selbständig. Bauteil 2 (Verwaltungsgebäude) und Bauteil 4 (Tiefgarage) seien getrennte Gebäude; die Tiefgarage diene primär den Besuchern der W.-Halle und den Besuchern des Seminargebäudes und sei daher funktionell selbständig. Aus dem Architektenvertrag lasse sich nicht herleiten, dass die Parteien eine andere Objekteinteilung vereinbart hätten; im Übrigen bestünden gegen eine von § 22 HOAI abweichende Vereinbarung Bedenken, weil die von der HOAI vorgegebenen Mindestsätze unterschritten werden könnten.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der vom LG herangezogene Sachverständige den Einwänden der Beklagten hinreichend nachgegangen und zu einem nachvollziehbaren Ergebnis gelangt. Der entgegengesetzte Vortrag der Beklagten sei insoweit auch in der Berufungsinstanz unsubstantiiert geblieben.
2. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die Parteien haben vereinbart, dass der Bauteil 1 als ein Gebäude und die Bauteile 2, 3 und 4 als ein weiteres Gebäude abgerechnet werden sollten (a). Das Berufungsgericht wird prüfen müssen, ob diese Vereinbarung wirksam ist. Nach den bisherigen Feststellungen lässt sich nicht beurteilen, ob die Vereinbarung preisrechtlich zulässig ist (b).
a) Die Parteien haben in dem Architektenvertrag unter der Überschrift Honorarermittlung festgelegt, das Objekt bestehe aus "1. Umbau u. Sanierung W.-Halle" und "2. Neubauten". In der dem Vertrag als Anlage 3 beigefügten vorläufigen Honorarberechnung sind die Bauteile 2, 3 und 4 als ein Gebäude abgerechnet. Dies lässt nur die Auslegung zu, dass bei der Honorarberechnung der Bauteil 1 als ein Gebäude und die Bauteile 2, 3 und 4 als ein weiteres Gebäude behandelt werden sollten. Dieses Verständnis der Honorarvereinbarung haben auch die Parteien ihren Berechnungen übereinstimmend zu Grunde gelegt.
b) Das Berufungsgericht wird prüfen müssen, ob die von den Parteien vereinbarte Regelung zu einem Honorar führt, das sich in dem preisrechtlich zulässigen Rahmen hält. Die Erwägung des Berufungsgerichts, die Honorarvereinbarung sei unwirksam, weil sie von § 22 HOAI abweiche, ist rechtsfehlerhaft. § 22 HOAI enthält keine Regelung über die Zulässigkeit von Honorarvereinbarungen.
Gem. § 4 Abs. 2 HOAI können die Mindestsätze der HOAI grundsätzlich nicht unterschritten werden. Das bedeutet, dass eine Honorarvereinbarung dann unzulässig ist, wenn sie zu einem Honorar führt, das das von der HOAI vorgesehene Mindesthonorar unterschreitet. Orientiert sich die Honorarvereinbarung an den nach der HOAI maßgeblichen Abrechnungsfaktoren, kann die Zulässigkeit der Honorarvereinbarung nicht isoliert für einen einzelnen Abrechnungsfaktor festgestellt werden. Die Zulässigkeit einer Honorarvereinbarung kann nur bei ihrer vollständigen Anwendung beurteilt werden.
Das Berufungsgericht wird zu ermitteln haben, welches Honorar sich nach den von den Parteien vereinbarten Bemessungsregelungen ergibt und ob dieses Honorar niedriger ist als das Mindesthonorar.
c) Bei der Ermittlung des Mindesthonorars wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, dass die bisherigen Feststellungen nicht die Beurteilung tragen, dass die einzelnen Bauteile verschiedene Gebäude i.S.d. § 22 Abs. 1 HOAI und daher getrennt abzurechnen sind. Für die Abgrenzung kommt es darauf an, ob die Bauteile nach funktionellen und technischen Kriterien zu einer Einheit zusammengefasst sind (BGH, Urt. v. 24.1.2002 - VII ZR 461/00, BGHReport 2002, 404 = MDR 2002, 816 = BauR 2002, 817). Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage dieser Maßstäbe insb. auch prüfen müssen, welche Bedeutung der sog. Verbindungsgang zwischen den Bauteilen 1 und 3 für die funktionelle Zuordnung der Bauteile hat.
Fundstellen
Haufe-Index 1329118 |
DB 2005, 1379 |
BGHR 2005, 694 |
BauR 2005, 735 |
NJW-RR 2005, 669 |
IBR 2005, 213 |
IBR 2005, 214 |
IBR 2005, 215 |
IBR 2005, 271 |
ZfIR 2005, 414 |
MDR 2005, 706 |
NJ 2005, 373 |
ZfBR 2005, 355 |
BTR 2005, 131 |
BauSV 2005, 58 |
BrBp 2005, 300 |
NJW-Spezial 2005, 265 |
NZBau 2005, 295 |
BauRB 2005, 126 |
DS 2005, 140 |
FSt 2005, 661 |
JbBauR 2006, 345 |
JbBauR 2006, 381 |
JbBauR 2006, 389 |
JbBauR 2006, 394 |