Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtspflichtverletzung des Notars wegen unrichtiger Fälligkeitsmitteilung und dadurch ausgelöster Vermögenseinbuße durch Zinsschaden. Haftung für Verfrühungsschaden. Voraussetzungen einer Fälligkeitsbestätigung. Ersatz eines Zinsschadens. Schadensminderungspflicht
Leitsatz (amtlich)
Zum Ersatz eines Zinsschadens aufgrund einer unrichtigen notariellen Fälligkeitsbestätigung.
Normenkette
BNotO § 19 Abs. 1 S. 1, § 24 Abs. 1; BGB § 249
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main |
OLG Frankfurt am Main |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 31. Mai 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den verklagten Notar wegen Amtspflichtverletzung auf Ersatz eines Zinsschadens in Anspruch.
Mit von dem Beklagten beurkundetem Vertrag vom 20. Juli 1995 kaufte die Klägerin jeweils lastenfrei das hälftige ideelle Miteigentum an den Grundstücken F. und K. in F. für 1,3 Mio. DM (F.) und 0,8 Mio. DM (K.). Nach dem Vertrag war der Kaufpreis zwei Banktage nach dem Datum der Fälligkeitsmitteilung des Notars zu zahlen.
Unter dem Datum vom 25. September 1995 zeigte der Beklagte der Klägerin die Fälligkeit des Kaufpreises für das Objekt F. an. In dem Schreiben heißt es: „Die Löschung der in Abt. III eingetragenen Grundpfandrechte ist gewährleistet”. Am 28. September 1995 überwies die Klägerin den Kaufpreis mit Wertstellung zum 10. Oktober 1995 auf das vom Beklagten angegebene Notaranderkonto. Der Beklagte leitete ihn anschließend an die Verkäuferin weiter.
Mit Schreiben vom 22. November 1995 teilte der Beklagte der Klägerin mit: „Es hat sich herausgestellt, daß der Grundschuldbrief bezüglich des Rechts III/1 (F.) nicht vorliegt.” Der Brief war für eine Grundschuld über 50.000 DM nebst 15 % Jahreszinsen ausgestellt. Er wurde mit Ausschlußurteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 26. November 1996 für kraftlos erklärt.
Die Klägerin macht geltend, sie habe aufgrund der verfrühten Fälligkeitsmitteilung des Beklagten einen Zinsschaden erlitten, weil sie den Kaufpreis mit Hilfe eines von ihrem Alleingesellschafter und Geschäftsführer, W. H., gewährten Kredits finanziert habe. Hierzu hat sie einen Darlehensvertrag vom 27. Juli 1995 über 2,1 Mio. DM vorgelegt. Den darin vereinbarten Zins – für die Zeit vom 10. Oktober 1995 bis zum 30. November 1996 errechnet die Klägerin einen Betrag in Höhe von 148.919,33 DM – hat sie nach ihrer Behauptung an H. bezahlt.
Das Landgericht hat der auf Ersatz dieses Betrages gerichteten Klage stattgegeben; das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat sein Urteil wie folgt begründet:
Die Klage sei unschlüssig. Es könne zwar unterstellt werden, daß der Beklagte eine fahrlässige Amtspflichtverletzung begangen habe. Diese habe möglicherweise bei der Klägerin sogar zu einem Vermögensschaden geführt. Indes könne der vorliegend eingeklagte Zinsschaden nicht die Folge der Amtspflichtverletzung sein. Es fehle bereits an der schlüssigen Darlegung eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Darlehensvertrag vom 27. Juli 1995 und der Kaufpreiszahlung durch die Klägerin. Möglicherweise habe H. der Klägerin in Vollzug des Darlehensvertrags ein Darlehen über 2,1 Mio. DM gewährt. Die Klägerin habe den Kaufpreis jedoch nicht aus diesem Kredit bezahlt, sondern allenfalls mit Hilfe einer von H. auf sein „Gesellschafterverwendungskonto” bezahlten Einlage. Einlagezinsen mache die Klägerin jedoch nicht geltend, sondern Darlehenszinsen. Im übrigen seien Einlagen nur begrenzt verzinslich. Nach dem klägerischen Vortrag seien auch keine Zinsen aus dem Betrag von 1,3 Mio. DM an H. gezahlt worden.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Der Beklagte hat schuldhaft seine Amtspflichten verletzt (§ 19 Abs. 1 Satz 1, § 24 Abs. 1 BNotO).
Soll ein Notar im Rahmen der Vertragsabwicklung eine Fälligkeitsbestätigung erteilen, hat er die entsprechenden Tatsachen festzustellen und rechtlich zu prüfen, ob die vertraglichen Voraussetzungen für den Eintritt der Fälligkeit vorliegen (BGH, Urteil vom 21. November 1996 – IX ZR 220/95, WM 1997, 325, 326; vom 17. Juni 1999 – IX ZR 100/98, WM 1999, 1642, 1643). Gibt er die Bestätigung ab, obwohl noch nicht alle Voraussetzungen vorliegen, so haftet er demjenigen, der auf die Bestätigung hin zahlt, für dessen „Verfrühungsschaden” (BGHZ 96, 157, 165; BGH, Urteil vom 21. November 1996 aaO).
Im Zeitpunkt der Erteilung der Fälligkeitsbestätigung war die Löschung des unter III Nr. 1 eingetragenen Grundpfandrechts nicht gewährleistet. Zur Löschung einer Briefgrundschuld ist – neben der Löschungsbewilligung – die Vorlage des Grundschuldbriefs erforderlich (§ 1144 BGB; § 41 Abs. 1 Satz 1 GBO). Solange dieser nicht vorliegt oder durch Ausschlußurteil für kraftlos erklärt wird (§ 41 Abs. 2 Satz 2 GBO), kann die Löschung nicht erfolgen.
Der Beklagte mußte dies wissen und hätte deshalb erkennen können, daß seine Bestätigung vom 25. September 1995 falsch war.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin schlüssig dargetan, daß ihr durch den Notarfehler ein Schaden entstanden ist.
a) Zur Schlüssigkeit einer Klage ist insoweit nicht mehr zu fordern, als daß sich die geltend gemachte Rechtsfolge aus dem als richtig zu unterstellenden Tatsachenvortrag des Klägers ableiten läßt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1984 – VII ZR 123/83, NJW 1984, 2888, 2889; v. 25. Februar 1988 – IX ZR 139/87, NJW-RR 1988, 1488). Dabei ist auch dem Kläger ungünstiges eigenes oder unstreitiges Tatsachenvorbringen zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Greger, ZPO 22. Aufl. vor § 128 Rn. 10 und vor § 253 Rn. 23).
Da sich die Ursächlichkeit einer Amtspflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden danach beurteilt, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten und wie die Vermögenslage des Betroffenen wäre, wenn der Notar die Pflichtverletzung nicht begangen, sondern pflichtgemäß gehandelt hätte (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 6. Juli 2000 – IX ZR 88/98, WM 2000, 1808, 1809), ist im vorliegenden Fall der Klagevortrag schlüssig, wenn sich aus ihm entnehmen läßt, daß sich die verfrühte Zahlung des Kaufpreises für das Objekt F. nachteilig auf das Vermögen der Klägerin ausgewirkt hat.
b) Das ist der Fall, weil die Klägerin behauptet, die verfrühte Zahlung habe Finanzierungskosten ausgelöst, die bei der vertragsgemäßen späteren Zahlung nicht angefallen wären.
Im einzelnen hat die Klägerin vorgetragen, sie habe am 27. Juli 1995 zur Finanzierung des Immobilienerwerbs mit ihrem Alleingesellschafter und Geschäftsführer H. einen Darlehensvertrag geschlossen. Darin habe H. sich verpflichtet, ihr den Kaufpreis von 2,1 Mio. DM darlehenshalber zur Verfügung zu stellen. Umgekehrt habe sie, die Klägerin, sich verpflichtet, dieses Darlehen zu verzinsen, und zwar in Höhe des Zinssatzes, den H. für von ihm selbst bei der L. (im folgenden: Bank) in Anspruch genommene Kredite zu zahlen habe, zuzüglich eines Aufschlages von 2 %. Den Darlehensvertrag vom 27. Juli 1995 hat die Klägerin vorgelegt.
Weiter hat die Klägerin dargelegt, H. habe am 6. Oktober 1995 mit Wertstellung zum 10. Oktober 1995 auf ihr Konto Nr. 17515 bei der besagten Bank den Betrag von 2,1 Mio. DM überwiesen, und hierzu den Überweisungsträger vorgelegt. Am 10. Oktober 1995 sei ein Betrag in gleicher Höhe, der sich aus Teilzahlungen von 1,3 Mio. DM und 0,8 Mio. DM zusammensetze, von diesem Konto abgeflossen, und zwar an den Beklagten zum Zwecke der Bezahlung des Kaufpreises. Die beiden Überweisungsträger und den Kontoauszug vom 10. Oktober 1995 hat die Klägerin ebenfalls zu den Akten gereicht.
Schließlich hat die Klägerin vorgetragen, die in der Zeit vom 10. Oktober 1995 bis 30. November 1996 entsprechend dem Vertrag vom 27. Juli 1995 angefallenen Zinsen seien von ihr bezahlt worden.
c) Die Schlüssigkeitsbedenken des Berufungsgerichts beruhen – wie die Revision zu Recht rügt – teils auf der Außerachtlassung wesentlichen Prozeßstoffs (§ 286 ZPO), teils auf materiell-rechtlichen Fehlern.
aa) Das Berufungsgericht hat gemeint, es fehle „bereits an einem schlüssigen kausalen Zusammenhang” zwischen dem Abschluß des Darlehensvertrages und der Kaufpreiszahlung durch die Klägerin, weil ausweislich des vorgelegten Darlehensvertrages das Darlehen der Klägerin „zur freien Verfügung” habe gewährt werden sollen, der Zeitpunkt der Darlehensgewährung nicht genannt worden und keine Zurückzahlung des Darlehens nach der Weiterveräußerung der angeschafften Immobilien vorgesehen gewesen sei.
Dabei hat das Berufungsgericht zum einen nicht berücksichtigt, daß die Klägerin im Zusammenhang mit dem Kauf der fraglichen Immobilien Kreditbedarf hatte, weil sie – auch nach dem Vortrag des Beklagten – den Kaufpreis nicht aus eigenen flüssigen Mitteln bezahlen konnte. Es lag also nahe, daß die Klägerin ein Darlehen aufnahm. Der Darlehensvertrag datiert vom 27. Juli 1995; er wurde somit gerade eine Woche nach der Beurkundung des Immobilienkaufvertrages abgeschlossen. In der Präambel des Darlehensvertrags ist – was das Berufungsgericht zwar erwähnt, aber nicht gewürdigt hat – ausdrücklich auf den vorausgegangenen Abschluß des Kaufvertrages Bezug genommen. Hinzu kommt, daß der Darlehensbetrag auf 2,1 Mio. DM lautete, also genau auf die Kaufpreissumme.
Zum anderen spricht der Umstand, daß es in Nr. 3 des Darlehensvertrages heißt: „Die Verzinsung des Darlehens erfolgt ab dem Tage, an dem die Darlehensnehmerin das Darlehen zur freien Verfügung hat”, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht zwingend gegen die beabsichtigte Verwendung des Darlehens zur Finanzierung des Kaufpreises. Es handelt sich – wie die Revision mit Recht geltend macht – um eine Regelung zum Beginn der Verzinsung und nicht um eine solche zum Verwendungszweck. Außerdem hatte es der Darlehensgeber, weil er zugleich Geschäftsführer der Darlehensnehmerin war, selbst in der Hand, auf die Verwendung der Darlehensvaluta Einfluß zu nehmen. Letztlich kommt es auf die Frage, ob der Klägerin das Darlehen zur Begleichung der Kaufpreisforderung aus dem Vertrag vom 20. Juli 1995 oder zur freien Verfügung eingeräumt worden war, auch gar nicht an, falls die Klägerin die Darlehensvaluta tatsächlich zur Bezahlung der Kaufpreise verwendet hat (dazu Näheres unter bb).
Unerheblich ist ferner der vom Berufungsgericht hervorgehobene Umstand, daß der Zeitpunkt, zu welchem die Darlehensvaluta ausgereicht werden sollte, in dem Darlehensvertrag nicht genannt war. Ersichtlich hing dies damit zusammen, daß der Zeitpunkt der Kaufpreisfälligkeit bei Abschluß des Darlehensvertrags noch nicht feststand.
Der vom Berufungsgericht vermißten Regelung, daß die Weiterveräußerung der Kaufobjekte durch die Klägerin die Pflicht zur Darlehensrückzahlung auslöse, bedurfte es nicht. Der Geschäftsführer der Klägerin konnte jederzeit mit sich selbst als Darlehensgeber vereinbaren (zu § 181 BGB vgl. unten bb), daß die Laufzeit des Darlehens entsprechend angepaßt wird. Auf eine derartige Möglichkeit ist in Nr. 5 des Darlehensvertrags eigens hingewiesen. Im übrigen ist die Regelung in Nr. 6, wonach die Darlehensnehmerin berechtigt war, das Darlehen vor Fälligkeit ganz oder teilweise zu tilgen, ersichtlich auf den Fall gemünzt, daß es der Klägerin gelang, vor Ablauf von drei Jahren die Kaufobjekte weiterzuveräußern.
bb) Der – nicht weiter ausgeführten – Meinung des Berufungsgerichts, es fehle „an der schlüssigen Darlegung einer rechtlichen Verpflichtung” der Klägerin zur Entrichtung von Darlehenszinsen, kann nicht gefolgt werden. Die Klägerin hat ihrer Darlegungslast durch Vorlage des Darlehensvertrages vom 27. Juli 1995 genügt.
Daß dem Abschluß des Darlehensvertrages das Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) entgegengestanden habe, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und der Beklagte nicht geltend gemacht. Er hat im Gegenteil vorgetragen, es sei der Klägerin unbenommen gewesen, bei ihrem Alleingesellschafter/Geschäftsführer ein Darlehen aufzunehmen, und in seinem Schriftsatz vom 12. April 1999 (Blatt 5) von dem Alleingesellschafter und Geschäftsführer gesprochen, der „von § 181 BGB befreit ist”.
Allerdings ist dem Darlehensvertrag (in Nr. 2) eindeutig nur zu entnehmen, daß das Darlehen verzinslich sein sollte. Demgegenüber sollte sich der Zinssatz an der Höhe desjenigen ausrichten, „den Herr W. H. für von ihm bei der L. in Anspruch genommene Kredite zu zahlen hat, zuzüglich eines Aufschlages von 2 %”. Die in dieser Hinsicht gegebene Unklarheit ist indessen unschädlich.
Die Klägerin hat der Behauptung des Beklagten, H. habe bei der Bank mehrere Kredite mit unterschiedlichen Zinssätzen aufgenommen, nicht widersprochen. Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich daraus aber weder die Zinslosigkeit des Darlehens noch gar die Nichtigkeit des Darlehensvertrages. Vielmehr ist dessen Nr. 2 gemäß §§ 157, 242 BGB dahin auszulegen, daß H. gemäß § 315 BGB unter seinen mit der Bank aktuell bestehenden Darlehensverträgen denjenigen bestimmen durfte, dessen Zinssatz für den der Klägerin gewährten Kredit maßgeblich sein sollte. Daß ein Darlehensvertrag zwischen H. und der Bank über mindestens 1,5 Mio. DM mit den in Ansatz gebrachten Zinssätzen von 8,25 % und 7,98 % bestand, hat die Klägerin mit einem Schreiben der Bank vom 11. Juli 1996 belegt. Es ist nicht erkennbar, daß dies – wie der Beklagte meint – auf eine „unzulässige verdeckte Gewinnausschüttung” hinauslaufe; gegebenenfalls hätte dies auch nur steuerliche Auswirkungen.
Des weiteren ist der Darlehensvertrag nicht wegen widersprüchlicher Regelungen hinsichtlich seiner Laufzeit unwirksam. Gemäß Nr. 5 des Darlehensvertrages sollte dieser eine Laufzeit von zunächst drei Jahren – mit der Möglichkeit einer einverständlichen Verkürzung oder Verlängerung – haben. In Nr. 6 wurde der Darlehensnehmerin das Recht zugebilligt, das Darlehen vor Fälligkeit ganz oder teilweise zu tilgen. Das stellt – entgegen der Meinung des Beklagten – keinen Widerspruch dar, sondern ist sinnvoll aufeinander bezogen.
cc) Auch die Ansicht des Berufungsgerichts, es sei nicht schlüssig dargetan, daß der Überweisung vom 6./10. Oktober 1995 von H. an die Klägerin eine Darlehensgewährung zugrunde liege, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das Berufungsgericht hat es selbst für möglich gehalten, daß H. der Klägerin „in Vollzug des Darlehensvertrages vom 27. Juli 1995 ein Darlehen über 2,1 Mio. DM gewährt hat”. Dann bedurfte die Annahme, die Überweisung von 2,1 Mio. DM vom 6./10. Oktober 1995 von H. an die Klägerin habe mit der Darlehensgewährung nichts zu tun, triftiger Gründe. Das gilt um so mehr, als sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht ergibt, sie habe in dem fraglichen Zeitraum von H. den Betrag von 2,1 Mio. DM zweimal erhalten.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Vermerk auf dem Überweisungsträger vom 6. Oktober 1995 „Einlage auf das Gesellschafterverwendungskonto W. H.” kein triftiger Grund, um die Schlüssigkeit des Klagevorbringens in Frage zu stellen. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus dem ergänzenden Vortrag, wonach bei der Klägerin bis Ende 1996 zwei „Verrechnungskonten” geführt worden seien, nämlich die Konten Nr. 1990 („Gesellschaftereinlagen”) und Nr. 1900 („Gesellschafterentnahmen”). Auf das Konto Nr. 1990 seien sämtliche Einzahlungen des Geschäftsführers H. gebucht worden und auf das Konto Nr. 1900 dessen sämtliche Entnahmen. Zum Jahresende seien die Konten saldiert worden. Die von H. durch Überweisung vom 6./10. Oktober 1995 gezahlten 2,1 Mio. DM seien auf dem Konto Nr. 1990, das zum Jahresanfang 1995 einen Bestand von 9.810.997,97 DM aufgewiesen habe, unter „Einlage WH” gebucht worden. Im Dezember 1995 sei die Verzinsung der Gesellschaftereinlagen in Höhe von 553.931,79 DM eingebucht worden. In diesem Betrag seien die Zinsen aus dem Darlehensvertrag vom 27. Juli 1995 für die Zeit vom 10. Oktober bis 31. Dezember 1995 enthalten gewesen. Unter Berücksichtigung weiterer Einlagen und Entnahmen – allein in der Zeit von Januar bis Juni 1995 habe H. einen Betrag von 5.502.627,27 DM entnommen – habe die Kontensaldierung per 31. Dezember 1995 einen Stand der Gesellschaftereinlagen in Höhe von 7.359.260,01 DM ergeben. Die im Jahr 1996 angefallenen Zinsen für die Gesellschaftereinlagen seien im Dezember 1996 in Höhe von 532.281,26 DM eingebucht worden. Darin seien wiederum die Zinsen aus dem Darlehensvertrag vom 27. Juli 1995 enthalten gewesen. Bis zum September 1999 sei das – nunmehr als einheitliches Konto geführte – Gesellschafterverrechnungskonto auf 33.754, 37 DM zurückgeführt worden.
Die Ansicht des Berufungsgerichts, aus diesem Vortrag ergebe sich, daß H. mit der Überweisung vom 6./10. Oktober 1995 kein Gesellschafterdarlehen gewährt, sondern eine Gesellschaftereinlage erbracht habe, ist unrichtig. Die – allerdings mißverständliche – Bezeichnung „Einlage” auf dem Überweisungsträger und die entsprechende Verbuchung auf einem „Gesellschaftereinlagenkonto” rechtfertigten keine derartige Schlußfolgerung. Wie das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkannt hat, dient eine Gesellschaftereinlage der Aufbringung bzw. Mehrung des haftenden Vermögens der Gesellschaft. Danach war es ausgeschlossen, die Überweisung vom 6./10. Oktober 1995 als Einlage anzusehen. Das Stammkapital der Klägerin betrug 51.000 DM. Daß es noch nicht voll einbezahlt gewesen wäre oder daß ein Kapitalerhöhungsbeschluß vorgelegen hätte, hat er nicht behauptet. Das Konto Nr. 1990 bei der Klägerin diente – ebenso wie das „Komplementär”-Konto Nr. 1900 – lediglich internen buchhalterischen Zwecken. Diese beiden Konten sollten ersichtlich die Geldbewegungen erfassen, die – in beiden Richtungen – zwischen der Klägerin und dem Alleingesellschafter H. stattfanden. Da auch „Entnahmen” vorkamen und jeweils zum Jahresende mit den „Einlagen” verrechnet wurden, kann es sich bei den auf dem Einlagenkonto verbuchten Geldflüssen nicht um Einlagen im Rechtssinne gehandelt haben. Diese hätten der Gesellschaft endgültig verbleiben müssen. Tatsächlich ist der Bestand an „Einlagen” nach dem Vortrag der Klägerin von fast 10 Mio. DM Anfang 1995 auf lediglich 33.754,37 DM im September 1999 zusammengeschmolzen.
III.
Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig (§ 563 ZPO).
1. Der Beklagte hat zunächst geltend gemacht, der Darlehensvertrag vom 27. Juli 1995 sei ein „Scheingeschäft”, später aber vorgetragen, H. habe einen „ohnedies … aufgenommene(n) Kredit … an die Klägerin ‚durchgereicht’”. Ein derartiges Geschäft ist kein Scheingeschäft.
2. Ferner hat der Beklagte gemeint, das der Klägerin von ihrem Alleingesellschafter H. gewährte Darlehen habe kapitalersetzenden Charakter gehabt. Deshalb hätte die Klägerin keine Zinsen bezahlen dürfen; diese seien ihr zurückzuerstatten.
Ob der Klägerin ein derartiger Rückerstattungsanspruch zusteht, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Die Klägerin hat einen Schaden, weil sie – veranlaßt durch die unrichtige Fälligkeitsmitteilung des Beklagten – den Kredit vorzeitig abgerufen und dafür Zinsen bezahlt hat. Diese tatsächliche Vermögenseinbuße wird durch einen etwaigen kapitalersatzrechtlichen Rückerstattungsanspruch nicht ausgeglichen. Ob dieser Anspruch besteht, mag der Beklagte selbst mit dem Darlehensgeber H. ausfechten. Er hat in entsprechender Anwendung des § 255 BGB einen Anspruch gegen die Klägerin auf Abtretung eines etwaigen Rückerstattungsanspruchs (vgl. BGH, Urt. v. 19. Juli 2001 – IX ZR 62/00, ZIP 2001, 1507, 1510 m.w.N.). Dieser Anspruch ist jedenfalls deswegen abtretbar, weil die Klägerin zur Abtretung nur Zug um Zug gegen die Schadensersatzleistung des Beklagten verpflichtet ist und auf diese Weise dem Gesellschaftsvermögen ein vollwertiger Ausgleich zufließt (vgl. BGHZ 69, 274, 282 ff; BGH, Urt. v. 27. November 2000 – II ZR 83/00, WM 2001, 204, 205, zVb in BGHZ 146, 105).
3. Der Beklagte hat einen Schaden mit der Erwägung bestritten, durch ihre frühe Zahlung sei die Klägerin auch vorzeitig Eigentümerin geworden und habe deshalb ihr mit dem Erwerb des Miteigentumsanteils verfolgtes Ziel, die Teilungsversteigerung zu betreiben und als Meistbietende die andere Miteigentumshälfte zu erwerben, zeitiger in Angriff nehmen können. Da das Teilungsversteigerungsverfahren aber in jedem Falle gleich lang gedauert hätte, wäre der Finanzierungsaufwand bei einer späteren Zahlung des Kaufpreises der gleiche gewesen; er hätte sich lediglich zeitlich verschoben.
Dieser Einwand greift nicht durch. Zwar hat die Klägerin tatsächlich die andere Miteigentumshälfte im Wege der Teilungsversteigerung am 21. August 1997 erworben. Sie hat indes behauptet, die Teilungsversteigerung habe sie nur, um den vom Beklagten zu verantwortenden Schaden zu mindern, und erst beantragt, als ihr ursprüngliches Vorhaben, die Miteigentumshälfte zu veräußern, wegen der fehlenden Lastenfreiheit des Kaufobjekts gescheitert sei. Diese Behauptung hat das Landgericht nach Beweisaufnahme für erwiesen gehalten. Die erstinstanzliche Beweiswürdigung hat der Beklagte nicht angegriffen.
Die Klägerin ist zwar vorzeitig Eigentümerin geworden, hat damit aber nicht – wie der Beklagte in der Revisionsverhandlung geltend gemacht hat – das mit dem Erwerb verfolgte wirtschaftliche Ziel erreicht. Wegen der eingetragenen Belastung konnte sie tatsächlich das Objekt nicht veräußern. Vermieten konnte sie es – wie der Beklagte in zweiter Instanz eingeräumt hat – auch nicht.
4. Entgegen der Ansicht des Beklagten hat die Klägerin durch die Vereinbarung des Kreditvertrags vom 27. Juli 1995 – ungeachtet der Frage, ob sie seinerzeit einen günstigeren Kredit hätte erlangen können – nicht gegen ihre Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) verstoßen. Denn am 27. Juli 1995 hatte der Beklagte die Amtspflichtverletzung noch gar nicht begangen und war die Klägerin in ihren geschäftlichen Dispositionen noch frei.
IV.
Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil sie weiterer Aufklärung bedarf.
Der Beklagte hat bestritten, daß die Klägerin tatsächlich die geltend gemachten Zinsen an ihren Geschäftsführer H. gezahlt hat. Zu den Zinszahlungen, die sich aus den von der Klägerin vorgelegten Auszügen für das Gesellschafterverrechnungskonto ergeben, hat die Klägerin eine Bescheinigung ihrer Steuerberaterin vom 17. April 1998 vorgelegt. Außerdem hat der Bankangestellte U. bei seiner erstinstanzlichen Zeugenaussage bestätigt, daß H. bei seiner Bank über den gesamten Zeitraum vom 30. Juli 1995 bis 30. November 1996 Kredite in Höhe von mindestens 1,5 Mio. DM in Anspruch genommen und dafür die von der Klägerin zugrunde gelegten Zinsen entrichtet habe. Falls sich das Berufungsgericht danach noch nicht von der Wahrheit der Behauptung der Klägerin überzeugen kann, wird es die noch ausstehenden Beweise erheben müssen.
Unterschriften
Kreft, Stodolkowitz, Ganter, Raebel, Kayser
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 17.01.2002 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 682532 |
DB 2002, 1552 |
NJW 2002, 1344 |
BGHR 2002, 415 |
BGHR |
DNotI-Report 2002, 62 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 516 |
WuB 2002, 751 |
ZfIR 2003, 217 |
DNotZ 2003, 122 |
MDR 2002, 697 |
VersR 2002, 493 |
ZBB 2002, 119 |
ZNotP 2002, 197 |