Leitsatz (amtlich)
Ein Emissionsprospekt ist auch dann fehlerhaft, wenn der Umfang der Pflichten eines Mietgaranten nicht so eindeutig festgelegt ist, dass darüber kein Streit entstehen kann, und die Anleger auf das Risiko einer für den Fonds ungünstigen Auslegung nicht hingewiesen werden.
Normenkette
BGB § 311 Abs. 2, § 280 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 14.02.2011; Aktenzeichen 26 U 210/09) |
LG Berlin (Entscheidung vom 29.09.2009; Aktenzeichen 38 O 490/08) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 26. Zivilsenats des KG vom 14.2.2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisions- und des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Ehemann der Klägerin beteiligte sich im Jahr 1995 über eine Treuhandkommanditistin mit 200.000 DM zzgl. 10.000 DM Agio an der B. LBB Fonds Fünf (im Folgenden: Fonds). Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes gegen die Beklagte als Gründungskommanditistin Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren und weiteren Sinne geltend. Die Beklagte begehrt im Wege der Hilfswiderklage die Feststellung, dass sich die Klägerin alle Ausschüttungen und Steuervorteile im Zusammenhang mit der Anlage anrechnen lassen muss.
Rz. 2
Das LG hat der Klage überwiegend und der Widerklage in vollem Umfang stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Die Revision hat Erfolg und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Rz. 4
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 5
Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinne seien verjährt. Aber auch aus Prospekthaftungsansprüchen im weiteren Sinne sei die Klage unbegründet.
Rz. 6
Ob die Übertragung der Gesellschafterstellung vom Ehemann der Klägerin (im Folgenden einheitlich: Klägerin) auf die Klägerin etwaige Schadensersatzansprüche umfasse, könne offen bleiben. Denn jedenfalls sei der Prospekt überwiegend nicht fehlerhaft, und soweit er Fehler aufweise, seien diese entweder nicht ursächlich für den Beitritt der Klägerin oder die Beklagte treffe kein Verschulden. Über die Frage, ob unter die Mietgarantie auch die leerstandsbedingten Nebenkosten fielen, sei in dem Prospekt nicht unzutreffend informiert worden. Jedenfalls treffe die Beklagte kein Verschulden. Die Mietgarantin habe insoweit zunächst Zahlungen geleistet und sich erst nach Jahren auf den Standpunkt gestellt, die Mietgarantie erfasse die Nebenkosten nicht.
Rz. 7
II. Diese Ausführungen halten revisionsgerichtlicher Kontrolle nicht in allen Punkten stand.
Rz. 8
Der Prospekt ist hinsichtlich der Angaben zum Umfang der Mietgarantie fehlerhaft, und die Beklagte trifft insoweit auch ein Verschulden.
Rz. 9
1. Die Prospektangaben zu dem Mietgarantievertrag sind unzureichend, weil sie auf eine falsche Risikoverteilung hinsichtlich der leerstandsbedingten Nebenkosten schließen lassen, soweit die Mietflächen nicht unter den Generalmietvertrag fallen.
Rz. 10
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats muss einem Anleger für seine Beitrittsentscheidung ein richtiges Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, d.h. er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insb. über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden (BGH, Urt. v. 6.10.1980 - II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 344; Urt. v. 7.4.2003 - II ZR 160/02, WM 2003, 1086, 1088; Urt. v. 7.12.2009 - II ZR 15/08, ZIP 2010, 176 Rz. 18; Urt. v. 22.3.2010 - II ZR 66/08, ZIP 2010, 1030 Rz. 9; Urt. v. 23.4.2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rz. 13 ff.). Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können (BGH, Urt. v. 6.10.1980 - II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 344; Urt. v. 21.10.1991 - II ZR 204/90, BGHZ 116, 7, 12; Urt. v. 10.10.1994 - II ZR 95/93, ZIP 1994, 1851, 1853; Urt. v. 7.4.2003 - II ZR 160/02, WM 2003, 1086, 1088). Beruht der wirtschaftliche Anlageerfolg eines geschlossenen Immobilienfonds allein auf der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen aus der Vermietung oder Verpachtung von Anlageobjekten, so ist in dem Anlageprospekt deutlich auf mögliche, der Erreichbarkeit dieser Einnahmen entgegenstehende Umstände und die sich hieraus für den Anleger ergebenden Risiken hinzuweisen (BGH, Urt. v. 1.3.2004 - II ZR 88/02, ZIP 2004, 1104, 1106).
Rz. 11
b) Diesen Anforderungen wird der verwendete Prospekt nicht gerecht. Der Senat kann die Auslegung uneingeschränkt selbst vornehmen, weil der Emissionsprospekt über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus verwendet wurde und daher ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Auslegung besteht (BGH, Urt. v. 22.3.2007 - III ZR 218/06, ZIP 2007, 871 Rz. 6; Urt. v. 19.7.2011 - II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rz. 46; Urt. v. 23.4.2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rz. 14).
Rz. 12
Der Prospekt klärt den Anleger auch unter Berücksichtigung der von ihm zu fordernden sorgfältigen und eingehenden Lektüre (vgl. BGH, Urt. v. 31.3.1992 - XI ZR 70/91, ZIP 1992, 912, 915; Urt. v. 14.6.2007 - III ZR 300/05, WM 2007, 1507 Rz. 8) nicht zutreffend über die Risikoverteilung hinsichtlich der leerstandsbedingten Nebenkosten auf, soweit Mietflächen nicht unter den Generalmietvertrag fallen. Wie der Senat bereits entschieden hat, erweckt der Prospekt den Eindruck, dass leerstandsbedingte Nebenkosten bei den der Mietgarantie unterfallenden Flächen nicht dem Fonds zur Last fallen, sondern wie bei den dem Generalmietvertrag unterfallenden Flächen von dem Mieter bzw. Garanten zu tragen sind (BGH, Urt. v. 23.4.2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rz. 15 ff. und II ZR 118/10, juris Rz. 14 ff.; s. auch Urt. v. 23.4.2012 - II ZR 30/10, juris Rz. 14 zu LBB-Fonds 6; Beschl. v. 13.12.2011 - II ZB 6/09, ZIP 2012, 117 Rz. 33 ff. zu LBB-Fonds 13). Die Begriffe Generalmietvertrag und Mietgarantie werden in dem Prospekt unterschiedslos nebeneinander verwendet. Dies musste bei dem Anleger den Eindruck hervorrufen, die durch die Verträge gewährleistete Mietsicherheit sei bei beiden Vertragsarten deckungsgleich.
Rz. 13
Ob das tatsächlich der Fall ist oder ob sich die Mietgarantin zu Recht unter Bezug auf das von ihr eingeholte Rechtsgutachten vom 1.6.2004 auf den Standpunkt stellt, die Nebenkosten nicht zu schulden, muss hier nicht entschieden werden. Denn der Prospekt war in jedem Fall unrichtig, weil die Übernahme der umlagefähigen Nebenkosten durch die Mietgarantin in dem Vertragswerk jedenfalls nur unzureichend umgesetzt war. Dies ergibt sich schon daraus, dass sich die Mietgarantin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts später auf den Standpunkt stellen konnte, im Rahmen der Mietgarantie nicht zum Ausgleich leerstandsbedingter Nebenkosten verpflichtet zu sein, ohne dass diese durch ein Rechtsgutachten untermauerte Auffassung der Mietgarantin auch unter Berücksichtigung des bis dahin gegenteiligen gemeinsamen Verständnisses als offensichtlich haltlos zurückgewiesen werden konnte. Regelte der Mietgarantievertrag die Übernahme der leerstandsbedingten Nebenkosten aber jedenfalls insoweit nicht hinreichend deutlich, so liegt eine die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss nach §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB begründende Pflichtverletzung schon darin, dass die Beklagte weder für eine deutlichere Fassung des Mietgarantievertrags Sorge getragen hat, die derartige, nicht ohne Weiteres ausräumbare Zweifel an der Verpflichtung der Mietgarantin zur Zahlung auch der Nebenkosten verhindert hätte, noch die Anlageinteressenten auf die Gefahr einer gegenteiligen Auslegung des Vertrages durch die Mietgarantin hingewiesen hat (vgl. BGH, Urt. v. 21.3.2005 - II ZR 149/03, ZIP 2005, 763, 765; Urt. v. 3.12.2007 - II ZR 21/06, ZIP 2008, 412 Rz. 9).
Rz. 14
2. Dieser Prospektfehler ist erheblich. Es ist ein die Werthaltigkeit der Anlage entscheidend beeinflussender Faktor, dass der Fonds bei den Wohnungen, die unter den Mietgarantievertrag fallen, mit den leerstandsbedingten Nebenkosten belastet werden kann, weil ein Anspruch aus dem Mietgarantievertrag gegen die Mietgarantin nicht gegeben ist oder jedenfalls die ernstliche Gefahr besteht, dass ein solcher Anspruch aufgrund einer nicht hinreichend deutlichen Fassung des Vertrags wegen erheblicher rechtlicher Zweifel tatsächlich nicht durchgesetzt werden kann. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung musste die Klägerin dafür nicht darlegen, wie hoch das wirtschaftliche Risiko der leerstandsbedingten Nebenkosten im Einzelnen zu bemessen ist. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass die Mietnebenkosten regelmäßig einen nicht unerheblichen Teil der Miete ausmachen (vgl. BGH, Urt. v. 23.4.2012 - II ZR 30/10, juris Rz. 15; Beschl. v. 13.12.2011 - II ZB 6/09, ZIP 2012, 117 Rz. 35). Das gilt auch für Leerstände. Dabei muss auch im Hinblick auf das von der Revisionserwiderung angeführte Investitionsvolumen von über 1 Mrd. DM für den Gesamtfonds nicht für jede einzelne Fondsimmobilie festgestellt werden, ob sie unter den Generalmietvertrag oder unter die Mietgarantie fällt, da unstreitig beide Verträge angewandt wurden (vgl. BGH, Urt. v. 23.4.2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rz. 17).
Rz. 15
3. Damit kommt es auf die Frage, ob der Prospekt noch weitere Unrichtigkeiten aufweist, nicht an.
Rz. 16
4. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht festgestellt, ob dieser Prospektfehler für den Beitritt des Ehemanns der Klägerin ursächlich geworden ist. Das wird es in der neu eröffneten mündlichen Verhandlung nachzuholen haben.
Rz. 17
5. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Beklagte jedenfalls kein Verschulden an dem Prospektfehler treffe.
Rz. 18
Bei der Haftung aus §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB wird das Verschulden des pflichtwidrig handelnden Schuldners gem. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Es ist also Sache der Beklagten, Umstände darzulegen, aus denen sich ergibt, dass sie den Prospektfehler und damit die Falschberatung der Klägerin ausnahmsweise nicht verschuldet hat.
Rz. 19
Dafür genügt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht, dass sich die Beklagte auf die anfängliche Zahlung der Nebenkosten durch die Mietgarantin beruft. Denn der Beklagten wird gerade zur Last gelegt, dass sie weder für eine deutlichere, abweichende Auslegungen - auch erst später - nicht zulassende Formulierung des Mietgarantievertrages gesorgt noch die Anleger auf das bestehende Risiko einer abweichenden Auslegung hingewiesen hat.
Rz. 20
Danach wäre die Beklagte nur dann entschuldigt, wenn sie mit einer Auslegung des Vertrages, wie sie jetzt von der Mietgarantin vertreten wird, nicht hätte rechnen können. Dazu hat das Berufungsgericht keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Der bloße Hinweis auf die - möglicherweise rechtsirrtümliche - Praxis der Vorjahre genügt insoweit nicht. Eine solche Annahme liegt auch nicht nahe. Zwar mag sich die Beklagte insoweit in einem Rechtsirrtum befunden haben. Ein Rechtsirrtum wirkt aber nur dann entschuldigend, wenn er seinerseits nicht verschuldet ist. Daran stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen (BGH, Urt. v. 11.1.1984 - VIII ZR 255/82, BGHZ 89, 296, 303; Urt. v. 14.6.1994 - XI ZR 210/93, ZIP 1994, 1350; Urteil vom 20.9.2011 - II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097 Rz. 16). Es ist nicht ersichtlich, dass diese hier erfüllt wären.
Rz. 21
III. Damit ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.
Rz. 22
Für das weitere Verfahren verweist der Senat auf seine Ausführungen im Urt. v. 23.4.2012 - II ZR 211/09, ZIP 2012, 1231 Rz. 29 ff.
Fundstellen
Haufe-Index 3578245 |
BB 2013, 257 |
BB 2013, 531 |
DB 2013, 8 |
DStR 2013, 13 |
WPg 2013, 452 |
EBE/BGH 2013 |
NJW-RR 2013, 561 |
NZG 2013, 344 |
NZM 2013, 439 |
WM 2013, 258 |
WuB 2013, 277 |
ZIP 2013, 315 |
DZWir 2013, 196 |
JZ 2013, 226 |
GWR 2013, 69 |
NJW-Spezial 2013, 81 |
ZBB 2013, 140 |