Leitsatz (amtlich)
a) Sind mehrere sich nicht gegenseitig ausschließende Deutungen des Inhalts einer Äußerung möglich, so ist der rechtlichen Beurteilung diejenige zu Grunde zu legen, die dem in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt.
b) Bei einer Berichterstattung über bestimmte Personen dürfen nicht solche Fakten verschwiegen werden, deren Mitteilung beim Adressaten zu einer dem Betroffenen günstigeren Beurteilung des Gesamtvorgangs geführt hätte.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1; GG Art. 2, 5 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 14.05.2002) |
LG Mainz (Urteil vom 14.09.2000) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des OLG Koblenz v. 14.5.2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Mainz v. 14.9.2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt von den Beklagten Ersatz von Verdienstausfall und Zahlung einer Geldentschädigung wegen einer von ihm behaupteten schwer wiegenden Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
Am 24.8.1998 strahlte die Beklagte zu 1), eine öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt, in der Sendung "WISO" den Beitrag "Klinik Monopoly" aus. Der Beklagte zu 2) war für den Beitrag verantwortlicher Redakteur. Es wurde u. a. über die berufliche Tätigkeit des Klägers bis 31.3.1997 als Leiter einer Unternehmensgruppe "Kompetenz in Kliniken" (im Folgenden: UG KIK) in B., zu der auch die Firma GSD gehörte, und über die im Anschluss daran ab 1.4.1997 ausgeübte Tätigkeit als Krankenhausdirektor des Klinikums in K. berichtet. Im Hinblick auf die bevorstehende Ernennung zum kaufmännischen Vorstand des Klinikums in G. hatte der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Sendung den Dienstvertrag mit dem Klinikum in K. mit Wirkung zum 31.10.1998 in gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst. Nach der Sendung und auf Grund mehrerer kritischer Berichte im lokalen Tagblatt in G. über seine frühere Tätigkeit in B. zog der Kläger seine Bewerbung für die Stelle in G. zurück. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers verlangten, nachdem sie sich vor der Sendung mit einer eigenen Sachverhaltsdarstellung an den Beklagten zu 2) gewandt hatten, in einem Schreiben v. 31.8.1998 von der Beklagten zu 1) erfolglos die Ausstrahlung einer Gegendarstellung.
Der Kläger wendet sich noch gegen folgende Äußerungen:
1. ...
2. Als Modernisierer hat man ihn (den Kläger) nach K. geholt. Doch jetzt stehen die K.er Politiker belämmert vor einem verschuldeten Haus.
3.-6. ...
7. In B. sorgte er (der namentlich genannte Direktor einer Klinik in B.) unter den Augen der Politik dafür, dass die Unternehmensgruppe KIK bis zu ihrem Zusammenbruch bestens in seinen Kliniken beschäftigt wurde. Es bestanden rund 30 Mio. schwere Verträge. Der Verbleib dieses Geldes ist teilweise ungeklärt. Der Landesrechnungshof sucht noch heute 4,8 Mio. DM. Sie wurden an die M.-Firma GSD gezahlt, ohne dass die Firma eine wirtschaftliche Leistung erbracht hätte.
8. ...
Der Kläger ist der Ansicht, er werde durch die unwahren und zum Teil ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen in schwerer Weise in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Er habe deswegen die Stelle in G. nicht antreten können.
Die Beklagten berufen sich auf ihr Recht zur freien Meinungsäußerung und behaupten, soweit die Aussagen Tatsachen enthielten, seien sie wahr.
Das LG hat dem Kläger in einem Teilurteil eine Geldentschädigung zugesprochen. Nach Aufhebung dieses Urteils und Zurückverweisung der Sache durch das Berufungsgericht hat es die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG eine Persönlichkeitsrechtsverletzung wegen der in Ziff. 2 und in Ziff. 7 S. 4 und 5 enthaltenen Äußerungen bejaht und eine Geldentschädigung von insgesamt 20.451,68 Euro (= 40.000 DM) zugesprochen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils durch vollständige Klagabweisung.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, dass die erste wiedergegebene Äußerung den Kläger in seinem Persönlichkeitsrecht erheblich verletze, weil sie seine fachliche Eignung in Frage stelle. Es werde "zwischen den Zeilen" der Vorwurf erhoben, der Kläger habe die Verschuldung des Klinikums K. durch fehlerhafte Entscheidungen herbeigeführt. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme sei dieser Vorwurf unzutreffend, weil der Kläger durch die von ihm getätigten Ausgaben einem aufgelaufenen Investitionsbedarf nachgekommen sei und Budgetkürzungen hinzugekommen seien.
Auch die zweite Äußerung beeinträchtige das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers erheblich. Durch die Behauptung, an die M.-Firma GSD seien 4,8 Mio. DM ohne wirtschaftliche Gegenleistung geflossen, werde der unzutreffende Verdacht geweckt, der Kläger habe öffentliche Gelder veruntreut. Für den Durchschnittsempfänger komme in der Äußerung der Vorwurf des Geldflusses ohne jegliche Gegenleistung zum Ausdruck. Die beanstandete Äußerung halte die Information zurück, dass jedenfalls ein Computerprogramm entwickelt worden sei, auch wenn sich der Vertrag wegen der mangelnden Verwendbarkeit des Programms im Nachhinein als unwirtschaftlich darstelle. Die Beklagten könnten sich nicht darauf berufen, dass der Prüfungsgebietsleiter des Landesrechnungshofes in einem persönlichen Gespräch mit dem Beklagten zu 2) vor der Sendung die Frage, ob der Landesrechnungshof 4,8 Mio. DM noch immer suche, bejaht habe und auf die Frage, ob berichtet werden könne, dass keine Leistung der klägerischen Firma erbracht worden sei, geäußert habe, man solle besser dahin formulieren, dass keine wirtschaftliche Leistung erbracht worden sei. Da sich die Beklagten die Aussagen dieses Zeugen zu Eigen gemacht hätten, komme es allein darauf an, ob die betreffende Äußerung inhaltlich richtig sei. Dies sei aber nicht der Fall.
Da der Kläger durch diese Äußerungen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht schwer wiegend beeinträchtigt worden sei, sei eine Geldentschädigung von insgesamt 20.451,68 Euro gerechtfertigt.
Ein Anspruch des Klägers auf Ersatz von Verdienstausfall sei schon deshalb zu verneinen, weil nach dem Beweisergebnis die Berichterstattung der Beklagten den behaupteten Verdienstausfall nicht verursacht habe.
II.
Die Erwägungen des Berufungsgerichts zum Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen eines schwer wiegenden Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht bei Ermittlung des Aussagegehalts der ersten Äußerung deren Gesamtzusammenhang außer Acht gelassen und deshalb ihren Sinn nicht zutreffend erfasst hat.
a) Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Sie unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. BGH v. 8.7.1980 - VI ZR 159/78, BGHZ 78, 9 [16] = MDR 1981, 40; v. 30.1.1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13 [21] = MDR 1996, 586; v. 7.12.1999 - VI ZR 51/99, VersR 2000, 327 [330]; und v. 30.5.2000 - VI ZR 276/99, MDR 2000, 1316 = VersR 2000, 1162 [1163]). Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für die Leser, Hörer oder Zuschauer erkennbar sind. Hingegen wird die isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils den Anforderungen an eine zuverlässige Sinnermittlung regelmäßig nicht gerecht (vgl. BVerfG v. 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91, 1 BvR 1980/91, 1 BvR 102/92, 1 BvR 221/92, BVerfGE 93, 266 [295] = MDR 1996, 82; v. 16.6.1998 - VI ZR 205/97, BGHZ 139, 95 [102] = MDR 1998, 1226; und v. 25.3.1997 - VI ZR 102/96, MDR 1997, 643 = VersR 1997, 842 [843] m. w. N.).
b) Nicht zu beanstanden ist, dass sich das Berufungsgericht bei der Ermittlung des Aussagegehalts nicht auf "offene" Behauptungen beschränkt hat, sondern die Prüfung auf ehrenkränkende Beschuldigungen erstreckt hat, die im Gesamtzusammenhang der offenen Einzelaussagen "versteckt" bzw. "zwischen den Zeilen" stehen könnten (vgl. BGH v. 8.7.1980 - VI ZR 159/78, BGHZ 78, 9 [14 ff.] = MDR 1981, 40; sowie v. 28.6.1994 - VI ZR 273/93, MDR 1994, 989 = VersR 1994, 1123 [1124]). Das Berufungsgericht gibt auch die Grundsätze zur Nachprüfung solcher verdeckter Aussagen zutreffend wieder.
Danach ist bei der Ermittlung sog. verdeckter Aussagen zu unterscheiden zwischen der Mitteilung einzelner Fakten, aus denen der Leser eigene Schlüsse ziehen kann und soll, und der erst eigentlich "verdeckten" Aussage, mit der der Autor durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahe legt. Unter dem Blickpunkt des Art. 5 Abs. 1 GG kann nur im zweiten Fall die "verdeckte" Aussage einer "offenen" Behauptung des Äußernden gleichgestellt werden. Denn der Betroffene kann sich in aller Regel nicht dagegen wehren, dass der Leser aus den ihm "offen" mitgeteilten Fakten eigene Schlüsse auf einen Sachverhalt zieht, für den die offenen Aussagen Anhaltspunkte bieten, der von dem sich Äußernden so aber weder offen noch verdeckt behauptet worden ist (vgl. BGH v. 28.6.1994 - VI ZR 273/93, MDR 1994, 989 = VersR 1994, 1123 [1124]).
c) Mit Recht beanstandet die Revision, dass das Berufungsgericht nach diesen Grundsätzen eine verdeckte Sachaussage dahin angenommen hat, dass der Kläger die Verschuldung durch fehlerhafte Entscheidungen herbeigeführt habe. Die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, durch die Verknüpfung "als Modernisierer hatte man ihn (Kläger) nach K. geholt" mit der weiteren Äußerung "doch jetzt stehen die K. Politiker belämmert vor einem verschuldeten Haus" erhalte der Zuschauer nicht lediglich einen Denkanstoß, sondern die bereits fertige Schlussfolgerung, dass der mit einer bestimmten Absicht ("Modernisierer") geholte Kläger die an ihn gestellten Erwartungen nicht erfüllte ("belämmert") und ein verschuldetes Haus hinterlassen habe, lässt außer Acht, dass diese Verknüpfung nicht zwingend ist.
d) Bei der Ermittlung des Aussagegehalts ist nämlich auch der Gesamtzusammenhang der Äußerung zu berücksichtigen. Darauf weist die Revision mit Recht hin. Bei der gebotenen Betrachtung des gesamten Textes unter Einbeziehung der begleitenden Aussagen, ist die Äußerung keineswegs nur so zu verstehen, wie das Berufungsgericht meint.
Der Begleittext lautet:
"K. am B. - malerisch gelegen. Doch im Krankenhaus am Rande der Stadt gibt es ein Problem: Nach kurzer Zeit ist der Klinikdirektor abhanden gekommen.
H. M. kehrt dem Haus nach nur 16 Monaten den Rücken. Als den großen Modernisierer hatte man ihn nach K. geholt.
Doch jetzt stehen die K.er Politiker belämmert vor einem verschuldeten Haus.
H.F. (B90/Grüne) Oberbürgermeister von K.: "Die Sachen, die er angestoßen hat, sind sicher nur teilweise auf den Weg. Und es wird jetzt nicht einfach sein, die Dinge fertig zu machen."
Der Text berichtet nach dem Gesamtzusammenhang vorrangig nicht über wirtschaftliche Fehlentscheidungen des Klägers als Klinikdirektor, sondern über die Konsequenzen seines vorzeitigen Ausscheidens aus den Diensten des Krankenhauses. Das wird bestätigt durch die anschließende Äußerung des Oberbürgermeisters von K., dass der Kläger "Sachen angestoßen habe" und "Dinge fertig zu machen seien." In der Äußerung werden damit zum einen Folgen des vorzeitigen Ausscheidens des Klägers aus den Diensten des Krankenhauses aufgezeigt, zum anderen wird die Bewältigung dieser Folgen angesprochen. Darauf weist die Revision zu Recht hin.
e) Die Auffassung des Berufungsgerichts, "zwischen den Zeilen" werde der Vorwurf erhoben, der Kläger habe die Verschuldung durch fehlerhafte Entscheidungen herbeigeführt, ist zwar nicht unvertretbar, doch ist die eben dargestellte Sinndeutung mindestens ebenso nahe liegend. Sind indessen mehrere sich nicht gegenseitig ausschließende Deutungen des Inhalts einer Äußerung möglich, so ist der rechtlichen Beurteilung diejenige zu Grunde zu legen, die dem in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt (vgl. BGH v. 16.6.1998 - VI ZR 205/97, BGHZ 139, 95 [104] = MDR 1998, 1226). Das ist die hier aufgezeigte Alternative. Folglich liegt eine verdeckte Tatsachenbehauptung, wie das Berufungsgericht sie annehmen will, nicht vor, so dass hierauf kein Entschädigungsanspruch gestützt werden kann. Vielmehr steht den Beklagten das Recht auf freie Meinungsäußerung und Berichterstattung im Rahmen der in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährleisteten Pressefreiheit zu.
Soweit das Berufungsgericht von offenen Aussagen ausgeht, legt es diesen nichts Ehrenkränkendes bei und hat der Kläger darauf auch keinen Anspruch gestützt.
2. Auch die zweite Äußerung vermag einen Anspruch des Klägers auf Geldentschädigung nicht zu rechtfertigen.
a) Die Äußerung, an die M.-Firma GSD seien 4,8 Mio. DM gezahlt worden, ohne dass die Firma eine wirtschaftliche Leistung erbracht habe, beinhaltet - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - schon keine reine Tatsachenbehauptung.
aa) Ist die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich, handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung. Bei Meinungsäußerungen scheidet hingegen naturgemäß dieser Beweis aus, weil sie durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage geprägt sowie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet werden und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (vgl. BVerfG v. 13.4.1994 - 1 BvR 23/94, BVerfGE 90, 241 [247] = MDR 1994, 738 m. w. N.; v. 11.1.1994 - 1 BvR 434/87, BVerfGE 94, 1 [8] = MDR 1994, 844; v. 30.1.1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13 [21] = MDR 1996, 586; v. 16.6.1998 - VI ZR 205/97, BGHZ 139, 95 [102] = MDR 1998, 1226).
bb) Nach diesen Kriterien ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass die Gesamtaussage der beanstandeten Äußerung einen Tatsachengehalt aufweist, der mit den Mitteln des Beweises auf seine inhaltliche Richtigkeit überprüft werden kann (vgl. BGH v. 30.1.1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13 [21] = MDR 1996, 586). Neben der Tatsache, dass 4,8 Mio. DM an die GSD geflossen seien, enthält die Aussage aber auch die Mitteilung, dass die entsprechende Gegenleistung nicht wirtschaftlich gewesen sei. Insoweit ist für die Äußerung das Verständnis maßgeblich, das ihr ein unvoreingenommenes Durchschnittspublikum zumisst (vgl. ; BGH v. 16.6.1998 - VI ZR 205/97, BGHZ 139, 95 [102] = MDR 1998, 1226unten). Danach ist der Aussagegehalt hinsichtlich der "wirtschaftlichen Gegenleistung" erkennbar durch eine subjektive Bewertung des Äußernden geprägt und enthält wertende Elemente einer Meinungsäußerung. Insoweit ist zu bedenken, dass im Hinblick auf die meinungsbildende Aufgabe der Medien, über Angelegenheiten kritisch zu berichten, an denen ein ernsthaftes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht, die Zulässigkeit der Äußerung auf Grund einer Güterabwägung zwischen dem mit der Veröffentlichung erstrebten Zweck und dem Schutz der Ehre des Einzelnen zu beurteilen ist. So bestand im vorliegenden Fall wegen der Kostenexplosion auf dem Sektor der Gesundheitsfürsorge ein hoch einzuschätzendes Bedürfnis der Allgemeinheit und ein berechtigtes Interesse der Presse und der Medien, vor der Öffentlichkeit Fragen der Kostenverursachung im Gesundheitswesen anzusprechen und Missstände aufzuzeigen. Gleichwohl bleibt auch bei einer solchen aus Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung zusammengesetzten Aussage im Interesse des Ehrenschutzes des Betroffenen zu prüfen, ob mit ihr unwahre Tatsachen behauptet werden. Dies bejaht das Berufungsgericht, geht dabei jedoch von einer zu einseitigen Deutung des Aussagegehalts aus.
b) Es meint, die Äußerung sei inhaltlich falsch, weil sie verschweige, dass von der GSD tatsächlich eine wirtschaftliche Leistung erbracht worden sei, die lediglich möglicherweise nicht in einem adäquaten Verhältnis zur Gegenleistung stand. Durch diese unvollständige Berichterstattung werde der unzutreffende Verdacht erweckt, der Kläger habe öffentliche Gelder veruntreut.
aa) Hierbei lässt das Berufungsgericht außer Betracht, dass die in der zweiten Äußerung getroffene Aussage inhaltlich zutrifft, wenn das Wort "wirtschaftlich" nach dem allgemeinen Sprachgebrauch (vgl. hierzu; BGH v. 16.6.1998 - VI ZR 205/97, BGHZ 139, 95 [102] = MDR 1998, 1226) dahin verstanden wird, dass für eine Geldzahlung eine angemessene Gegenleistung gefordert werden kann. Darauf weist die Revision mit Recht hin. Da - wie bereits dargelegt - bei mehreren sich nicht gegenseitig ausschließenden möglichen Deutungen, diejenige der rechtlichen Beurteilung zu Grunde zu legen ist, die dem in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt (vgl. ; BGHZ v. 16.6.1998 - VI ZR 205/97, BGHZ 139, 95 [104] = MDR 1998, 1226), ist von dieser Bedeutung auszugehen.
bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird der Kläger auch nicht dadurch in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, dass die Beklagten den Zuschauern nicht mitgeteilt haben, es sei von der GSD vertragsgemäß gegen Bezahlung von 4,8 Mio. DM ein Computerprogramm entwickelt und geliefert worden, das aber nach seiner Übergabe nicht mehr entsprechend eingesetzt werden konnte.
(1) Zwar kann eine pauschale Tatsachenbehauptung, die nur Teilwahrheiten vermittelt und dadurch beim Adressaten der Äußerung zu einer Fehleinschätzung des Angegriffenen führt, schon aus diesem Grund rechtswidrig sein (vgl. BGH BGHZ 31, 308 [316]; v. 18.6.1974 - VI ZR 16/73, NJW 1974, 1762 [1763]; und v. 26.10.1999 - VI ZR 322/98, MDR 2000, 273 = VersR 2000, 193 [195] m. w. N.). Bei einem Bericht, der sich mit einer namentlich genannten Person besonders beschäftigt, darf die Kürzung des mitgeteilten Sachverhalts auch nicht so weit gehen, dass der Zuschauer oder Leser ein nach der negativen Seite entstelltes Bild dieser Person erhält, weil ihm nur einseitige Ausschnitte mitgeteilt werden (vgl. Senatsurteile, BGH BGHZ 31, 308 [316]; und Urt. v. 26.10.1999 - VI ZR 322/98, MDR 2000, 273 = VersR 2000, 193 [195] m. w. N.).
(2) Das kann hier jedoch nicht angenommen werden. Während in dem vom Senat im Urteil vom 26.10.1999 - (BGH, Urt.v. 26.10.1999 - VI ZR 322/98, MDR 2000, 273 = VersR 2000, 193 [195]) - entschiedenen Fall der in der Berichterstattung verschwiegene Umstand den Vorgang in den Augen des unbefangenen Durchschnittslesers in einem anderen Licht erscheinen lassen und eine Entlastung bewirken konnte, erscheint im vorliegenden Fall die vom Berufungsgericht als möglich angenommene belastende Schlussfolgerung des Zuschauers auch bei Mitteilung der verschwiegenen Tatsachen nicht weniger nahe liegend.
(3) Die von der GSD erbrachte Gegenleistung hält auch das Berufungsgericht in der Gesamtbetrachtung im Nachhinein für unwirtschaftlich, weil die entwickelte Software nicht zweckentsprechend eingesetzt werden konnte. Das dadurch begründete Missverhältnis zwischen dem Geldfluss von 4,8 Mio. DM und der hierfür erbrachten unbrauchbaren Gegenleistung hätte selbst bei einer Information über das zu Grunde liegende Geschäft bei einem unbefangenen Zuschauer, an den sich die Sendung der Beklagten richtete, den Eindruck entstehen lassen können, dass an dem Geschäft Beteiligte sich bereichert haben könnten. Die nach Ansicht des Berufungsgerichts mit der zweiten Äußerung verbundene Fehleinschätzung des Klägers durch den einzelnen Zuschauer wäre deshalb auch bei vollständiger Information nicht vermieden worden.
3. Bei dieser Sachlage muss der Frage nicht weiter nachgegangen werden, ob die als Voraussetzung für einen Ausgleich in Form einer Geldentschädigung erforderliche besondere Schwere der Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Klägers im vorliegenden Fall mit Recht bejaht worden ist (vgl. zu den Voraussetzungen, BGH BGHZ 35, 363 [369]; und v. 22.1.1985 - VI ZR 28/83, MDR 1985, 920 = NJW 1985, 1617 [1619]).
III.
Das Berufungsurteil war aufzuheben, soweit es zum Nachteil der Beklagten ergangen ist. Der Senat hat gem. § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache zu entscheiden, da der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1099280 |
NJW 2004, 598 |
BGHR 2004, 470 |
AfP 2004, 56 |
MDR 2004, 393 |
VersR 2004, 343 |
WRP 2004, 364 |