Leitsatz (amtlich)
Die Verjährung der Gewährleistungsansprüche gegen den Tragwerksplaner wegen Mängel der Statik wird nicht allein dadurch gehemmt, daß der Tragwerksplaner an der Besichtigung der Mangelerscheinungen teilnimmt.
Die zur Sekundärhaftung des Architekten entwickelten Grundsätze sind auf den zur Erstellung der Statik und Bewehrungskontrolle verpflichteten Tragwerksplaner nicht anwendbar, wenn dieser keine besonderen Betreuungs- und Aufklärungspflichten übernommen hat.
Normenkette
BGB § 639 Abs. 2, § 638
Verfahrensgang
OLG Stuttgart |
LG Stuttgart |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 6. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt vom Beklagten Schadensersatz wegen einer mangelhaften Tragwerksplanung. Er ließ 1992/1993 ein Betriebsgebäude mit einer Ausstellungshalle und einer Wohnung bauen. Der Beklagte fertigte die statische Berechnung des Bauvorhabens und führte vor Ort die Bewehrungskontrollen durch. Seine letzte Rechnung beglich der Kläger bis zum 8. Oktober 1992. Nachdem am Bau gravierende Risse und Undichtigkeiten festgestellt worden waren, kam es jedenfalls am 24. Juli 1995 zu einem Ortstermin, an dem auch der Beklagte teilgenommen hat. Streitig ist zwischen den Parteien, ob er bei einem mit dem bauleitenden Architekten durchgeführten Termin am 3. Mai 1995 anwesend war. Am 27. November 1997 leitete der Kläger ein selbständiges Beweisverfahren gegen den Beklagten ein. Die Parteien streiten um die Verjährung der Ansprüche gegen den Beklagten.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 129.805,89 DM nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung des Beklagten ist die Klage wegen Verjährung der Ansprüche abgewiesen worden. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hält den Schadensersatzanspruch des Klägers für verjährt. Es gelte die fünfjährige Frist des § 638 BGB. Sie beginne mit der Abnahme der Leistung des Beklagten. Diese sei mit der vollständigen Bezahlung der Vergütung bis zum 8. Oktober 1992 nach vorheriger Fertigstellung der Leistung erfolgt.
Die Verjährungsfrist sei demnach bei Einleitung des Beweisverfahrens im November 1997 abgelaufen gewesen. Eine etwaige Hemmung ändere daran nichts. Mit dem Vortrag von Besichtigungen an einzelnen Tagen sei der Kläger seiner Darlegungslast nicht nachgekommen. Unabhängig davon sei das Merkmal der Prüfung am 24. Juli 1995 fraglich. Eine Hemmung durch Prüfung trete nicht ein, wenn der Ingenieur den Mangel zwar untersuche, aber gleichzeitig klarstelle, daß er zur Gewährleistung nicht bereit sei. Nach Aussagen des Zeugen S. sei das der Fall gewesen.
Die Grundsätze der Sekundärhaftung seien auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Grundlage der Sekundärhaftung sei die besondere Funktion des Architekten als Sachwalter des Bauherrn. Der mit einer Teilleistung beauftragte Tragwerksplaner könne nicht wie der Architekt als Sachwalter angesehen werden.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die Verjährungsfrist fünf Jahre beträgt und mit der Abnahme der Leistungen des Unternehmers beginnt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 1994 – VII ZR 20/93, BGHZ 125, 111, 113). Ohne Rechtsfehler sieht das Berufungsgericht eine konkludente Abnahme darin, daß der Kläger dessen Rechnung vom 5. August 1992 bis zum 8. Oktober 1992 bezahlt hat.
a) Die Abnahme der Leistungen des Tragwerkplaners kann ebenso wie die Abnahme der Leistungen anderer an der Errichtung des Bauwerks Beteiligter durch schlüssiges Handeln erklärt werden. In der vorbehaltlosen Bezahlung der geschuldeten Vergütung liegt regelmäßig eine konkludente Abnahme, denn durch die Zahlung bringt der Auftraggeber zum Ausdruck, daß er die vom Unternehmer erbrachte Leistung als im wesentlichen vertragsgerecht hinnimmt (BGH, Urteil vom 30. September 1993 – VII ZR 136/92, BauR 1994, 103 = ZfBR 1994, 17). Voraussetzung ist in der Regel, daß das Werk fertiggestellt ist (BGH, Urteil vom 10. Februar 1994 aaO S. 116). Allein der Umstand, daß das Gebäude insgesamt noch nicht fertiggestellt ist, steht einer konkludenten Abnahme der Leistungen des Tragwerkplaners nicht entgegen (BGH, Urteil vom 15. November 1973 – VII ZR 110/71, NJW 1974, 95).
b) Der Beklagte hatte nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts seine geschuldeten Leistungen nach Einbringung des Trapezdaches im Juni 1992 erbracht. Mit seiner Rechnung vom 5. August 1992 hat der Beklagte diese Leistungen vollständig abgerechnet. Unerheblich ist, daß diese Rechnung nicht als Schlußrechnung bezeichnet worden ist. Der Beklagte konnte ihre vorbehaltlose, vollständige Bezahlung als Billigung seiner bis zu diesem Zeitraum nicht beanstandeten Leistung verstehen.
Vergeblich reklamiert die Revision, es sei zum Zeitpunkt der Zahlung noch nicht sicher gewesen, ob noch weitere Leistungen erbracht und weitere Rechnungen gestellt würden, so daß eine Billigung der Gesamtleistung nicht angenommen werden könne. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger noch von weiteren Leistungen des Beklagten ausging.
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht eine Hemmung der Verjährungsfrist verneint.
a) Eine Hemmung ist auch dann nicht durch eine Besichtigung der Mängel am 3. Mai 1995 eingetreten, wenn der Beklagte daran teilgenommen hat.
aa) Voraussetzung für eine Hemmung ist grundsätzlich eine Prüfung der Mängel der eigenen Leistung im Einverständnis mit dem Besteller, § 639 Abs. 2 BGB. Aus dem Klägervortrag ergibt sich nicht, daß die Besichtigung am 3. Mai 1995 dem Zweck diente, nicht nur die Handwerkerleistung, sondern auch die Leistung des Beklagten im Einverständnis mit dem Kläger zu überprüfen. Die bloße Besichtigung des Mangels durch den Beklagten reicht dazu grundsätzlich nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 1964 – VII ZR 99/62, NJW 1964, 647; Urteil vom 2. März 1972 – VII ZR 146/70, VersR 1972, 640, 641).
bb) Eine Hemmung des Laufs der Gewährleistungsfrist für Ansprüche gegen den Planer kann auch dann eintreten, wenn dieser sich der Prüfung des Mangels am Bauwerk nur unter dem Gesichtspunkt unterzieht, ob die Handwerkerleistung mangelhaft ist (BGH, Urteil vom 11. Mai 1978 – VII ZR 313/75, BauR 1978, 405, 407 = NJW 1978, 2393). Dazu reicht es ebenfalls nicht, daß der Planer das Bauwerk nur besichtigt. Die Hemmung der Verjährung durch Prüfung des Mangels rechtfertigt sich aus dem Umstand, daß der Unternehmer bei dem Besteller den Eindruck erweckt, er werde sich um den Mangel kümmern, so daß ein weiteres Vorgehen einstweilen nicht veranlaßt ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 1967 – VII ZR 46/66, BGHZ 48, 108, 111, 114; Staudinger/Peters (2000) § 639 Rdn. 6). Eine Hemmung der Verjährung kommt deshalb in Betracht, wenn der Planer Maßnahmen unternimmt, die dem Besteller den Eindruck vermitteln, dieser bemühe sich auch um die Beseitigung etwaiger eigener Mängel. Das kann der Fall sein, wenn Architekt und Handwerker gemeinsam die Mängelbeseitigung betreiben (BGH aaO). Der Beklagte hat weder am 3. Mai 1995 noch im Anschluß daran derartige Maßnahmen unternommen. Er hat am 24. Juli 1995 vielmehr seine eigene Verantwortung für die Mängel zurückgewiesen.
b) Eine Hemmung nach § 639 Abs. 2 BGB scheidet auch aus, soweit der Beklagte später noch mehrmals die Risse besichtigt haben sollte.
Nach der bestrittenen Behauptung des Klägers hat der Beklagte die Risse im Bauwerk noch weitere Male besichtigt. Die Revision bezieht sich auf das Ergebnis der Beweisaufnahme. Danach hat der Zeuge St. bekundet, die Parteien hätten die Risse jedesmal dann gemeinsam besichtigt, wenn der Beklagte sein Fahrzeug zur Reparatur zum Kläger gebracht habe. Dieser Sachverhalt belegt keine Hemmung der Verjährung nach § 639 Abs. 2 BGB. Der Beklagte hatte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bereits am 24. Juli 1995 seine Verantwortung für die Mängel zurückgewiesen. Er hat keinerlei Anstrengungen zur Aufklärung der Mängelursache unternommen. Die reine Besichtigung anläßlich der Autoreparatur konnte dem Kläger deshalb nicht den Eindruck vermitteln, der Beklagte werde in Zukunft etwas gegen die Mängel unternehmen.
3. Zu Recht verneint das Berufungsgericht die Anwendbarkeit der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur sogenannten Sekundärhaftung des Architekten auf den vorliegenden Fall.
a) Nach dieser Rechtsprechung obliegt dem umfassend beauftragten Architekten im Rahmen seiner Betreuungsaufgaben nicht nur die Wahrung der Auftraggeberrechte gegenüber den Bauunternehmern, sondern auch und zunächst die objektive Klärung der Mängelursachen, selbst wenn zu diesen eigene Planungs- oder Aufsichtsfehler gehören. Eine Vertragsverletzung durch pflichtwidrige Unterlassung jeglicher Untersuchung und Beratung, mit der der Architekt möglicherweise die Verjährung der gegen ihn selbst bestehenden Ansprüche herbeigeführt hat, begründet – nicht anders als eine falsche Beratung – einen weiteren Schadensersatzanspruch dahin, daß die Verjährung der gegen ihn gerichteten Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche als nicht eingetreten gilt (BGH, Urteil vom 16. März 1978 – VII ZR 145/76, BGHZ 71, 144, 148).
b) Diese Grundsätze finden auf die Haftung des Beklagten keine Anwendung.
aa) Anknüpfungspunkt für die sogenannte Sekundärhaftung des Architekten ist der übernommene Aufgabenkreis. Der Bundesgerichtshof hat demgemäß stets darauf abgestellt, daß eine Pflicht zur Aufklärung über eigene Fehler sich aus den übernommenen Betreuungsaufgaben ergeben muß (Urteil vom 24. Mai 1973 – VII ZR 92/71, NJW 1973, 1457; Urteil vom 16. März 1978 – VII ZR 145/76 aaO S. 148; Urteil vom 20. Dezember 1984 – VII ZR 13/83, BauR 1985, 232, 233 = ZfBR 1985, 119; Urteil vom 4. Oktober 1984 – VII ZR 342/83, BGHZ 92, 251, 258; Urteil vom 26. September 1985 – VII ZR 50/84, BauR 1986, 112, 113 = ZfBR 1986, 17). Derartige Betreuungspflichten folgen für den umfassend beauftragten Architekten daraus, daß er die Objektüberwachung und die Objektbetreuung übernommen hat. Er ist verpflichtet, für die Mängelfreiheit des Bauwerks zu sorgen und dem Besteller auch nach Fertigstellung des Bauwerks bei der Untersuchung und Behebung des Baumangels zur Seite zu stehen (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 1971 – VII ZR 132/69, NJW 1971, 1130; Urteil vom 6. Juni 1991 – VII ZR 372/89, BauR 1991, 606, 612 = ZfBR 1991, 207, 215). Mit der umfassenden Beauftragung eines Architekten räumt der Besteller diesem eine zentrale Stellung bei der Planung und Durchführung des Bauwerks ein. Er ist der primäre Ansprechpartner des Bestellers, wenn es zu Problemen bei der Bauabwicklung kommt. Das setzt sich auch nach der Fertigstellung des Bauvorhabens fort. Deshalb ist der Architekt auch nach der Fertigstellung des Bauvorhabens Sachwalter des Bestellers, der ihm bei der Durchsetzung der Ansprüche gegen die anderen Bau- und Planungsbeteiligten behilflich sein muß. Eine derartige Sachwalterstellung kann auch dann bestehen, wenn der Architekt nicht mit allen Leistungen, die zur einwandfreien Herstellung eines Bauwerks notwendig sind, beauftragt ist. Das hat der Senat in einem Fall angenommen, in dem ein für ein Fertighausunternehmen tätiger Architekt die technische Oberleitung für die Errichtung des Fertighauses übernommen hat (BGH, Urteil vom 11. Januar 1996 – VII ZR 85/95, BauR 1996, 418, 419 = ZfBR 1996, 155).
bb) Eine vergleichbar zentrale Stellung erlangt nicht der Tragwerksplaner, der die Statik zu erstellen und die Bewehrungskontrolle vorzunehmen hat. Der übernommene Aufgabenkreis räumt dem Tragwerksplaner keine Position ein, die derjenigen eines Sachwalters des Bauherrn bei der Errichtung des Bauvorhabens entspricht. Seine Aufgaben sind auf bestimmte Segmente der Planung und Überwachung beschränkt. Er hat keine Aufgaben, die die gesamte Koordinierung und Überwachung sowie Betreuung des Bauvorhabens betreffen. Er ist weder bei der Durchführung noch nach der Fertigstellung des Bauvorhabens der primäre Ansprechpartner des Bauherrn. Ihm fehlt die zentrale Stellung des umfassend beauftragten Architekten, die das Vertrauen des Bauherrn erzeugt, er werde auch eine umfassende Aufklärung über eigene Mängel erhalten.
Freilich steht es den Parteien frei, besondere Betreuungs- und Aufklärungspflichten vertraglich zu vereinbaren. In eine Sachwalterstellung kann der Tragwerksplaner auch durch konkludente Vereinbarungen rücken, wie sie sich insbesondere aus den Umständen des Vertragsschlusses oder der Durchführung des Vertrages herleiten lassen (vgl. dazu Kniffka, Festschrift für Heiermann, S. 201, 208). Für eine konkludente Übernahme von Betreuungsaufgaben gibt es im Sachverhalt keine Anhaltspunkte. Die Betreuungsaufgaben wurden durch den Architekten des Klägers wahrgenommen. Der Beklagte hat die Verantwortung frühzeitig von sich gewiesen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Ullmann, Haß, Kuffer, Kniffka, Bauner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.09.2001 durch Heinzelmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 651889 |
DB 2002, 789 |
NJW 2002, 288 |
BGHR 2002, 55 |
BauR 2002, 108 |
EWiR 2002, 97 |
IBR 2002, 28 |
IBR 2002, 29 |
JurBüro 2002, 218 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 2350 |
ZAP 2002, 8 |
MDR 2002, 86 |
VersR 2002, 768 |
ZfBR 2002, 61 |
BISach 2004, 69 |
NZBau 2002, 42 |
FSt 2002, 459 |