Leitsatz (amtlich)
a) Für die Gehaltsklage aus dem Dienstverhältnis eines Geistlichen der Heilsarmee ist der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten auch dann gegeben, wenn die Begründetheit des Anspruchs davon abhängt, ob der Geistliche wirksam aus dem Dienst entlassen worden ist.
b) Für den Justizgewährungsanspruch gegenüber einer Kirche oder Glaubensgemeinschaft ist bei einer innerkirchlichen Streitigkeit weder die Unterscheidung von Amts- und Dienstverhältnis noch die zwischen kirchlichem Amtsrecht und vermögensrechtlicher Folge von Bedeutung.
c) Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht schränkt nicht die Justizgewährungspflicht ein, wohl aber das Maß der Justiziabilität der angegriffenen Entscheidung.
d) Besteht die Möglichkeit, innerkirchliche Streitigkeiten durch die Anrufung kircheneigener Gerichte oder Schlichtungsgremien beizulegen, besteht für die Anrufung staatlicher Gerichte vor Erschöpfung des kirchlichen Rechtswegs kein Rechtsschutzbedürfnis.
e) Eine von der geistlichen Grundordnung und von dem Selbstverständnis der Kirche oder Glaubensgemeinschaft getragene Maßnahme nach autonomem Kirchen- oder Gemeinschaftsrecht kann durch staatliche Gerichte nicht auf ihre Rechtmäßigkeit, sondern nur auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.
f) Die Wirksamkeitskontrolle ist darauf beschränkt, ob die Maßnahme gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung verstößt, wie sie in dem allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie in dem Begriff der guten Sitten (§ 138 BGB) und in dem des ordre public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben.
g) Auch bestandskräftig gewordene Entscheidungen eines kirchlichen Gerichts unterliegen nur der Wirksamkeitskontrolle.
h) Die Frage, ob ein Geistlicher aus dem Dienst wirksam entlassen ist, unterfällt der autonomen Entscheidung der Kirche oder Glaubensgemeinschaft.
Normenkette
GG Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. Juli 2002 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger verpflichteten sich 1975 gemeinsam für den Offiziersdienst der beklagten H. . Sie unterschrieben dabei eine Verpflichtungserklärung, in welcher sie sich ausdrücklich damit einverstanden erklärten, nicht „angestellt” zu sein und auch keinen Arbeitsvertrag abzuschließen.
Nach ihrer Ausbildung in B. versahen die Kläger ihren Dienst als Offiziere, zuletzt im Rang von Majoren, im missionarischen Dienst in der Gemeinde zu P. . Im Jahre 1998 kam es zu schriftlichen Beanstandungen durch den Territorialleiter der Beklagten, der den Klägern Mängel in der Buch- und Kassenführung sowie den Zustand des Offiziersquartiers und der Korpsräume, in denen Sach- und Kleiderspenden lagerten, vorhielt. Nach mehrfachen fruchtlosen Ermahnungen wurden die Kläger in die Schweiz versetzt. Dort stellte sie die Beklagte im Februar 2001 „indisponibel”. Mit Schreiben vom 29. Januar 2001 erklärte der Territorialleiter der Beklagten den Offiziersdienst der Kläger für beendet. Der Versuch eines Neuanfangs in der Schweiz sei gescheitert. Die Kläger seien zum Offiziersdienst nicht weiter geeignet.
Die Kläger haben beantragt, die Beklagte zur Zahlung ihres Gehalts für die Monate März bis November 2001, nämlich 9.219,06 DM und 30.294,54 DM nebst Zinsen, zu verurteilen. Sie haben die Ansicht vertreten, sie stünden in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten, das weder durch die Versetzung in die Schweiz noch durch die Entlassung aus dem Offiziersdienst beendet worden sei. Die Beklagte hat demgegenüber den Standpunkt eingenommen, die staatlichen Gerichte seien zur Entscheidung hierüber nicht berufen.
Das von den Klägern zunächst angerufene Arbeitsgericht in P. hat den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht K. verwiesen, das ihn seinerseits mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten an das Landgericht K. verwiesen hat. Das Landgericht hat die Klage als unzulässig verworfen und das Oberlandesgericht hat sie als unbegründet abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Gehaltsanspruch weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, die staatlichen Gerichte seien zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits berufen. Die Kläger seien als Offiziere der Heilsarmee Geistlichen anderer Religionsgemeinschaften vergleichbar. Ein Arbeitsverhältnis bestehe zwischen den Parteien nicht. Ob Geistliche, die nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen, vor staatlichen Gerichten auf Gehaltszahlungen klagen könnten, sei höchstrichterlich bisher noch nicht entschieden worden. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 18. September 1999, NJW 1999, 349) und des Bundesgerichtshofes (Senatsurt. v. 11. Februar 2000, V ZR 271/99, NJW 2000, 1555) sei dies jedenfalls dann zu bejahen, wenn – wie hier – ein interner Rechtsweg nicht zur Verfügung stehe. In der Sache selbst bleibe die Klage aber ohne Erfolg. Der Status der Kläger als Offiziere der Beklagten sei durch deren Schreiben vom 29. Januar 2001 wirksam beendet worden. Ob diese Beendigung sachlich berechtigt sei, hätten die staatlichen Gerichte mit Rücksicht auf die Kirchenautonomie nicht zu prüfen.
II.
Dies hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Eröffnung des Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten bejaht. Dies ist vom Revisionsgericht selbständig zu prüfen und durch § 545 Abs. 2 ZPO seiner Entscheidung nicht entzogen (Senatsurt. v. 11. Februar 2000, V ZR 291/99, NJW 2000, 1555; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 545 Rdn. 17).
a) Die Beklagte ist eine anerkannte Glaubensgemeinschaft des öffentlichen Rechts. Für Kirchen- oder Glaubensgemeinschaften hat der Senat mit Urteil vom 11. Februar 2000 (V ZR 271/99, NJW 2000, 1555 mit Anm. v. Campenhausen, Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht (ZevKR) 2000, 622; Kästner, NVwZ 2000, 889; Maurer, JZ 2000, 1113; Nolte, NJW 2000, 1844; Rüfner, LM GG Art. 2 Nr. 73) entschieden, daß die staatlichen Gerichte grundsätzlich zur Entscheidung aller Rechtsfragen berufen sind, deren Beurteilung sich nach staatlichem Recht richtet. Dem hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 28.2.2002 (JZ 2002, 1102 m. Anm. Maurer) angeschlossen. Die Pflicht des Staates zur Justizgewährung hat sowohl gegen als auch zugunsten der Kirchen und Glaubensgemeinschaften in gleicher Weise wie für und gegen alle Rechtssubjekte auf dem Staatsgebiet selbst dann zu gelten, wenn bei der Anwendung staatlicher Rechtssätze glaubensgemeinschaftliche Vorfragen zu klären sind. Das verfassungsrechtlich garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) bedingt keine Freistellung von staatlicher Justizhoheit. Es unterliegt nach Art. 137 Abs. 3 WRV vielmehr den Schranken des für alle geltenden Gesetzes.
b) Die Entscheidung des Senats vom 11. Februar 2000 (V ZR 291/99, NJW 2000, 1555) betrifft zwar den zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch einer Glaubensgemeinschaft gegen eines ihrer Mitglieder, ist in ihrem grundsätzlichen Verständnis hierauf aber nicht beschränkt. Der Justizgewährungsanspruch gilt für alle Rechtsfragen, deren Beurteilung sich nach staatlichem Recht richtet, und zwar auch dann, wenn die Kirche oder Glaubensgemeinschaft – wie hier die Beklagte – die Zuständigkeit der staatlichen Gerichtsbarkeit nicht eigens kirchenrechtlich begründet hat. Die Justizgewährungspflicht hängt auch nicht davon ab, ob der Staat mit einer ihm ausdrücklich oder stillschweigend „angedienten” Jurisdiktion ausdrücklich „einverstanden” ist (so noch BGHZ 46, 96, 101). Der Anrufung staatlicher Gerichte steht schließlich nicht entgegen, daß die Kläger als Offiziere der Heilsarmee den Geistlichen der Kirchen und anderer Glaubensgemeinschaften vergleichbar sind und Vermögensansprüche aus dem Dienstverhältnis zur Beklagten geltend machen. Der geltend gemachte Gehaltsanspruch nach den für das Dienstverhältnis geltenden innergemeinschaftlichen Regeln ist ebenso ein grundlegendes Rechtselement abhängiger Dienstverhältnisse wie der korrespondierende Anspruch auf Bereitstellung der Arbeitskraft. Beides ist daher auch aus staatlichem Recht ableitbar. Dies bedarf jedoch keiner Vertiefung, weil die Justizgewährungspflicht des Staates nicht nur dann eingreift, wenn es bei einer innerkirchlichen Streitigkeit um einen aus staatlichem Recht ableitbaren Anspruch geht. Sie besteht vielmehr auch dann, wenn es bei einem allein innerkirchlich begründeten Anspruch oder einer rein innerkirchlichen Rechtsfrage um die Anwendung der für alle geltenden allgemeinen Gesetze geht. Mithin ist der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten selbst dann eröffnet, wenn es sich – wie hier – um ein „verkapptes Statusverfahren” handelt, bei dem die Begründetheit des verfolgten Anspruchs davon abhängt, ob die Beklagte den Offiziersdienst der Kläger wirksam beendet hat. Denn für die Justizgewährungspflicht ist weder die Unterscheidung von Amts- und Dienstverhältnis noch die zwischen kirchlichem Amtsrecht und vermögensrechtlicher Folge von Bedeutung. Abgesehen davon, daß beide Bereiche derart miteinander verzahnt sind, daß ihre Unterscheidung schon tatsächlich auf Schwierigkeiten stößt, ist die Differenzierung auch unerheblich. Die staatliche Gerichtsbarkeit kann einer Entscheidung nicht deswegen ausweichen, weil die Rechtsfrage den kirchlich autonomen Bereich, wie etwa den der Organisations- und Ämterhoheit, betrifft. Denn auch dieser ist nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV nicht exemt, sondern in die staatliche Rechtsordnung eingebunden (v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl., 363 ff.; Kästner, NVwZ 2000, 889, 890). Ob eine zum Kernbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts gehörende Maßnahme oder Entscheidung mit den Grundprinzipien der Rechtsordnung vereinbar ist, beurteilt sich nach staatlichem Recht, für das nur die staatlichen Gerichte zur Entscheidung berufen sind.
Soweit das Bundesverwaltungsgericht hierzu eine andere Ansicht vertritt (vgl. Urt. v. 30. Oktober 2002, 2 C 23/01), kann dem der Senat nicht folgen. Die Zulassung des Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten berührt noch nicht die Garantie der kirchlichen Selbstverwaltung. Ob und inwieweit eine innerkirchliche Angelegenheit der Kontrolle durch staatliche Gerichte unterfällt, ist nicht eine Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs, sondern der Begründetheit des geltend gemachten Anspruchs. Eine Vorlage der Rechtsfrage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG kommt gleichwohl nicht in Betracht, weil das Bundesverwaltungsgericht die – hier maßgebliche – Frage, „ob Kirchenbediensteten wegen ihrer vermögensrechtlichen Ansprüche staatlicher Gerichtsschutz gem. Art. 19 IV GG zukomme”, bisher ausdrücklich offen gelassen hat (BVerwG NJW 1983, 2580, 2582; 1983, 2582, 2583; vgl. auch BVerfG NJW 1983, 2569; 1983, 2569, 2570). Erst recht sind die staatlichen Gerichte dann zuständig, wenn innerkirchliche oder innergemeinschaftliche Rechtsfragen nur als Vorfragen der Begründetheit eines geltend gemachten Anspruchs eine Rolle spielen (Senatsurt. v. 11. Februar 2000, aaO S. 1556).
2. Dem Berufungsgericht ist weiterhin darin zu folgen, daß die Frage, ob der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet ist, nicht mehr zu prüfen war. Denn die Verweisung des Rechtsstreits durch das Arbeitsgericht Köln an das Landgericht hat auch das Berufungsgericht nach § 17a Abs. 2 Satz 3 gebunden. Die Bindungswirkung hätte selbst bei einer gesetzwidrigen Verweisung bestanden (BGH, Beschl. v. 24. Februar 2000, III ZB 33/99, NJW 2000, 1343, 1344), so daß die Zuständigkeit einer anderen Gerichtsbarkeit (vgl. BGH, Beschl. v. 24. Juli 2001, VI ZB 12/01, NJW 2001, 3537, 3538) nicht mehr zu erwägen ist.
3. Die Klage ist auch im übrigen zulässig. Ihr fehlt insbesondere nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die Kläger können nicht darauf verwiesen werden, daß sie innergemeinschaftliche Rechtsmittelmöglichkeiten nicht ausgeschöpft haben.
a) Ist die Kompetenz der staatlichen Gerichte im Grundsatz zu bejahen, so steht damit nicht zugleich auch fest, daß der Streitgegenstand uneingeschränkter gerichtlicher Beurteilung unterfällt. Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob und wieweit die Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des staatlichen Gerichts durch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht begrenzt wird. Indem Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 WRV den Kirchen und Glaubensgemeinschaften die selbständige Ordnung und Verwaltung der eigenen Angelegenheiten in den Grenzen der allgemeinen Gesetze gewährleistet, schränkt die Verfassung zwar nicht die Justizgewährungspflicht ein, wohl aber das Maß der Justiziabilität (Steiner, NVwZ 1989, 410, 415). Inhalt und Umfang der staatlichen Justizgewährung werden davon bestimmt, daß Selbstverwaltungsrecht und allgemeine Gesetze sowie ihre Durchsetzung durch die staatlichen Gerichte in einem Wechselverhältnis stehen. Dem ist durch eine Güterabwägung Rechnung zu tragen, die dem Selbstverwaltungsrecht und Selbstverständnis der Kirchen und Glaubensgemeinschaften gemäß ihrer geistlichen Grundordnung Rechnung trägt.
Das kirchliche Selbstverwaltungsrecht umschließt die Befugnis, Möglichkeiten zu schaffen, innerkirchliche Streitigkeiten im Einklang mit dem kirchlichen Selbstverständnis durch die Anrufung eigener Gerichte oder Schlichtungsgremien beizulegen. Ist ein derartiger Rechtsweg geschaffen und von ihm ein effektiver Rechtsschutz auch zu erwarten, dürfen staatliche Gerichte nicht vor Erschöpfung des kirchlichen Rechtswegs entscheiden (vgl. BVerfG NJW 1999, 349; Kirchberg, NVwZ 1999, 734). Der Klage fehlt dann das Rechtsschutzbedürfnis. Der innerkirchliche Rechtsschutz ist vorrangig und die staatliche Justizgewährung insoweit subsidiär. Wenn der Senat in seiner Entscheidung vom 11. Februar 2000 den Begriff der Subsidiarität demgegenüber in einem anderen Sinne verwandt und davon gesprochen hat, daß die staatliche Gerichtsbarkeit gegenüber der innerkirchlichen Gerichtsbarkeit nicht subsidiär sei, so ist damit nur zum Ausdruck gebracht worden, daß der Justizgewährungsanspruch durch die Einrichtung kirchlicher Gerichte nicht ausgeschlossen wird. Nicht war damit zugleich auch gesagt, daß dem innerkirchlichen Rechtsweg gegenüber dem staatlichen kein Vorrang gebührt.
b) Nach den unangefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts besteht bei der Beklagten lediglich eine Untersuchungskommission, deren Aufgabe in der Vorbereitung und Durchführung eines Disziplinarverfahrens besteht. Daß diese Kommission einem unabhängigen Gericht oder Schlichtungsgremium vergleichbar wäre, das auch Rechtsschutz gegen die verweigerte Fortzahlung des Gehalts gewähren könnte, ist nicht ersichtlich.
4. Die Klage ist nicht begründet.
Inhalt und Umfang des staatlichen Rechtsschutzes hängen materiell davon ab, was der Natur der Sache oder Zweckbeziehung nach aufgrund einer Güterabwägung zwischen religionsrechtlichem Schutz- und Freiheitsbedürfnis der Kirche oder Glaubensgemeinschaft und allgemeinem Recht des einzelnen als eigene Angelegenheit der Kirche oder Glaubensgemeinschaft anzusehen ist (Senat, Urt. v. 11. Februar 2000, V ZR 271/99, aaO S. 1556). Führt die Abwägung dazu, daß es sich um eine von der geistlichen Grundordnung und einem darauf gegründeten Selbstverständnis der Kirche oder Glaubensgemeinschaft getragene Maßnahme nach autonomem Kirchen- oder Gemeinschaftsrecht handelt, so kann sie durch staatliche Gerichte nicht auf ihre Rechtmäßigkeit, sondern nur auf ihre Wirksamkeit, d.h. darauf hin überprüft werden, ob sie gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung verstößt, wie sie in dem allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie in dem Begriff der guten Sitten (§ 138 BGB) und dem des ordre public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. BVerfGE 70, 138, 168; Rüfner, LM Art. 2 GG Nr. 74). Dasselbe gilt für die bestandskräftig gewordene Entscheidung eines kirchlichen Gerichts (Senatsurt. V. 11. Februar 2000, V ZR 271/99, NJW 2000, 1555, 1557) oder einer Schlichtungsstelle, weil die Tätigkeit derartiger Einrichtungen nur insoweit unter die verfassungsrechtliche Garantie der kirchlichen Selbstverwaltung und Selbstbestimmung fällt, als der Gegenstand ihrer Entscheidung seinerseits von dieser Gewährleistung erfaßt wird (v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl., S. 370).
a) Die Frage, ob die Beklagte den Offiziersdienst der Kläger wirksam beendet hat, unterfällt der autonomen Entscheidungsbefugnis der Beklagten und ist nicht nach den Grundsätzen des Arbeitsrechts zu beurteilen. Die Beklagte hat den Offiziersdienst der Kläger nicht als Arbeitsverhältnis ausgestaltet. Ob der Abschluß eines solchen Arbeitsvertrags zwischen Kirchen oder Glaubensgemeinschaften und Personen, die für sie seelsorgerischen Dienst wahrnehmen sollen, überhaupt möglich ist (bejahend Weber, NJW 1983, 2541 ff., 2550; 1989, 2214, 2221), bedarf hier keiner Entscheidung. Mit der Verpflichtungserklärung von 1975 ist kein Arbeitsrechtsverhältnis begründet worden. Sie schließt den Abschluß eines solchen Arbeits- oder Anstellungsvertrags vielmehr ausdrücklich aus, so daß auch ein mündlicher Arbeitsvertrag nicht angenommen werden kann (BAG, NJW 1978, 2116 allgemein für Geistliche; NJW 1990, 2082, 2083 für katholischen Ordenspriester). Da die Kläger als (seelsorgerisch tätige) Offiziere der Beklagten wie Geistliche der Kirchen oder anderer Glaubensgemeinschaften auch keine weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit zu erbringen hatten, scheidet eine Einordnung des Rechtsverhältnisses der Parteien untereinander als (faktisches) Arbeitsverhältnis auch inhaltlich aus (BAG, NJW 2003, 161, 162). Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß die Beklagte für die Kläger während ihrer Dienstzeit Beiträge an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin entrichtet hat. Denn das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ist nur eines von mehreren möglichen Beschäftigungsverhältnissen, das eine Versicherungspflicht auslösen kann. Die Versicherungspflicht kann auch bei einem glaubensgemeinschaftlichen Dienstverhältnis eigener Art entstehen, das zwischen den Parteien während des Offiziersdienstes der Kläger bestanden hat (BAG, Urt. v. 7. Februar 1990, 5 AZR 84/89, NJW 1990, 2082, 2083).
b) Ob die Beklagte mit dem Schreiben ihres Territorialleiters F. vom 29. Januar 2001 die Beziehungen zu den Klägern insgesamt – wie das Berufungsgericht meint – durch „Entlassung” mit sofortiger Wirkung beenden oder lediglich eine „Auflösung des Dienstverhältnisses” erklären wollte, bedarf keiner Entscheidung. In beiden Fällen ist ein Verlust der Bezüge vorgesehen. Daß unter Umständen die Zahlung einer Abfindung „entsprechend den Bestimmungen im jeweiligen Territorium” in Betracht kommt, ist unerheblich. Abgesehen davon, daß die Kläger ihrer Verpflichtungserklärung nach sowieso auf Gehalt und jegliche Forderungen an die Beklagte wegen nicht erhaltener Bewilligungen verzichtet haben, machen sie mit der Klage ausdrücklich (nur) „Gehaltsansprüche” geltend.
c) Soweit die Kläger sich gegen die disziplinarrechtliche Beendigung des Offiziersverhältnisses wenden, ist die Entscheidung der Beklagten einer Rechtmäßigkeitskontrolle durch das staatliche Gericht entzogen. Die Kirchen und Glaubensgemeinschaften haben das Recht, die Regeln des geistlichen Dienstes und der sich daraus ergebenden persönlichen Anforderungen, autonom festzulegen und danach ihre Entscheidungen zu treffen; je mehr das Amts- und Dienstverständnis von dem geistlich-religiösen Selbstverständnis der Kirche oder Glaubensgemeinschaft geprägt wird, desto eher müssen die durch staatliches Recht geschützten subjektiven Rechtspositionen zurücktreten (vgl. Ehlers, ZevKR 27 [1982], 269, 292 f.; v. Mangoldt/Klein/Starck/v. Campenhausen aaO, Art 137 WRV, Rdn. 201). Hier beruft sich die Beklagte auf ein persönliches Versagen der Kläger in der „Pflichterfüllung eines Offiziers”, d.h. in ihrer Stellung als Geistliche nach dem Grundverständnis der Beklagten. Die Entlassung aus dem Dienst des Geistlichen ist damit eine disziplinarrechtliche Maßnahme, gegen die die Kläger die Untersuchungskommission hätten anrufen können. Daß sie es nicht getan haben, erweitert nicht den Prüfungsumfang des staatlichen Gerichts. Ob etwas anderes dann zu gelten hätte, wenn die Kläger nach dem Gemeinschaftsrecht der Beklagten keine Möglichkeit gehabt hätten, sich gegen ihre Entlassung zumindest im Verwaltungswege zu verteidigen, bedarf keiner Entscheidung. Die Entlassung unterliegt daher keiner Rechtmäßigkeits-, sondern nur einer Wirksamkeitskontrolle. Daß sie unter Beachtung des Selbstverständnisses der Beklagten gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie in dem Begriff der guten Sitten (§ 138 BGB) und des ordre public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben, verstieße, haben die Kläger in den Tatsacheninstanzen nicht aufgezeigt und ist auch nicht von Rechts wegen erkennbar.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Wenzel, Krüger, Klein, Gaier, Schmidt-Räntsch
Fundstellen
Haufe-Index 929664 |
BGHZ 2004, 306 |
BGHZ |
NJW 2003, 2097 |
BGHR 2003, 827 |
BGHR |
NVwZ 2004, 127 |
Nachschlagewerk BGH |
DÖV 2003, 772 |
NZA-RR 2004, 426 |
DVBl. 2003, 1541 |