Leitsatz (amtlich)
Die Altersgrenze der Volljährigkeit eines Kindes, das in Deutschland nicht als Flüchtling anerkannt ist, richtet sich nach dessen Heimatrecht.
Das Haager Abkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen und das Haager Kinderschutzübereinkommen regeln die Frage der Volljährigkeit nicht.
Verfahrensgang
AG Nauen (Beschluss vom 04.02.2016; Aktenzeichen 20 F 6/16) |
Tenor
Die Beschwerde des Vormunds gegen den Beschluss des AG Nauen vom 4.2.2016, der durch den Beschluss vom 16.2.2016 berichtigt worden ist, wird zurückgewiesen.
Der Vormund trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Vormund wendet sich gegen seine Bestellung für einen unbegleiteten Ausländer über dessen achtzehnten Geburtstag hinaus.
I. Das im November 1998 in Liberia geborene Kind ist Staatsangehöriger Guineas. Seine Eltern sind verstorben. Es kam 2015 ohne Begleitung nach Deutschland. Der Asylantrag des Kindes ist noch nicht beschieden.
Das AG hat das Kind persönlich angehört. Mit dem angefochtenen Beschluss hat es Vormundschaft angeordnet und das Jugendamt zum Vormund ernannt. Die Vormundschaft dauere bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes, weil dessen Heimatrecht dieses Volljährigkeitsalter vorsehe.
Der Vormund wendet sich mit seiner Beschwerde gegen seine Bestellung über die Vollendung des achtzehnten Lebensjahres des Kindes hinaus. Er meint, wegen des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in Deutschland richte sich die Volljährigkeit nach deutschem Recht.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung (§ 68 III 2 FamFG). Es ist nicht ersichtlich, zu welchen weiteren Erkenntnissen für die Beurteilung des anwendbaren Rechts eine erneute mündliche Erörterung der Angelegenheit führen könnte.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Das Kind ist bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres minderjährig und bedarf eines Vormunds.
1. Die Altersgrenze der Volljährigkeit richtet sich gemäß Art. 7 I 1 EGBGB nach dem Heimatrecht des Kindes.
a) Innerstaatlich unmittelbar anwendbare völkerrechtliche Vereinbarungen (Art. 3 Nr. 2 EGBGB) gehen nicht vor.
aa) Das Personalstatut des Kindes wird nicht gemäß Art. 12 I der Genfer Flüchtlingskonvention nach deutschem Recht bestimmt, weil es nicht nach § 3 AsylG als Flüchtling anerkannt ist (vgl. Staudinger-Bausback, BGB, Neubearb. 2013, Anh. IV zu Art. 5 EGBGB Rdnr. 56).
bb) Das Haager Abkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen betrifft nicht die Frage der Volljährigkeit und nicht das materielle oder das Verfahrensrecht gegenüber allen Personen, die 18 Jahre oder älter sind (Art. 2 I ErwSÜ). Das Abkommen ist sachlich beschränkt auf die Hilfsbedürftigkeit Erwachsener auf Grund psychischer oder körperlicher Krankheit oder Behinderung (MüKo-BGB-Lipp, 6. Aufl. 2015, Art. 1 bis 4 ErwSÜ Rdnr. 11).
cc) Gleiches gilt für das Haager Kinderschutzübereinkommen: Es regelt allseitig, auch für Angehörige von Nichtvertragsstaaten (Art. 20 KSÜ), Maßnahmen zum Schutz von Kindern bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (Art. 2 KSÜ), aber es enthält für Fragen der Volljährigkeit oder der Geschäftsfähigkeit keine vorgehenden Regelungen (Staudinger-Hausmann, Neubarb. 2013, Art. 7 EGBGB Rdnr. 12; Erman-Hohloch, BGB, 14. Aufl. 2014, Art. 7 EGBGB Rdnr. 2c).
b) Art. 21 und 24 EGBGB regeln das Personalstatut nicht. Diese Normen betreffen in Bezug auf die Minderjährigkeit die Rechtsfolgen der nicht vollständigen rechtlichen Handlungsmöglichkeiten des Kindes, insbesondere die Fragen, welcher Elternteil für das Kind handelt, ob und wie die Zuordnung dieser Rechtsmacht geändert werden kann und wie zu verfahren ist, wenn Eltern nicht zur Verfügung stehen, um für das Kind zu sorgen. Die Vorfragen, ob es der Sorge für das Kind bedarf oder ob es selbst teilweise rechtlich handlungsfähig oder volljährig und damit unbeschränkt rechtlich selbständig ist, werden durch das Personalstatut nach Art. 7 EGBGB beantwortet (Staudinger-Hausmann, Art. 7 EGBGB Rdnr. 42; Erman-Hohloch, Art. 24 EGBGB Rdnr. 6; BeckOK-BGB-Heiderhoff, Stand: Mai 2015, Art. 21 EGBGB Rdnr. 3, -Mäsch, Stand: Mai 2013, Art. 7 EGBGB Rdnr. 21; MüKo-BGB-Lipp, Art. 7 EGBGB Rdnr. 49, Art. 24 EGBGB Rdnr. 27).
c) Das Heimatrecht Guineas sieht die Volljährigkeit mit Vollendung des 21. Lebensjahres vor. Das ist übereinstimmend den dazu erstellten Übersichten zu entnehmen (Staudinger-Hausmann, Anh. zu Art. 7 EGBGB; BeckOK-BGB-Mäsch, Art. 7 EGBGB Rdnr. 57.1), die der Senat für ausreichend verlässlich hält, so dass es eines Auskunftsersuchens an den Heimatstaat oder eines Sachverständigengutachtens über dessen Recht der Volljährigkeit nicht bedarf. Diese Übersichten lassen zudem deutlich werden, dass dieses Volljährigkeitsalter verbreiteter Üblichkeit afrikanischer Staaten entspricht, insbesondere auch in Liberia gilt. Es braucht deshalb nicht weiter aufgeklärt werden, ob die Angabe des Kindes zu seiner Staatsangehörigkeit zutrifft oder ob es eventuell Staatsangehöriger seines Geburtslandes oder eines N...