Entscheidungsstichwort (Thema)
Datenleitungsverlegung auf Grund einer persönlichen Dienstbarkeit
Beteiligte
Rechtsanwälte Harald Mosler und Koll. |
Verfahrensgang
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Entscheidungen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main und des Bundesgerichtshofs sowie mittelbar gegen § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG.
1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer von Grundstücksflächen, die teilweise an eine Golfplatzbetreiberin und im Übrigen zur landwirtschaftlichen Nutzung verpachtet sind. Mit Vertrag vom 27./28. November 1992 gestattete er der Rechtsvorgängerin der Beklagten des Ausgangsverfahrens, auf diesen Grundstücken innerhalb eines 8 m breiten Schutzstreifens eine Ferngasleitung sowie ein der Überwachung und Steuerung dienendes Mess- und Fernmeldekabel zu verlegen und zu nutzen. Dieses Recht wurde gegen Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 523.090,20 DM durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit dinglich gesichert. In einer Tiefe von 1,10 m wurde parallel zu einer ca. 2 km langen Gaspipeline ein 5 cm breites Kabelschutzrohr verlegt, in das ein Lichtwellenleiterkabel (LWL-Kabel) mit 4 Faserpaaren eingezogen wurde, das für die zur Überwachung und Steuerung der Anlage erforderliche betriebsinterne Kommunikation bestimmt war.
Nachdem der Beklagten des Ausgangsverfahrens wegen ihrer marktbeherrschenden Stellung auf dem Energieversorgungssektor die Erteilung einer Übertragungswellenlizenz versagt worden war, räumte sie das Nutzungsrecht an dem Kabelrohr mit Vertrag vom 20. Dezember 1995 der mit einer solchen Lizenz ausgestatteten Firma V. ein. Außerdem verlegte sie im November 1996 nach gescheiterten Vertragsverhandlungen ohne Wissen des Beschwerdeführers ein leistungsstärkeres, mit 30 Faserpaaren bestücktes LWL-Kabel, das nicht nur zur innerbetrieblichen Datenübermittlung, sondern auch zur Erbringung von Telekommunikationsleistungen für die Öffentlichkeit geeignet war. Dieses Kabel wurde durch eine später wieder beseitigte Baugrube überwiegend anstelle, teilweise aber auch parallel zu dem bereits verlegten LWL-Kabel in das vorhandene Kabelschutzrohr eingeblasen.
Das Landgericht entsprach dem auf Beseitigung des LWL-Kabels, hilfsweise auf Unterlassung seiner Nutzung zu betriebsfremden Zwecken und vorsorglich auf Entschädigung gerichteten Begehren des Beschwerdeführers teilweise. Es verurteilte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Nutzung des neu verlegten Kabels für Zwecke der Telekommunikation oder zu anderen nicht zur Überwachung bzw. dem Betrieb der Erdgaspipeline dienenden Zwecken bis zur Zahlung von 52.309,02 DM zu unterlassen.
Das Oberlandesgericht wies die Klage insgesamt ab. Ein Zahlungsanspruch nach § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG scheitere daran, dass schon bisher ein zur betriebsinternen Kommunikation genutzter Leitungsweg vorhanden gewesen sei.
Auf die Revision des Beschwerdeführers hob der Bundesgerichtshof das Urteil des Oberlandesgerichts insoweit auf, als der Antrag auf Zahlung abgewiesen worden war. Gleichzeitig stellte der Bundesgerichtshof fest, der Anwendungsbereich des § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG sei nicht auf Inhaber von Leitungsrechten beschränkt, die zugleich über eine Übertragungswegelizenz verfügen. Ein Grundstückseigentümer habe allerdings einen Anspruch auf einmaligen Ausgleich in Geld auch dann, wenn eine bislang nur der betriebsinternen Überwachung dienende und entsprechend dinglich abgesicherte Telekommunikationsleitung zu einer Leitung umgebaut wird, die zu Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit dient. Die Höhe dieses Anspruchs richte sich in erster Linie nach dem Entgelt, das nach den jeweiligen Marktverhältnissen für die Einräumung eines Leitungsrechts zu allgemeinen Telekommunikationszwecken gezahlt wird.
2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG. § 57 Abs. 1 TKG verstoße insbesondere gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Diese Vorschrift gehe über eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung weit hinaus. Sie diene nicht in erster Linie den Interessen der Allgemeinheit, sie sei vielmehr auf Grund einer besonders erfolgreichen Einflussnahme der Energiewirtschaft auf die gesetzgeberische Gestaltung des Telekommunikationsgesetzes ergangen. Die Vorschrift verschaffe der Energiewirtschaft zusätzliche Einkünfte in einem für sie artfremden Gewerbe, ohne dass sie in diesem Zusammenhang Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit erfülle. § 57 Abs. 1 TKG ermögliche eine Enteignung, die nur unter den hier nicht gegebenen Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG zulässig sei. Die Rechte aus § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG könnten allenfalls Unternehmen zustehen, die über eine Übertragungswegelizenz verfügten.
Entscheidungsgründe
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde wirft keine verfassungsrechtlichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung des als verletzt bezeichneten Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG angezeigt, weil die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat.
Der Beschwerdeführer ist nur insoweit beschwert, als ihn das letztinstanzliche Urteil des Bundesgerichtshofs auch in Fällen der Ausweitung bisher gestatteter betriebsinterner Telekommunikation auf Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit zur Duldung gegen Zahlung einer einmaligen Ausgleichsleistung nach § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG verpflichtet. Nur diese Auslegung des einfachen Rechts durch den Bundesgerichtshof ist Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs und die mittelbar angegriffene Vorschrift des § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG.
1. a) Die angegriffene Regelung stellt keine Enteignung, sondern eine Inhaltsbestimmung des Grundeigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Unter Inhaltsbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG versteht das Grundgesetz die generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu betrachten sind. Sie ist auf die Normierung objektiv-rechtlicher Vorschriften gerichtet, die den Inhalt des Eigentumsrechts vom In-Kraft-Treten des Gesetzes an für die Zukunft in allgemeiner Form bestimmen. Demgegenüber zielt die Enteignung im verfassungsrechtlichen Sinne auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Eigentumspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben (vgl. BVerfGE 72, 66 ≪76≫; 79, 174 ≪191 f.≫; 100, 226 ≪240≫). § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG enthält keine Ermächtigung der Exekutive, ein bestimmtes, von ihr zur Wahrung öffentlicher Aufgaben benötigtes Vermögensobjekt ganz oder teilweise zu entziehen, sondern begründet in genereller und abstrakter Weise eine Duldungspflicht des Eigentümers, wenn auf dem Grundstück eine durch ein Recht gesicherte Leitung oder Anlage auch für die Errichtung, den Betrieb und die Erneuerung einer Telekommunikationslinie genutzt und hierdurch die Nutzbarkeit des Grundstücks nicht dauerhaft zusätzlich eingeschränkt wird. Die Vorschrift bestimmt somit in allgemeiner Form den Inhalt des Grundeigentums.
b) Der Gesetzgeber muss bei der Inhaltsbestimmung des Eigentums die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls zu einem gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Der Kernbereich der Eigentumsgarantie darf dabei nicht ausgehöhlt werden (BVerfGE 91, 294 ≪308≫). Diese für eine Inhaltsbestimmung aus der Verfassung folgenden Schranken werden durch § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG eingehalten. Der Gesetzgeber hat, was die Nutzung von Grund und Boden zu Telekommunikationszwecken anbelangt, die schutzwürdigen Interessen der Grundstückseigentümer und die betroffenen Belange des Gemeinwohls abgewogen und dabei auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen. Aus Art. 87 f Abs. 1 GG ergibt sich, dass der Telekommunikationssektor im Rahmen der Volkswirtschaft eine herausgehobene Bedeutung hat. Nach dieser Vorschrift gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen. Diese Dienstleistungen werden nach Maßgabe des Art. 87 f Abs. 2 GG als privatwirtschaftliche Tätigkeiten sowohl durch die aus der Deutschen Bundespost hervorgegangenen Unternehmen als auch durch andere private Anbieter erbracht. Dies erfolgt durch wettbewerbsorientiertes Handeln mit privatrechtlichen Mitteln und in privatrechtlichen Unternehmensformen. Die dadurch geschaffene Zulassung von Wettbewerb setzt staatliche Rahmenbedingungen voraus, die sicherstellen, dass Wettbewerb auch tatsächlich verwirklicht wird und interessierte Unternehmen überhaupt ernsthaft in Konkurrenz zur D. AG treten können (vgl. BTDrucks 13/3609, S. 1).
Die Errichtung und der Betrieb flächendeckender oder jedenfalls großräumiger Telekommunikationsnetze sind aufwendig und kapitalintensiv. Es ist verfassungsrechtlich daher nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber in erster Linie Unternehmen für einen ernsthaften Wettbewerb mit der D. AG in Betracht zieht, die bereits über ein auch für Telekommunikationszwecke geeignetes Leitungsnetz verfügen. Die Eröffnung gleicher Wettbewerbschancen setzte aber voraus, dass diese Unternehmen rechtlich in die Lage versetzt wurden, ihre Leitungen auch für Telekommunikationsleistungen außerhalb ihrer betrieblichen Zwecke nutzen zu dürfen. Denn ein Recht der sonstigen Unternehmen zur Nutzung der Leitungen für Zwecke der Telekommunikation bestand zuvor nicht.
Der Gesetzgeber ging davon aus, dass in Bezug auf rechtlich gesicherte Leitungen oder Anlagen eine „Zweckänderung” zur Nutzung als Telekommunikationslinie hinnehmbar ist (vgl. BTDrucks 13/4438, S. 18). Diese Wertung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Dies gilt jedenfalls auf Grund der vom Bundesgerichtshof vorgenommenen erweiternden Auslegung des § 57 Abs. 2 Satz 2 TKG, nach der diese Vorschrift verfassungskonform dahin verstanden werden muss, dass auch in Fällen der Ausweitung bisher gestatteter betriebsinterner Telekommunikation auf Dienstleistungen für die Öffentlichkeit eine einmalige Ausgleichsleistung geschuldet wird, die nach den jeweiligen Marktverhältnissen für die Einräumung eines Nutzungsrechts zu Telekommunikationszwecken gezahlt wird. Ob insoweit allerdings nur eine einmalige Zahlung in Betracht kommt, kann dahinstehen.
2. Auch die Auslegung und Anwendung des § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG durch den Bundesgerichtshof ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Das Bundesverfassungsgericht hat stets betont, dass die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall Sache der dafür allgemein zuständigen Gerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen sind. Die Schwelle eines Verstoßes gegen objektives Verfassungsrecht, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist erreicht, wenn die Entscheidung der Zivilgerichte Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92 f.≫; 42, 143 ≪148 f.≫). Dafür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich. Vielmehr hält sich die angegriffene Entscheidung des Bundesgerichtshofs innerhalb des Wortlauts von § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG. Dieser setzt voraus, dass die vorhandene Leitung oder Anlage für die Errichtung, den Betrieb oder die Erneuerung einer Telekommunikationslinie genutzt wird. Eine Nutzung in diesem Sinne erfolgt, wenn ein Kabel, welches bisher beispielsweise zur betriebsinternen Kommunikation diente, nunmehr – zusätzlich – als Telekommunikationslinie genutzt wird. Dem steht gleich, wenn in einem bereits vorhandenen Leerrohr ein – weiteres – als Telekommunikationslinie dienendes Kabel verlegt wird. In beiden Fällen werden die in dem Grundstück bereits befindlichen Leitungen oder Anlagen nunmehr für die Errichtung einer Telekommunikationslinie technisch genutzt.
Auch die weitere Annahme des Bundesgerichtshofs, der Anwendungsbereich des § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG sei nicht auf Inhaber von Leitungsrechten beschränkt, die zugleich über eine Übertragungswegelizenz verfügen, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Bereits der Wortlaut der Vorschrift spricht für eine generelle Duldungspflicht auch gegenüber Dritten, die selbst nicht über ein Leitungsrecht verfügen, da personelle Einschränkungen der Duldungspflicht fehlen. Diese Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt. Der ursprüngliche Gesetzentwurf (vgl. BTDrucks 13/3609, S. 19) enthielt noch derartige Beschränkungen. Anspruchsberechtigter sollte ausdrücklich nur der Leitungs- oder Anlagenbetreiber sein. Der Wegfall dieser Einschränkung spricht für eine Ausweitung des berechtigten Personenkreises. Schließlich spricht auch die Vorschrift des § 14 Abs. 1 TKG für diese Auffassung, nach der Unternehmen, die auf anderen Märkten als der Telekommunikation über eine marktbeherrschende Stellung verfügen, Telekommunikationsdienstleistungen in einem oder mehreren rechtlich selbständigen Unternehmen führen müssen. Der Gesetzgeber stellt mit dieser Pflicht zur strukturellen Separierung sicher, dass die Betreiber der Telekommunikationslinie nicht identisch mit den Unternehmen sind, die über ein Leitungs- oder Anlagenrecht verfügen.
Ob § 57 Abs. 1 Nr. 1 TKG auch dazu berechtigen kann, zu Telekommunikationszwecken in einem zusätzlichen Leerrohr ein Glasfaserkabel zu verlegen, war hier nicht zu entscheiden.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Hoffmann-Riem
Fundstellen
Haufe-Index 567602 |
NJW 2001, 2960 |
NVwZ 2001, 1264 |
MMR 2001, 521 |