Verfahrensgang
Thüringer OVG (Beschluss vom 01.11.2006; Aktenzeichen 2 EO 714/06) |
VG Weimar (Beschluss vom 17.07.2006; Aktenzeichen 4 E 390/06 We) |
Tenor
- Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar vom 17. Juli 2006 – 4 E 390/06 We – und der Beschluss des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 1. November 2006 – 2 EO 714/06 – verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 1. November 2006 – 2 EO 714/06 – verletzt den Beschwerdeführer zudem in seinem Recht aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes.
- Der Beschluss des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 1. November 2006 – 2 EO 714/06 – wird aufgehoben, und die Sache wird an das Thüringer Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
- Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.
- Das Land Thüringen hat dem Beschwerdeführer zwei Drittel seiner notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe
Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein beamtenrechtliches Konkurrentenstreitverfahren. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auswahlentscheidung des Thüringer Justizministeriums zur Besetzung der Stelle des Präsidenten des Thüringer Landesarbeitsgerichts sowie gegen die nachfolgenden verwaltungsgerichtlichen Eilbeschlüsse, mit denen sein Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt worden ist.
I.
Der Beschwerdeführer ist Vizepräsident des Thüringer Landesarbeitsgerichts und wird nach der Besoldungsgruppe R 3 mit Zulage BBesG besoldet. Im November 2004 bewarb er sich auf die ausgeschriebene Stelle des Präsidenten des Thüringer Landesarbeitsgerichts. Die Auswahlentscheidung fiel jedoch auf einen der Mitbewerber. Dem hiergegen gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gab das Verwaltungsgericht Weimar mit Beschluss vom 24. Oktober 2005 statt. Das anschließende Beschwerdeverfahren vor dem Thüringer Oberverwaltungsgericht erklärten die Beteiligten übereinstimmend für erledigt, nachdem der ausgewählte Kandidat seine Bewerbung zurückgezogen hatte.
Noch während des Beschwerdeverfahrens bewarb sich auch der nach R 4 BBesG besoldete Vizepräsident des Thüringer Oberlandesgerichts (im Folgenden: Beigeladener) um die ausgeschriebene Präsidentenstelle. Im Februar 2006 traf das Justizministerium eine erneute Auswahl und entschied sich dabei für den Beigeladenen. In dem Besetzungsbericht heißt es hierzu, bei dem Vergleich der Bewerber, die zuletzt alle mit dem bestmöglichen Gesamtprädikat “besonders hervorragend” beurteilt worden seien, müsse berücksichtigt werden, dass der Beigeladene das Prädikat in einem höheren Amt im statusrechtlichen Sinne erreicht habe als die Mitbewerber. Er habe als Vizepräsident des Oberlandesgerichts ein Amt der Besoldungsgruppe R 4 BBesG inne, während der Beschwerdeführer nur nach R 3 mit Zulage BBesG besoldet werde. Da eine dienstliche Beurteilung statusamtsbezogen zu erfolgen habe, müsse dies zu einer Differenzierung zwischen den Bewerbern führen. Dem Beigeladenen komme daher im Bereich der Rechtsprechung ein Leistungsvorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern zu. Dieser Leistungsvorsprung werde auch bei Berücksichtigung der Leistungsbeurteilungen der beiden Mitbewerber im Rahmen der von ihnen wahrgenommenen Verwaltungstätigkeit nicht in Frage gestellt. Die im Bereich der Verwaltungstätigkeit gezeigten Leistungen des Beschwerdeführers und des Beigeladenen seien im Ergebnis als gleich gut zu bewerten. Schließlich könne bei keinem der Bewerber in Frage gestellt werden, dass er in höchstem Maße geeignet sei, die Arbeitsgerichtsbarkeit zu repräsentieren. Den Ausschlag zugunsten des Beigeladenen gebe somit sein durch eine entsprechend höherwertige dienstliche Beurteilung ausgewiesener Leistungsvorsprung hinsichtlich der rechtsprechenden Tätigkeit.
Gegen diese Auswahlentscheidung erhob der Beschwerdeführer Widerspruch und stellte gleichzeitig Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den das Verwaltungsgericht Weimar mit Beschluss vom 17. Juli 2006 ablehnte. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Thüringer Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 1. November 2006 zurück. Ein zuvor gestelltes Befangenheitsgesuch des Beschwerdeführers beschied das Oberverwaltungsgericht nicht. Der instanzabschließende Beschluss wurde zu einem Zeitpunkt gefasst, in dem sich der abgelehnte Richter in Urlaub befand.
II.
1. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Auswahlentscheidung des Justizministeriums sowie gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts. Er rügt die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG.
a) Er macht insbesondere geltend, die Auswahlentscheidung verstoße gegen den durch Art. 33 Abs. 2 GG abgesicherten Leistungsgrundsatz. Das Justizministerium habe dem Beigeladenen einen Leistungsvorsprung hinsichtlich der rechtsprechenden Tätigkeit zugemessen. Diesen habe es bei formal gleicher Beurteilung der Bewerber aus dem höheren Statusamt des Beigeladenen hergeleitet. Die statusrechtliche Besserstellung des Beigeladenen beruhe jedoch nicht auf seiner höherwertigen Spruchrichtertätigkeit, sondern auf der im Zuständigkeitsbereich des Oberlandesgerichts höheren Zahl von Richterplanstellen. Höhere Anforderungen für die rechtsprechende Tätigkeit könnten der besoldungsrechtlichen Eingruppierung daher nicht entnommen werden; diese beziehe sich vielmehr allein auf die Unterschiede in der Verwaltungstätigkeit.
b) Das Oberverwaltungsgericht habe zudem gegen die Gewährleistung des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen. Der erkennende Senat habe es bewusst vermieden, über den Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden zu entscheiden. Nur aus diesem Grund habe es über seine Beschwerde zu einem Zeitpunkt entschieden, als der Vorsitzende in Urlaub gewesen sei.
2. Die Kammer hat den gemäß § 94 Abs. 2 und 3 BVerfGG Äußerungsberechtigten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und dem Freistaat Thüringen durch Beschluss vom 7. Februar 2007 (2 BvQ 62/06) aufgegeben, die Stelle des Präsidenten des Thüringer Landesarbeitsgerichts vorläufig nicht zu besetzen.
III.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, soweit sie sich gegen die Auswahlentscheidung des Thüringer Justizministeriums richtet. Sie ist insoweit unzulässig (1.). Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c BVerfGG vor. Die angegriffenen Gerichtsentscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (2.).
1. Soweit sich der Beschwerdeführer unmittelbar gegen die Auswahlentscheidung des Justizministeriums wendet, ist die Verfassungsbeschwerde mangels Rechtswegerschöpfung unzulässig (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat unmittelbar gegen die Auswahlentscheidung bisher nur Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist. Das vom Beschwerdeführer betriebene verwaltungsgerichtliche Eilverfahren hat hinsichtlich der Auswahlentscheidung nicht zu einer Rechtswegerschöpfung geführt. Denn Gegenstand dieses Verfahrens war nicht die Auswahlentscheidung selbst, sondern der Anspruch des Beschwerdeführers auf vorläufige Sicherung seines Bewerberverfahrensanspruchs.
2. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Weimar und des Thüringer Oberverwaltungsgerichts wendet, ist eine Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt.
a) Die Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht auf gleichen Zugang zum öffentlichen Amt aus Art. 33 Abs. 2 GG.
Die Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen beruht auf der Erwägung, dass diesem allein aufgrund seines höheren Statusamts im Bereich der Rechtsprechungstätigkeit ein Leistungs- und Eignungsvorsprung gegenüber dem Beschwerdeführer zukomme. Entgegen der Auffassung der Gerichte ist diese Einschätzung mit den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG nicht vereinbar.
aa) Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Daraus folgt der Anspruch eines Beförderungsbewerbers auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung (vgl. BVerfGE 39, 334 ≪354≫; BVerfGK 1, 292 ≪295 f.≫).
Den für die Auswahlentscheidung maßgeblichen Leistungsvergleich der Bewerber hat der Dienstherr nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig anhand aussagekräftiger, also hinreichend differenzierter und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhender dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen (vgl. BVerwGE 124, 99 ≪103≫). Beziehen sich die Beurteilungen der konkurrierenden Bewerber auf unterschiedliche Statusämter, so wird in der Rechtsprechung vielfach – und so auch in den hier angegriffenen Entscheidungen – angenommen, dass bei formal gleicher Bewertung die Beurteilung des Beamten/Richters im höheren Statusamt grundsätzlich besser ist als diejenige des in einem niedrigeren Statusamt befindlichen Konkurrenten. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass an den Inhaber eines höheren statusrechtlichen Amtes von vornherein höhere Erwartungen zu stellen sind als an den Inhaber eines niedrigeren statusrechtlichen Amtes (vgl. etwa OVG RP, Beschluss vom 20.06.2000 – 10 B 11025/00 – mit weiteren Nachweisen; OVG NW, Beschluss vom 21.11.2005 – 1 B 1202/05 –; BayVGH, Beschluss vom 01.08.2006 – 3 CE 06.1241 –; speziell zu Richterämtern mit Leitungsfunktion OVG NW, Beschluss vom 03.09.1998 – 12 B 1474/98 –).
Diese Rechtsprechung ist grundsätzlich mit den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar. Durch die Verleihung eines höheren Amtes wird ein Beamter/Richter aus der Gruppe derjenigen herausgehoben, die vorher mit ihm das gleiche, geringer eingestufte Amt innehatten. Mit einem höheren Amt sind regelmäßig auch gesteigerte Anforderungen und ein größeres Maß an Verantwortung verbunden (vgl. BVerfGE 56, 146 ≪163 f.≫; 61, 43 ≪57≫).
Diese Einschätzung gilt indes nicht ausnahmslos. Der Grundsatz vom höheren Statusamt kann nicht schematisch auf jeden Fall einer Beförderungskonkurrenz zwischen zwei Beamten oder Richtern unterschiedlicher Statusämter angewendet werden. Vielmehr hängt das zusätzlich zu berücksichtigende Gewicht der in einem höheren Statusamt erteilten Beurteilung von den Umständen des Einzelfalls ab.
bb) Dies haben die vom Beschwerdeführer angerufenen Gerichte nicht erkannt. Die Auswahlentscheidung beruht in ihrer tragenden Erwägung, dem Beigeladenen komme im Bereich der Rechtsprechung ein Leistungs- und Eignungsvorsprung zu, auf einer schematischen Anwendung des Grundsatzes vom höheren Statusamt. Das Justizministerium hat insoweit die maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, insbesondere den Grund für die statusrechtliche Besserstellung des Beigeladenen, außer Acht gelassen.
Die statusrechtliche Besserstellung des Beigeladenen beruht ausschließlich auf der im Bereich des Oberlandesgerichts höheren Zahl an Richterplanstellen. Ihr kann daher Aussagekraft im Hinblick auf die Leistungen des Beigeladenen im Bereich der Verwaltungstätigkeit zukommen. Die statusrechtliche Besserstellung des Beigeladenen bietet indes keinen Ansatzpunkt für eine Differenzierung zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beigeladenen auf dem Gebiet der Rechtsprechung. Sie hängt in keiner Weise mit der rechtsprechenden Tätigkeit des Beigeladenen zusammen. Das Besoldungsrecht stuft die Spruchrichtertätigkeit des Beigeladenen als Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts und des Beschwerdeführers als Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts vielmehr als gleichwertig ein. Beide haben nach dem Inhalt ihrer Ämter im Bereich der Rechtsprechung die Aufgaben eines Vorsitzenden Richters an einem oberen Landesgericht zu erfüllen. Diese Tätigkeit ordnet das Besoldungsrecht – unabhängig davon, ob sie an einem Landesarbeitsgericht oder einem Oberlandesgericht ausgeübt wird – einheitlich der Besoldungsgruppe R 3 BBesG zu.
Die mit den angegriffenen Entscheidungen gebilligte Auswahlerwägung, dem Beigeladenen komme allein wegen seines höheren Statusamts im Bereich der Rechtsprechung ein Leistungsvorsprung zu, entbehrt daher einer tragfähigen Grundlage und ist mit dem Leistungsgrundsatz nicht vereinbar.
cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Tätigkeit eines Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht sei “durch die Vielfalt und Schwierigkeit der zur Entscheidung durch das Oberlandesgericht kommenden Verfahren” geprägt, weshalb der Beigeladene auch im Bereich der Rechtsprechung höheren Anforderungen gerecht werden müsse. Diese Einschätzung widerspricht den Wertungen des Besoldungsgesetzgebers und ist auch unter tatsächlichen Gesichtspunkten unzutreffend. Denn die angesprochene größere “Vielfalt und Schwierigkeit” der Fälle an einem Oberlandesgericht wird regelmäßig durch ein höheres Maß an Spezialisierung der dortigen Richter ausgeglichen.
dd) Die Annahme, dem Beigeladenen komme im Bereich der Rechtsprechungstätigkeit ein Leistungs- und Eignungsvorsprung zu, lässt sich auch nicht mit dem Argument rechtfertigen, der Beigeladene konkurriere in seinem höheren Statusamt typischerweise mit erfahreneren und leistungsfähigeren Richtern und müsse sich aus diesem Grund insgesamt an einem strengeren Maßstab messen lassen. Zwischen den Ämtern des Beigeladenen und des Beschwerdeführers besteht keine unmittelbare Beförderungshierarchie. Es kann daher auch nicht ohne weiteres vermutet werden, dass die leistungsstärkeren Richter über kurz oder lang in das höhere Amt gelangen.
ee) Zu berücksichtigen ist schließlich, dass Beschwerdeführer und Beigeladener vorliegend um ein Amt in der Arbeitsgerichtsbarkeit konkurrieren. Der Beigeladene verfügt indes nur über geringe praktische Erfahrung auf dem Gebiet des Arbeits- und Arbeitsprozessrechts, wohingegen der Beschwerdeführer seit mehr als 20 Jahren als Arbeitsrichter tätig ist. Auch aus diesem Grund hätte die Annahme, dem Beigeladenen komme ein Leistungsvorsprung im Bereich der rechtsprechenden Tätigkeit zu, einer besonderen Begründung bedurft. Das Justizministerium selbst ist im Übrigen anlässlich der ersten Auswahlentscheidung davon ausgegangen, dass praktische Erfahrung im Bereich des Arbeitsrechts als wesentliches Merkmal zum Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle gehört. In dem Besetzungsbericht vom 10. Februar 2005 heißt es jedenfalls, dass die fehlende praktische Erfahrung als Arbeitsrichter angesichts der in der Arbeitsgerichtsbarkeit bestehenden Besonderheiten der Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Richtern ein deutliches “Defizit” darstelle.
b) Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat zudem das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt, weil es über den Ablehnungsantrag nicht befunden, sondern in der Sache entschieden hat, als sich der wegen Befangenheit abgelehnte Senatsvorsitzende im Urlaub befand.
aa) Durch die in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgte Gewährleistung soll der Gefahr vorgebeugt werden, dass durch die Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter das Ergebnis einer Entscheidung beeinflusst werden könnte (vgl. BVerfGE 4, 412 ≪416 f.≫). Die Bestimmung fordert daher, dass sich der für den Einzelfall zuständige Richter möglichst eindeutig aus einer allgemeinen Norm ergeben muss (vgl. BVerfGE 48, 246 ≪253≫; 63, 77 ≪79≫). Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG steht einer Bestimmung des zuständigen Richters durch die Gerichte selbst indes nicht schlechthin entgegen. Vielmehr kann die Bestimmung der Richterbank in das Ermessen der Gerichte gestellt werden, wo dies aus Gründen einer geordneten Rechtspflege unvermeidbar ist (vgl. BVerfGE 18, 344 ≪350≫). Danach ist auch der Einfluss, den der Vorsitzende durch seine Befugnis zur Terminierung auf die Zusammensetzung der Richterbank gewinnen kann, grundsätzlich mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar; denn die Anberaumung der Gerichtstermine kann nicht ohne Rücksicht auf den Sach- und Streitstand festgelegt werden (vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 101 Rn. 49; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 5. Aufl. 2003, Art. 101 Rn. 40). Die Terminierung ist, um den von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erstrebten Zweck zu erreichen, aber gleichwohl einer Willkürkontrolle zu unterziehen.
bb) An diesen Maßstäben gemessen erweist sich die Festlegung des Beratungstermins auf den 1. November 2006 als Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Ein sachlicher Grund für diese Terminierung ist nicht ersichtlich; vielmehr erfolgte die Festlegung des Termins erkennbar nur zu dem Zweck, eine Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gegen den Senatsvorsitzenden zu vermeiden. Dies stellt einen Verstoß gegen die Regelungen des § 54 VwGO in Verbindung mit §§ 41 ff. ZPO über die Ablehnung von Gerichtspersonen dar. Denn ein nicht rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch ist stets vor der instanzabschließenden Sachentscheidung zu bescheiden (Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 46 Rn. 4 m.w.N.).
Dass die Terminierung zur Vermeidung einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch erfolgte, ergibt sich bereits aus dem zeitlichen Geschehensablauf. Der Vorsitzende des zuständigen Beamtenrechtssenats beantragte am 28. September 2006 – und damit rund einen Monat nach Stellung des gegen ihn gerichteten Ablehnungsgesuchs – Urlaub für die Zeit vom 27. Oktober bis zum 5. November 2006. Mit Schreiben vom 29. September 2006 kündigte der stellvertretende Vorsitzende des Senats an, dass mit einer Entscheidung im November 2006 zu rechnen sei, und verlängerte eine Stellungnahmefrist bis zum 23. Oktober 2006. Der Vorsitzende des Senats trat seinen Urlaub plangemäß am 27. Oktober 2006 an, kehrte indes bereits am 2. November 2006 in den Dienst zurück. Am Tag zuvor – dem 1. November 2006 – entschied der Senat ohne seinen Vorsitzenden und ohne vorherige Bescheidung des Ablehnungsgesuchs über die Beschwerde, und zwar durch Tenorbeschluss. Dessen Begründung lag erst am 9. November 2006 vor.
Gesichtspunkte, die diese ungewöhnliche Vorgehensweise, die Einfluss auf die Zusammensetzung des die Entscheidung tragenden Spruchkörpers entfaltet hat, rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Entscheidung über die Beschwerde keinen weiteren Aufschub geduldet hätte. Das Eilverfahren dauerte zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung bereits über siebeneinhalb Monate an. Auch das Ablehnungsgesuch war zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als zwei Monate anhängig. Schließlich war den Beteiligten gegenüber eine Entscheidung im Monat November angekündigt worden, so dass für eine Beschlussfassung während der Urlaubsabwesenheit des Vorsitzenden ein dringlicher Grund nicht bestand. In dieser Situation konnte der am letzten Tag der Urlaubsabwesenheit gefasste Tenorbeschluss nur den Zweck haben, eine Bescheidung des Befangenheitsgesuchs zu vermeiden.
cc) Auf diesem Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG beruht der angegriffene Beschluss des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 1. November 2006 auch.
Eine gerichtliche Entscheidung “beruht” auf einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG immer dann, wenn die Entscheidung ohne die Gesetzesverletzung möglicherweise anders ausgefallen wäre. Bei Verstößen im Rahmen der Terminsanberaumung ist dies der Fall, wenn das Gericht bei fehlerfreier Terminierung möglicherweise anders besetzt gewesen wäre. An einem Ursachenzusammenhang zwischen der fehlerhaften Terminsanberaumung und der Entscheidung fehlt es mithin nur dann, wenn mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht ohne den Fehler anders besetzt gewesen wäre (vgl. BVerfGE 4, 412 ≪417 f.≫).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es kann nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass bei Vermeidung des Verfahrensfehlers der Senatsvorsitzende an der Entscheidung über die Beschwerde mitgewirkt hätte. Der Beschwerdeführer hatte den Vorsitzenden vor allem wegen dessen Freundschaft zu dem für die Auswahlentscheidung verantwortlichen Justizminister als befangen abgelehnt. In diesem Umstand kann zwar ein Befangenheitsgrund liegen, die Entscheidung hierüber hängt aber von der Intensität der Bekanntschaft ab (vgl. etwa Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 42 Rn. 12 m.w.N.). Da das Land vorgetragen hat, es bestehe nur eine lockere Freundschaft zwischen dem abgelehnten Richter und dem Justizminister, kann vom Vorliegen eines Befangenheitsgrundes nicht mit hinreichender Sicherheit ausgegangen werden.
3. Da die Verfassungsbeschwerde bereits aufgrund dieser Rechtsverstöße Erfolg hat, kann offen bleiben, ob auch die übrigen vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen durchgreifen.
4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Hassemer, Di Fabio, Landau
Fundstellen
Haufe-Index 1717786 |
NVwZ 2007, 691 |
DRiZ 2008, 56 |
NZA 2007, 607 |
ZBR 2008, 35 |
ZTR 2007, 585 |
DÖV 2007, 610 |
AUR 2007, 136 |
AUR 2007, 184 |
DVBl. 2007, 563 |
SchuR 2007, 141 |
ThürVBl. 2007, 158 |