Verfahrensgang
BAG (Beschluss vom 20.02.2007; Aktenzeichen 5 AZA 15/06 (C) PKH) |
BAG (Beschluss vom 10.01.2007; Aktenzeichen 5 AZA 15/06 (A)) |
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Tatbestand
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Statthaftigkeit einer fachgerichtlichen Anhörungsrüge nach der Zurückweisung eines Richterablehnungsgesuchs.
1. Im Ausgangsverfahren verlangte der Beschwerdeführer von seiner Arbeitgeberin unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs Nachtarbeits- und Feiertagszuschläge. Das Landesarbeitsgericht verurteilte die Arbeitgeberin, an den Beschwerdeführer 1.942,56 € brutto nebst Zinsen zu zahlen; im Übrigen wies es die Klage ab. Der Beschwerdeführer beantragte beim Bundesarbeitsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht. Er bat außerdem um Mitteilung der Namen der Richter, die für die Entscheidung über den Antrag zuständig seien. Nach einem Hinweis- und Antwortschreiben eines Richters am Bundesarbeitsgericht lehnte der Beschwerdeführer diesen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Durch den angegriffenen Beschluss vom 10. Januar 2007 wies das Bundesarbeitsgericht das Ablehnungsgesuch zurück, weil die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründe ungeeignet seien, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen.
2. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Beschluss eine Anhörungsrüge und beantragte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für das Anhörungsrügeverfahren. Das Bundesarbeitsgericht verwarf die Anhörungsrüge durch den angegriffenen Beschluss vom 14. Februar 2007 als unzulässig. Sinn und Zweck der Anhörungsrüge sei es, dem Betroffenen die Fortführung eines rechtskräftig abgeschlossenen Rechtsstreits zu bieten, damit er bei einer festgestellten Beschneidung des rechtlichen Gehörs das nicht zur Kenntnis genommene Anliegen dem Gericht unterbreiten könne. Die Sicherstellung umfassenden Rechtsschutzes durch Kontrolle gerichtlicher Entscheidungen bedeute nicht, dass jeder nicht anfechtbare Beschluss auf Anhörungsrüge zu überprüfen sei, sondern nur diejenigen Entscheidungen, die ein Ersuchen um gerichtliche Entscheidung rechtskräftig beschieden hätten. Zwischenentscheidungen seien im Interesse einer zügigen Erledigung des Rechtsstreits vom Gesetzgeber gemäß § 78a Abs. 1 Satz 2 ArbGG bewusst nicht in den Anwendungsbereich der Anhörungsrüge einbezogen worden. Damit seien auch unanfechtbare Entscheidungen über Ablehnungsgesuche wegen Besorgnis der Befangenheit einer Anhörungsrüge nicht zugänglich.
Durch ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 20. Februar 2007 wies das Bundesarbeitsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Anhörungsrügeverfahren mangels hinreichender Erfolgsaussichten zurück.
3. Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde unter anderem die Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und von Art. 103 Abs. 1 GG.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
a) Der Zulässigkeit steht der aus § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG folgende Grundsatz der Subsidiarität nicht entgegen, auch wenn die angegriffenen Entscheidungen in einem der Sachentscheidung vorangehenden Zwischenverfahren ergangen sind.
aa) Eine Verfassungsbeschwerde gegen Zwischenentscheidungen ist zwar grundsätzlich ausgeschlossen, weil Verfassungsverstöße mit der Anfechtung der Endentscheidung gerügt werden können (vgl. BVerfGE 21, 139 ≪143≫). Der Grund für den Ausschluss fehlt allerdings, wenn bereits die Zwischenentscheidung zu einem bleibenden rechtlichen Nachteil für den Betroffenen führt, der später nicht oder jedenfalls nicht vollständig behoben werden kann (vgl. BVerfGE 101, 106 ≪120≫). Entscheidungen der Fachgerichte über Ablehnungsgesuche können zu solchen bleibenden rechtlichen Nachteilen führen und daher als Zwischenentscheidungen selbständig angreifbar sein (vgl. BVerfGE 21, 139 ≪143 f.≫). Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie Bindungswirkung für das weitere Verfahren entfalten, über eine wesentliche Rechtsfrage abschließend befinden und in weiteren Instanzen nicht mehr nachgeprüft und korrigiert werden können (vgl. BVerfGE 24, 56 ≪60 f.≫; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 27. November 2006 – 1 BvR 2719/06 –, NJW-RR 2007, S. 409).
bb) Bei dem Richterablehnungsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht handelt es sich um ein selbständiges Zwischenverfahren, dessen abschließende Entscheidungen mit der Verfassungsbeschwerde angefochten werden können. Diese Entscheidungen sind für das weitere letztinstanzliche Verfahren bindend. Sie können im Falle der Verfassungswidrigkeit der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs dazu führen, dass der Beschwerdeführer hinnehmen müsste, dass das weitere Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht von einem Richter betrieben würde, der nicht der gesetzliche im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wäre. Es besteht deshalb ein Rechtsschutzinteresse an einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung über die in diesem Zwischenverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht getroffenen Entscheidungen.
b) Diese Erwägungen gelten auch für die im Richterablehnungsverfahren ergangene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts über die vom Beschwerdeführer erhobene Anhörungsrüge. Da die Anhörungsrüge der Sicherung des Anspruchs der Prozesspartei auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG dient (vgl. BVerfGE 107, 395), kann ihre Zurückweisung oder Verwerfung eine eigenständige, verfassungsrechtlich erhebliche Beschwer bewirken, so dass diese fachgerichtlichen Entscheidungen zulässigerweise mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden können (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 14. März 2007 – 1 BvR 2748/06 –, NJW 2007, S. 2241; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 4. April 2007 – 1 BvR 66/07 –, NZA 2007, S. 1124; anders BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Juli 2007 – 2 BvR 496/07 –, zu § 356a StPO).
2. Der die Anhörungsrüge als unzulässig verwerfende Beschluss des Bundesarbeitsgerichts ist mit dem Recht des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und mit seinem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG unvereinbar. Gleichwohl ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde nicht angezeigt.
a) Aus dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und auf rechtliches Gehör ergeben sich verfassungsrechtliche Anforderungen an die Auslegung und Anwendung des § 78a ArbGG.
aa) Art. 103 Abs. 1 GG steht in einem funktionalen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie (vgl. BVerfGE 81, 123 ≪129≫), aufgrund derer die Gerichte durch ihre Auslegung und Anwendung des Prozessrechts den Beteiligten den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren dürfen (vgl. BVerfGE 77, 275 ≪284≫). Während die Rechtsschutzgarantie den Zugang zum Verfahren sichert, zielt Art. 103 Abs. 1 GG auf einen angemessenen Ablauf des Verfahrens: Wer bei Gericht formell ankommt, soll auch substantiell ankommen, also wirklich gehört werden. Wenn ein Gericht im Verfahren einen Gehörsverstoß begeht, vereitelt es die Möglichkeit, eine Rechtsverletzung vor Gericht effektiv geltend zu machen (vgl. BVerfGE 107, 395 ≪409≫). Die nähere Ausgestaltung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG bleibt grundsätzlich den einzelnen Verfahrensordnungen überlassen (vgl. BVerfGE 74, 228 ≪233≫; 89, 28 ≪35≫). Dabei können die einfachrechtlichen Gewährleistungen des rechtlichen Gehörs in den Verfahrensordnungen über das spezifisch verfassungsrechtlich gewährleistete Ausmaß an rechtlichem Gehör hinausreichen. Insoweit stellt eine Verletzung einfachrechtlicher Bestimmungen nicht zwangsläufig zugleich einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dar (vgl. BVerfGE 60, 305 ≪310 f.≫). Jedoch gebietet Art. 103 Abs. 1 GG, dass sowohl die normative Ausgestaltung des Verfahrensrechts als auch das gerichtliche Verfahren im Einzelfall ein Ausmaß an rechtlichem Gehör eröffnen, das sachangemessen ist, um dem in bürgerlichrechtlichen Streitigkeiten aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Erfordernis eines wirkungsvollen Rechtsschutzes gerecht zu werden, und das den Beteiligten die Möglichkeit gibt, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (vgl. BVerfGE 74, 228 ≪233≫). Die Verletzung einer entsprechenden Verfahrensbestimmung stellt deshalb zugleich einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dar, wenn das Gericht bei der Auslegung oder Anwendung der Verfahrensbestimmung die Bedeutung oder Tragweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör verkannt hat (vgl. BVerfGE 74, 228 ≪233≫).
Nach dem Plenarbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 gebietet der allgemeine Justizgewährungsanspruch eine fachgerichtliche Abhilfe bei Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör (vgl. BVerfGE 107, 395 ≪407≫). Ist ein Rechtsmittel gegen die gerichtliche Entscheidung gegeben, das auch zur Überprüfung der behaupteten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör führen kann, ist dem Anliegen der Justizgewährung hinreichend Rechnung getragen. Erfolgt die behauptete Verletzung des Verfahrensgrundrechts in der letzten in der Prozessordnung vorgesehenen Instanz und ist der Fehler entscheidungserheblich, muss die Verfahrensordnung eine eigenständige gerichtliche Abhilfemöglichkeit vorsehen (vgl. BVerfGE 107, 395 ≪410 f.≫).
bb) § 78a ArbGG soll die Einhaltung dieser spezifischen verfassungsrechtlichen Anforderungen im arbeitsgerichtlichen Verfahren gewährleisten (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 4. April 2007 – 1 BvR 66/07 –, NZA 2007, S. 1124). Die Norm eröffnet bei behaupteten Gehörsverletzungen die Möglichkeit einer fachgerichtlichen Kontrolle, indem § 78a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ArbGG die Anhörungsrüge als statthaften Rechtsbehelf vorsieht, wenn kein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung gegeben ist. Allerdings findet nach § 78a Abs. 1 Satz 2 ArbGG die Anhörungsrüge gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung nicht statt. Die Regelung des § 78a ArbGG wurde in Anlehnung an den nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Plenarbeschluss vom 30. April 2003 (BVerfGE 107, 395) erweiterten § 321a ZPO formuliert (vgl. BTDrucks 15/3706, S. 21). In der Begründung des Gesetzentwurfs zu der dem § 78a Abs. 1 Satz 2 ArbGG entsprechenden Regelung des § 321a Abs. 1 Satz 2 ZPO heißt es (vgl. BTDrucks 15/3706, S. 16):
Absatz 1 Satz 2 begrenzt den – erweiterten – Anwendungsbereich des § 321a ZPO-E mit Blick auf diejenigen Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgehen (Zwischenentscheidungen). Die Endentscheidung wird in der Regel das Endurteil sein; in Betracht kommen jedoch auch Beschlüsse, die entweder die Instanz im Hauptsacheverfahren oder aber einen Beschwerderechtszug abschließen. Nur gegenüber solchen Entscheidungen eröffnet der Entwurf die Möglichkeit der Anhörungsrüge. Grund hierfür ist zum einen, dass erst zum Zeitpunkt der Endentscheidung feststellbar ist, ob die Partei, deren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde, durch die Entscheidung beschwert ist (Satz 1 erster Halbsatz) und ob die Gehörsverletzung entscheidungserheblich war (Satz 1 Nr. 2). Zum anderen würde die Einbeziehung von Zwischenentscheidungen in den Anwendungsbereich des § 321a ZPO-E nicht angemessen berücksichtigen, dass die ZPO die isolierte Anfechtung von Zwischenentscheidungen im Interesse einer zügigen Erledigung des Rechtsstreits bewusst einschränkt.
cc) Wie weit die Einschränkung der Statthaftigkeit der Anhörungsrüge durch § 78a Abs. 1 Satz 2 ArbGG beziehungsweise durch die Parallelvorschriften anderer Verfahrensordnungen gehen soll, ist in der fachgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum umstritten.
So hat der Bundesfinanzhof eine Anhörungsrüge gegen einen Beschluss über eine Richterablehnung ausdrücklich als statthaft bezeichnet (Beschluss vom 4. Mai 2006 – VI S 5/06 –, Juris, zu § 133a FGO). Demgegenüber haben der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 19. Juni 2006 – 26 B 02.2372 –, Juris, zu § 152a VwGO), das Oberverwaltungsgericht Berlin (Beschluss vom 3. Februar 2005 – 2 RB 1.05, 2 B 14.04 –, NVwZ 2005, S. 470 ≪471≫, zu § 152a VwGO) und das Finanzgericht Düsseldorf (Beschluss vom 4. Mai 2005 – 13 K 5501/03 E –, Juris, zu § 133a FGO) entschieden, dass eine Anhörungsrüge in derartigen Fällen unstatthaft sei.
Auch in der Kommentarliteratur finden sich zur Statthaftigkeit der Anhörungsrüge bei Zwischenentscheidungen unterschiedliche Auffassungen (vgl. nur Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 321a Rn. 5; Meyer-Holz, in: Keidel/Kunze/Winkler, FGG, Nachtrag zur 15. Aufl. 2005, § 29a Rn. 8; Ruban, in: Gräber, FGO, 6. Aufl. 2006, § 133a Rn. 6; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 152a Rn. 7; Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 152a Rn. 9; Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: April 2006, § 152a Rn. 20; Berchtold, in: Hennig, SGG, Stand: November 2006, § 178a Rn. 55 ff.).
b) Der die Anhörungsrüge als unzulässig verwerfende Beschluss des Bundesarbeitsgerichts wird den aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und durch Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Vorgaben nicht gerecht. Er beruht auf einer verfassungsrechtlich erheblichen Fehlerhaftigkeit der Auslegung und Anwendung des § 78a Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Diese fehlerhafte Rechtsanwendung hat im Ergebnis bewirkt, dass für den Beschwerdeführer der verfassungsrechtlich gebotene fachgerichtliche Schutz vor behaupteten Gehörsverletzungen nicht wirksam werden konnte.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Regelung des § 78a Abs. 1 Satz 2 ArbGG in verfassungsrechtlich nicht vertretbarer Weise angewendet, indem es angenommen hat, dass es sich bei der Zurückweisung des Richterablehnungsgesuchs um eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung im Sinne dieser Norm gehandelt habe. Eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift unter Berücksichtigung der Vorgaben der Plenarentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 (BVerfGE 107, 395) ergibt, dass es sich beim Richterablehnungsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht um ein selbständiges Zwischenverfahren handelt, das durch die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs endet, so dass der Zurückweisungsbeschluss insoweit eine mit der Anhörungsrüge angreifbare Endentscheidung darstellt. Das davon abweichende Verständnis des Bundesarbeitsgerichts führte dazu, dass bei behaupteten Gehörsverletzungen eine verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare Rechtsschutzlücke im fachgerichtlichen Verfahren bestehen bliebe, die durch das Anhörungsrügengesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl I S. 3220) gerade beseitigt werden sollte, um den Vorgaben der Plenarentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 (BVerfGE 107, 395) gerecht zu werden.
Fachgerichtlicher Rechtsschutz gegen eine mögliche Gehörsverletzung im Zwischenverfahren der Richterablehnung ist – wie bei allen sonstigen Zwischenverfahren auch – nach dem Grundsatz wirkungsvollen Rechtsschutzes in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG dann notwendig, wenn in diesem Zwischenverfahren abschließend und mit Bindungswirkung für das weitere Verfahren über den Antrag befunden wird und die Entscheidung später nicht mehr im Rahmen einer Inzidentprüfung korrigiert werden kann. Dies ist bei der Ablehnung eines Richters am Bundesarbeitsgericht der Fall. Die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs wird im Rahmen der anschließenden Sachentscheidung nicht noch einmal auf ihre Richtigkeit oder auf mögliche Gehörsverletzungen im Ablehnungsverfahren überprüft. Rechtsbehelfe, mit deren Hilfe der Antragsteller eine Korrektur der Entscheidung herbeiführen könnte, stehen nicht zur Verfügung.
Ließe man die Anhörungsrüge bei entsprechender Auslegung des § 78a Abs. 1 Satz 2 ArbGG auch bei einer derartigen, ein selbständiges Zwischenverfahren abschließenden Entscheidung nicht zu, könnte die dadurch entstehende, mit den im Plenarbeschluss vom 30. April 2003 (BVerfGE 107, 395) dargelegten Grundsätzen unvereinbare Rechtsschutzlücke im fachgerichtlichen Verfahren nicht beseitigt werden, indem der Antragsteller auf die Möglichkeit einer Anhörungsrüge gegen die spätere abschließende Sachentscheidung verwiesen würde. Die behauptete Gehörsverletzung im Zwischenverfahren der Richterablehnung könnte mit einer Anhörungsrüge gegen die spätere Sachentscheidung nicht mehr in geeigneter, den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügender Weise geltend gemacht werden.
Einer erst nach der abschließenden Sachentscheidung eingelegten Anhörungsrüge könnte entgegengehalten werden, es könne nicht verlässlich festgestellt werden, dass die behauptete, im vorangegangenen Zwischenverfahren geschehene Gehörsverletzung in entscheidungserheblicher Weise das Ergebnis der Sachentscheidung beeinflusst habe. Ob es sich zu Lasten des Antragstellers ausgewirkt hat, dass an der Sachentscheidung ein Richter beteiligt war, dessen Ablehnung möglicherweise unter Verletzung des rechtlichen Gehörs zurückgewiesen worden war, könnte kaum beurteilt werden. Die Begründung für den Ausschluss der Anhörungsrüge bei bloßen Zwischenentscheidungen, die Entscheidungserheblichkeit könne erst zum Zeitpunkt der späteren Sachentscheidung festgestellt werden, greift bei der im weiteren Verfahren nicht mehr zu überprüfenden Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs gerade nicht.
Die behauptete Gehörsverletzung muss deshalb vor einer Fortsetzung des zur abschließenden Sachentscheidung führenden Verfahrens einer fachgerichtlichen Überprüfung zugeführt werden können. Insofern laufen die Maßstäbe zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen selbständige Zwischenentscheidungen mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die fachgerichtliche Beurteilung der Statthaftigkeit einer Anhörungsrüge gegen die ein Zwischenverfahren beendende Entscheidung gleich.
Die Einschränkung der Anhörungsrüge nach der Vorschrift des § 78a Abs. 1 Satz 2 ArbGG – und der Parallelvorschriften anderer Verfahrensordnungen – ist daher bei verfassungskonformer Auslegung auf solche Zwischenentscheidungen zu begrenzen, die im Hinblick auf mögliche Gehörsverletzungen im weiteren fachgerichtlichen Verfahren noch überprüft und korrigiert werden können, ohne dass es zur Erlangung des verfassungsrechtlich gebotenen fachgerichtlichen Rechtsschutzes der Erhebung einer Anhörungsrüge bedürfte. Insoweit kann dem gesetzgeberischen Willen, den Anwendungsbereich der Anhörungsrüge zur Vermeidung unerwünschter Verfahrensverzögerungen auf “Endentscheidungen” zu beschränken, Rechnung getragen werden. Der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG steht aber einer Auslegung der Norm entgegen, nach der Entscheidungen, die ein selbständiges Zwischenverfahren abschließen, nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden könnten.
c) Obwohl die Verwerfung der Anhörungsrüge als unzulässig mit Verfassungsrechten des Beschwerdeführers nicht im Einklang steht, ist eine Annahme der Verfassungsbeschwerde aufgrund der Umstände des Einzelfalls nicht angezeigt.
Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Sie wirft keine Fragen auf, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lassen oder die noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt sind (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24 f.≫). Die Anforderungen an den fachgerichtlichen Rechtsschutz bei behaupteten Gehörsverletzungen ergeben sich aus dem Plenarbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 (BVerfGE 107, 395).
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung von in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechten des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Weder für die Richterablehnung noch für die anschließende Anhörungsrüge des Beschwerdeführers mit ihrer konkreten Begründung gab es einen vernünftigen Anlass. Auch mit der Anhörungsrüge hat der Beschwerdeführer nicht auf Vorbringen verwiesen, das die Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters hätte stützen können. Da mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass seine Anträge hätten Erfolg haben können, führte auch die Verwerfung der Anhörungsrüge als unzulässig nicht zu einem die Annahme der Verfassungsbeschwerde rechtfertigenden Nachteil (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪26≫).
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts war mangels hinreichender Erfolgsaussicht abzulehnen.
4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Hohmann-Dennhardt, Hoffmann-Riem, Bryde, Gaier, Eichberger, Schluckebier, Kirchhof
Fundstellen
Haufe-Index 1853570 |
BVerfGE 2008, 292 |
NZA 2008, 1201 |
MDR 2008, 223 |