Verfahrensgang

Hessischer VGH (Aktenzeichen 2 UE 3713/95)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 07.03.2002; Aktenzeichen 1 BvR 1321/00)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Februar 2000 wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu je einem Drittel.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die die Klägerinnen ihr beimessen.

1.1 Die Beschwerde wirft die Frage auf, ob die Regelung in § 149 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 2 und Abs. 5 BBergG, nach der Bergwerkseigentum erlischt, wenn der Eigentümer das Recht nicht innerhalb der Frist des § 149 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 2 Nr. 1 BBergG bei der zuständigen Behörde angezeigt hat, gegen Art. 14 GG verstößt. Die Beschwerde wendet sich damit im Kern gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, § 149 Abs. 5 BBergG, der das vollständige Erlöschen von Bergwerkseigentum nach Versäumung der gesetzlichen Anzeigefrist regele, stelle eine Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar, die aus Gründen des öffentlichen Interesses und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sei. Die aufgeworfene Frage und die im Anschluss an sie von der Beschwerde gestellten Einzelfragen zur Verfassungsmäßigkeit von § 149 Abs. 5 BBergG sind nicht in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig, weil sie auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als geklärt anzusehen sind.

Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach entschieden, daß die gesetzliche Anordnung von Antrags- oder Anmeldefristen, deren Versäumung zum vollständigen Erlöschen des betroffenen Anspruchs oder Rechts führt, nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu beurteilen ist. Eine Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG) könne in dem Verlust des Rechts jedenfalls dann nicht erblickt werden, wenn das betreffende Recht infolge des ihm zugrundeliegenden Sachverhaltes ohnehin besonders geltend gemacht werden müsse und sein Erlöschen vom Berechtigten binnen angemessener Frist und in einfacher, leicht zu erfüllender Form verhindert werden könne (vgl. BVerfG, Beschluß vom 8. Oktober 1985 – BVerfGE 70, 278 ≪285 f.≫; s. auch BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluß vom 20. Oktober 1998 – VIZ 1999, 146). Im Beschluß vom 27. Juli 1987 – 1 BvR 995/86 – (Zeitschrift für Bergrecht 1988, 80) hat das Bundesverfassungsgericht die Einführung des Bestätigungsverfahrens in § 149 BBergG als Eigentumsregelung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gewürdigt.

Liegt dem Erlaß eines Gesetzes wie hier dem Bundesberggesetz das Bestreben zu einer Vereinheitlichung und Neuordnung eines Rechtsgebiets zugrunde, steht der Gesetzgeber nicht vor der Alternative, alte Rechtspositionen zu konservieren oder gegen Entschädigungen zu entziehen. Er kann im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch eine angemessene und zumutbare Überleitungsregelung individuelle Rechtspositionen umgestalten. Selbst die völlige Beseitigung bisher bestehender, durch die Eigentumsgarantie geschützter Rechtspositionen kann unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein (vgl. BVerfG, Beschluß vom 19. Juni 1985 – BVerfGE 70, 191 ≪201≫; Beschluß vom 9. Januar 1991, BVerfGE 83, 201 ≪212≫ m.w.N.). Der Eingriff in die nach früherem Recht entstandenen Rechte muß jedoch durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein. Die Gründe des öffentlichen Interesses, die für einen solchen Eingriff sprechen, müssen so schwerwiegend sein, daß sie Vorrang haben vor dem Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand seines Rechts (BVerfG, Beschluß vom 8. Oktober 1985, a.a.O., S. 286, und Beschluß vom 9. Januar 1991, a.a.O., S. 212). Die völlige übergangs- und ersatzlose Beseitigung einer Rechtsposition kann nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht kommen. Durch das bloße Bedürfnis nach Rechtseinheit im Zuge einer Neuregelung wird sie nicht gerechtfertigt (BVerfG, Beschluß vom 9. Januar 1991, a.a.O., S. 213 m.w.N.).

Das Bundesverfassungericht hat keinen Anlaß gesehen, nach diesem Beurteilungsmaßstab die Verfassungsmäßigkeit des Bestätigungsverfahrens nach § 149 BBergG in Zweifel zu ziehen. In seinem Beschluß vom 27. Juli 1987 (a.a.O., S. 80 f.) hat es vielmehr ausgeführt, der Gesetzgeber habe mit der Einführung dieses Bestätigungsverfahrens u.a. eine Art „Flurbereinigung” durch den Wegfall nur noch formal existierender Bergbauberechtigungen bezweckt, um eine möglichst sinnvolle, planmäßige und umfassende Nutzbarmachung der vorhandenen Rohstoffreserven zu fördern. Wenn das Gesetz zur Erreichung dieses im öffentlichen Interesse aufgestellten Ziels eine lückenlose Bestandsaufnahme der bestehenden alten Rechte und Verträge unter Auferlegung von Mitwirkungsobliegenheiten für die Berechtigten vorsehe, halte sich dies innerhalb der dem Gesetzgeber in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch das Gebot sachgerechten Ausgleichs gezogenen Grenzen. Damit sind die von der Beschwerde zu Art. 14 GG aufgeworfenen Fragen im Grundsatz beantwortet. Einen darüber hinausreichenden Klärungsbedarf rechtsgrundsätzlicher Art zeigt die Beschwerde nicht auf.

1.2 Auch die weiteren von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen, ob die Anzeige des Bergwerkseigentümers gemäß § 149 Abs. 1 b, Abs. 2 BBergG durch die Mitteilung des Grundbuchamtes an die nach dem Bundesberggesetz zuständige Behörde betreffend eine erfolgte Grundbuchumschreibung ersetzt werden kann und ob die zuständige Behörde verpflichtet ist, den Bergwerkseigentümer auf die Frist gemäß § 149 BBergG hinzuweisen, sind nicht in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig. Die erste Frage läßt sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 149 Abs. 1 und 2 BBergG ist nur der Inhaber des Rechts zur Anzeige berechtigt. Hierzu zählt das Amtsgericht nicht. Eine Zurechnung durch Annahme einer Vertretung o.ä. scheidet aus den vom Berufungsgericht dargelegten Gründen offenkundig aus. Hinsichtlich der behaupteten Hinweispflicht zeigt die Beschwerde schon keine in verallgemeinerungsfähiger Weise zu beantwortende Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Zudem ist die Frage nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn eine Hinweispflicht angenommen werden müsste, würde hierdurch die nach dem Bundesberggesetz erforderliche Anzeige nicht ersetzt.

2. Die Divergenzrüge genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn sich das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat.

Die Beschwerde macht geltend, die Vorinstanz sei von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Januar 1991 – 1 BvR 929/89 – (BVerfGE 83, 201) abgewichen. Sie zeigt indes nicht auf, mit welchem Rechtssatz das Berufungsgericht von der Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts abgewichen sein soll. Eine solche Abweichung liegt auch in der Sache nicht vor. Denn das Berufungsgericht hat – ausgehend von den vom Bundesverfassungsgericht in der angegebenen Entscheidung aufgezeigten Maßstäben – untersucht, ob das Anzeigeverfahren in § 149 BBergG verfassungsgemäß ist. Während das Bundesverfassungsgericht in Anwendung dieser Maßstäbe die Beseitigung von Vorkaufsrechten durch das Bundesberggesetz jedenfalls dann für mit Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbar erklärt hat, wenn der Vorkaufsfall bereits eingetreten war, hält das Berufungsgericht das Anzeigeverfahren in § 149 BBergG für verfassungsgemäß. Darin liegt kein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 14 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Berkemann, Halama, Rojahn

 

Fundstellen

NVwZ-RR 2000, 836

NuR 2000, 637

ZfB 2000, 295

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