Entscheidungsstichwort (Thema)
Straßenrechtlicher Planfeststellungsbeschluss. Naturschutzverein. Verbandsklagerecht. Rügebefugnis. Planrechtfertigung. fachplanerische Zielkonformität. Finanzierbarkeit des Vorhabens
Leitsatz (amtlich)
Ein anerkannter Naturschutzverein ist nicht befugt, als Unterfall mangelnder Planrechtfertigung eines Straßenbauvorhabens dessen fehlende Finanzierbarkeit zu rügen.
Normenkette
BNatSchG §§ 60, 61 Abs. 1, 2 Nr. 1; FStrG a.F. § 17 Abs. 1
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 10.11.2008; Aktenzeichen 7 KS 1/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger zu 1 und 2 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 10. November 2008 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kläger zu 1 und 2 je zur Hälfte.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.
Rz. 2
1. Die von den Klägern als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichneten Fragen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO),
“Gewährt das naturschutzrechtliche Verbandsklagerecht einen Anspruch auf gerichtliche Prüfung der Planrechtfertigung?”
und
“Ist die Frage fehlender Finanzierbarkeit und damit Realisierbarkeit eines Vorhabens innerhalb des für die Planfeststellung maßgeblichen Zeitraums eine haushaltsrechtliche Frage und damit zugleich nicht eine Frage der Planrechtfertigung?”
rechtfertigen – ausgehend von der Begründung des angefochtenen Urteils (vgl. NuR 2009, 188 ff.) – nicht die Zulassung der Revision.
Rz. 3
Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, die Kläger zu 1 und 2, zwei anerkannte Naturschutzverbände i.S.v. § 60 BNatSchG, könnten aufgrund ihres naturschutzrechtlichen Verbandsklagerechts nicht die Rüge mangelnder Planrechtfertigung des Vorhabens erheben. Der seinerzeitige Kläger zu 3, ein von dem Straßenbauvorhaben mittelbar Betroffener, könne nur die Planrechtfertigung im Sinne der fachplanerischen Zielkonformität zur Prüfung stellen; diese ergebe sich hier aus der Ausweisung des Vorhabens im gesetzlichen Bedarfsplan. Die von den Klägern problematisierte Finanzierbarkeit des Vorhabens wegen dessen Einstufung im Bundesverkehrswegeplan in die Kategorie des “weiteren Bedarfs” sei keine Frage der fachplanerischen Zielkonformität nach dem Straßenrecht, sondern eine haushaltsrechtliche Frage, die nicht dem Rügerecht des Klägers zu 3 unterfalle und auch nicht von der auf naturschutzrechtliche Belange beschränkten Rügebefugnis der Kläger zu 1 und 2 erfasst werde.
Rz. 4
Diese Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zeigen – soweit für die Beschwerde entscheidungserheblich – keinen höchstrichterlichen Klärungsbedarf auf. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass jede staatliche Planung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Planrechtfertigung bedarf. In diesem Rahmen ist zu prüfen, ob für das konkrete Vorhaben ein Bedarf besteht, d.h. ob es gemessen an den Zielsetzungen des jeweiligen Fachgesetzes – bei Bundesfernstraßen mithin gemessen an den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG – vernünftigerweise geboten ist (sog. fachplanerische Zielkonformität). Soweit die Erforderlichkeit und zeitliche Dringlichkeit eines Vorhabens in einem vom Gesetzgeber beschlossenen Bedarfsplan konkretisiert worden ist, ist diese Festlegung nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich (stRspr, vgl. Urteile vom 8. Juni 1995 – BVerwG 4 C 4.94 – BVerwGE 98, 339 ≪345 ff.≫ und vom 12. März 2008 – BVerwG 9 A 3.06 – BVerwGE 130, 299 Rn. 41 f.). Die Planrechtfertigung fehlt auch einem Vorhaben, das wegen mangelnder Finanzierbarkeit objektiv nicht realisierungsfähig ist; dann ist die Planung verfrüht und deshalb unzulässig (stRspr, vgl. Urteile vom 24. November 1989 – BVerwG 4 C 41.88 – BVerwGE 84, 123 ≪128≫ = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 85 S. 63, vom 20. Mai 1999 – BVerwG 4 A 12.98 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 154 S. 30 f. = NVwZ 2000, 555 ≪558≫ und vom 15. Januar 2004 – BVerwG 4 A 11.02 – BVerwGE 120, 1 ≪5≫; Beschluss vom 21. März 2006 – BVerwG 9 B 18.05 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 190 Rn. 3).
Rz. 5
Hiernach war die erste Frage für das Oberverwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich, soweit es um die fachplanerische Zielkonformität des Vorhabens als Teilaspekt der Planrechtfertigung geht; sie wäre es auch nicht in dem angestrebten Revisionsverfahren. Denn ausweislich der Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts wäre der Einwand mangelnder Planrechtfertigung des Vorhabens wegen fehlender fachplanerischer Zielkonformität – eine dahin gehende Rügebefugnis der Kläger zu 1 und 2 unterstellt – auch in der Sache ohne Erfolg geblieben.
Rz. 6
Die zweite Frage geht in der konkreten Formulierung an den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts vorbei und ist daher in dieser Form ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Die Beschwerde erweckt mit ihrer Fragestellung den Eindruck, das Oberverwaltungsgericht hätte, indem es die Finanzierbarkeit eines Vorhabens als haushaltsrechtliche Frage bezeichnet, diese als einen nicht im Rahmen der Planrechtfertigung zu prüfenden Aspekt angesehen. Dem ist nicht so. Das Oberverwaltungsgericht behandelt sowohl die Frage der fachplanerischen Zielkonformität des Planvorhabens (Gliederungspunkt 2.2.1 der Entscheidungsgründe) als auch die seiner Finanzierbarkeit (Gliederungspunkt 2.2.2) erkennbar – und zu Recht – als Unterfälle der Planrechtfertigung (Gliederungspunkt 2.2). Es hält aber sämtliche Kläger nicht für befugt, die angeblich fehlende Finanzierbarkeit des Vorhabens zu rügen. Für den seinerzeitigen Kläger zu 3 als mittelbar Betroffenen geht es davon aus, dass dieser die Planrechtfertigung nur unter dem (Teil-)Aspekt der fachplanerischen Zielkonformität rügen könne (wozu die Finanzierbarkeit nicht gehöre), für die Kläger zu 1 und 2 verneint es ein Rügerecht, weil die Frage der Finanzierung keinen Bezug zu naturschutzrechtlichen Belangen habe.
Rz. 7
Entscheidungserheblichkeit kommt beiden Fragen nur zu, wenn man sie zugunsten der Kläger dahin versteht, dass die Beschwerde sinngemäß für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig hält, ob anerkannte Naturschutzvereine als Unterfall mangelnder Planrechtfertigung die fehlende Finanzierbarkeit eines Vorhabens rügen können. Diese Frage kann bereits anhand des Gesetzeswortlauts beantwortet, nämlich verneint werden, ohne dass es dazu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Rz. 8
Anerkannte Naturschutzvereine i.S.v. § 60 BNatSchG können nach näherer Maßgabe von § 61 BNatSchG gegen Planfeststellungsbeschlüsse über Vorhaben, die mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind, Klage erheben mit der Rüge, der Erlass des Planfeststellungsbeschlusses widerspreche dort näher bezeichneten naturschutzrechtlichen Vorschriften. Schon aus dem Wortlaut der Norm, namentlich aus der letzten Alternative des § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG, wird deutlich, dass das damit beschriebene Verbandsklagerecht nur dazu dient, ganz bestimmten Rechtsvorschriften zur Beachtung und Durchsetzung zu verhelfen, nämlich solchen, “die zumindest auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind”. Die Rüge, die Finanzierung eines Vorhabens sei nicht gesichert, steht in keinem Zusammenhang mit Rechtsvorschriften mit naturschutzbezogener Zweckbestimmung. Ob, wann, in welcher zeitlichen Reihenfolge und in welchem Umfang Mittel aus dem (Bundes-)Haushalt für ein Straßenbauvorhaben bereit gestellt werden, ist eine ausschließlich haushaltspolitische und haushaltsrechtliche Entscheidung. Dem Naturschutz dienende Rechtsvorschriften, zu deren Durchsetzung den anerkannten Naturschutzverbänden das eingeschränkte Klagerecht nach den Maßgaben des § 61 BNatSchG verliehen ist, sind davon nicht berührt.
Rz. 9
2. Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass die behauptete Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Mai 1999 (a.a.O.) nicht vorliegt. Einen abstrakten Rechtssatz, die fehlende Finanzierbarkeit und damit Realisierbarkeit des Vorhabens sei keine Frage der Planrechtfertigung, enthält die angefochtene Entscheidung nicht.
Rz. 10
3. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts leidet auch nicht an einem von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Rz. 11
a) Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass das FFH-Gebiet Nr. 138 “Göttinger Wald” nicht erheblich beeinträchtigt werde i.S.v. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL, § 34 Abs. 2 BNatSchG, § 34c Abs. 2 NNatG, weil die durch das Vorhaben verursachten Flächenverluste des Lebensraumtyps 9130 Waldmeister-Buchenwald deutlich unterhalb der maßgeblichen Bagatellschwelle von 2 500 m2 des als Orientierungshilfe dienenden Fachkonventionsvorschlags liege. Dabei geht das Oberverwaltungsgericht davon aus, dass durch das Vorhaben lediglich 1 500 m2 des Lebensraumtyps 9130 Waldmeister-Buchenwald verloren gehen und dass weitere 1 050 m2, die die Kläger ebenfalls diesem Lebensraumtyp zugeordnet wissen wollen und als zusätzlich beeinträchtigt sehen, nicht zu berücksichtigen seien, weil es sich insoweit lediglich um angepflanztes Gebüsch aus heimischen Gehölzen handele. Die Beschwerde rügt insoweit einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO), weil das Oberverwaltungsgericht einen (Hilfs-) Beweisantrag, Stellungnahmen bzw. Zeugnisse näher bezeichneter Personen einzuholen, denen zufolge weitere Bereiche des erwähnten Lebensraumtyps im geplanten Trassenbereich vorhanden seien, zu Unrecht abgelehnt habe. Darin liege zugleich eine Verletzung des Anspruchs der Kläger auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO). Beide Rügen sind unberechtigt.
Rz. 12
Der zwischen den Beteiligten und deren Gutachtern bzw. Sachbeiständen ausgetragene Streit darüber, ob eine weitere Fläche von 1 050 m2 ebenfalls dem Lebensraumtyp 9130 Waldmeister-Buchenwald zuzuordnen ist oder nicht, beruht – wie der Sachbeistand der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht selbst zutreffend beschrieben hat – im Kern darauf, dass beide Seiten ihrer jeweiligen Beurteilung unterschiedliche Kriterien (“Schlüssel”) für die Zuordnung der fraglichen Fläche zu dem genannten Lebensraumtyp zugrunde legen und sie uneins darüber sind, ob der in der Örtlichkeit vorhandene Bewuchs diese Kriterien erfüllt (Protokoll vom 26. Juni 2008 S. 3, Protokoll vom 28. Oktober 2008 S. 7). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht der Planfeststellungsbehörde bei der Erfassung eines konkreten Naturraums und dessen Zuordnung zu einem Lebensraumtyp der Habitatrichtlinie eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu. Denn die Beurteilung, ob ein konkreter Befund im Naturraum einem in der FFH-Richtlinie aufgeführten Lebensraumtyp entspricht und – wenn ja – welchem, erfordert eine wertende Zuordnung, die angesichts der Bandbreite von Erscheinungsformen und Kategorien der Pflanzensoziologie vielfach schwierig ist und über die auch Sachverständige unterschiedlicher Auffassung sein können. Angesichts der Vielzahl von Arten, die zudem in wechselnden, gemischten oder im Entstehen bzw. Absterben befindlichen Erscheinungsformen auftreten können, ist eine gerichtliche Kontrolle der konkreten Zuordnungsentscheidung nur eingeschränkt dahin gehend möglich, ob diese vertretbar, d.h. plausibel und stimmig erscheint (Urteil vom 12. März 2008 – BVerwG 9 A 3.06 – BVerwGE 130, 299 Rn. 74).
Rz. 13
Ausgehend von diesem rechtlichen Maßstab, der auch der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zugrunde liegt, genügt die Beschwerde nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), weil sie nicht darlegt, dass und warum die auf sachverständige Beratung gestützte Einschätzung der Beklagten nicht (mindestens) vertretbar sein soll. Die Beschwerde erschöpft sich vielmehr darin, den “Konflikt in den Bewertungen aufgrund unterschiedlicher zugrunde gelegter Maßstäbe” aufzuzeigen und bestimmte von der Beklagten benannte “Ausschlusskriterien” für die Einstufung des Lebensraumtyps in Abrede zu stellen, mithin der Einschätzung der Beklagten die gegenteilige Auffassung des Sachbeistands der Kläger entgegenzustellen. Damit ist indes nicht dargetan, dass die Einschätzung der Beklagten nicht mehr vertretbar ist und es deshalb der Einholung weiterer sachverständiger Äußerungen bedürfte.
Rz. 14
Dass den Klägern insoweit kein rechtliches Gehör gewährt worden wäre, weil das Oberverwaltungsgericht die Zielrichtung des Beweisantrags verkannt hätte, ist ausweislich der Protokolle über die beiden Termine der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht, in dem – wie die Kläger selbst einräumen (Beschwerdebegründung S. 12) – der Streit zwischen den Sachverständigen ausführlich ausgetragen wurde, nicht zu erkennen. Dass das Oberverwaltungsgericht der Einschätzung der Beklagten und nicht der der Kläger gefolgt ist, begründet keinen Gehörsverstoß.
Rz. 15
b) Ein Verfahrensverstoß ist auch nicht darin zu erkennen, dass das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, die Gefahr für im Göttinger Wald lebende Exemplare der Wildkatze, beim Queren des planfestgestellten Neubauabschnitts der B 27 mit Kraftfahrzeugen zu kollidieren, stelle kein rechtserhebliches, weil kein signifikant gesteigertes Tötungsrisiko für diese Tiere dar.
Rz. 16
Die Beschwerde rügt insoweit, dass verschiedene Annahmen des Oberverwaltungsgerichts verfahrensfehlerhaft seien: Dass ein größeres Wildkatzenvorkommen um Waake nicht bekannt sei, sei eine aktenwidrige Feststellung, die einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) begründe (Beschwerdebegründung 3.3). Die weitere Annahme, dass nach einer von der Beklagten vorgelegten Karte Sichtungen und Totfunde der Wildkatze außerhalb des Bereichs der geplanten Trasse lägen, sei ebenfalls aktenwidrig und stelle außerdem einen Gehörsverstoß dar (3.4 und 3.5). Schließlich sei es ein schlechthin undenkbarer Rückschluss und mithin ein weiterer Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz, ein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko für die Wildkatze deshalb zu verneinen, weil die Trasse nur mit einer relativ geringen Länge in den in Betracht kommenden Risikobereichen verlaufe; denn tatsächlich gehe es um eine beträchtliche Trassenlänge (3.6). Aufgrund dieser fehlerhaften Annahmen verstoße es gegen die Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO), dass das Oberverwaltungsgericht den weiteren (Hilfs-) Beweisantrag abgelehnt habe, Stellungnahmen bzw. Zeugnisse näher bezeichneter sachverständiger Personen einzuholen, denen zufolge bei Realisierung des Vorhabens von einem signifikant erhöhten Kollisionsrisiko für die Wildkatze auszugehen sei (3.7).
Rz. 17
Schon die Ausführungen der Beschwerde zur Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Verfahrensmängel gehen sowohl an der Rechtslage als auch an der Begründung der angefochtenen Entscheidung vorbei. Die Frage, ob die behauptete Kollisionsgefahr für die Wildkatze einer Zulassung des Vorhabens entgegensteht, ist – entgegen dem Beschwerdevorbringen – keine Frage, die “sich auf das Ergebnis der Abwägung ausgewirkt” haben kann (Beschwerdebegründung S. 22). Denn sie betrifft zunächst nicht die Abwägung (§ 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG a.F.), sondern zwingendes Recht, nämlich die Frage, ob der Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG erfüllt ist; in diesem Zusammenhang hat das Oberverwaltungsgericht die Frage auch – zutreffend – behandelt (UA S. 32 ff.). Soweit das Oberverwaltungsgericht die Kollisionsgefahr für die Wildkatze auch im Rahmen des Abwägungsgebots anspricht (UA S. 40 f.), hat es seine Entscheidung zusätzlich damit begründet, dass eine etwaige Fehleinschätzung der Kollisionsgefahr (wegen des Fehlens von Leiteinrichtungen) gemäß § 17 Abs. 6c Satz 1 FStrG a.F. auf das Abwägungsergebnis nicht von Einfluss und damit nicht (entscheidungs-)erheblich gewesen sei, da eine Abzäunung der Trasse beschränkt auf den Vorhabensbereich wenig sinnvoll sei, weil die Querungsproblematik damit nur auf die nicht abgezäunten Bereiche der B 27 verlagert würde, eine Abzäunung des gesamten Verlaufs der B 27 zwischen Roringen (im Westen) und Ebergötzen (im Osten), wie von den Klägern gefordert, aber weit über den vom Vorhaben betroffenen Streckenbereich hinausginge und deshalb unverhältnismäßig wäre. Auf diese Begründung geht die Beschwerde nicht ein.
Rz. 18
Das Beschwerdevorbringen genügt ferner insoweit nicht den Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), als es die behaupteten Verfahrensmängel in keinerlei Bezug zum gerichtlichen Prüfungsmaßstab setzt. Bei der Frage, ob ein artenschutzrechtlicher Verbotstatbestand erfüllt ist (hier: das Tötungsverbot gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) steht der Planfeststellungsbehörde eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu. Die in diesem Rahmen getroffenen, auf fachgutachtliche Stellungnahmen gestützten Annahmen der Planfeststellungsbehörde unterliegen gerichtlicher Prüfung nur dahin, ob sie im Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und nicht auf einem Bewertungsverfahren beruhen, das sich als unzulängliches oder gar ungeeignetes Mittel erweist, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden (Urteil vom 9. Juli 2008 – BVerwG 9 A 14.07 – BVerwGE 131, 274 Rn. 64 ff. m.w.N.). Die Beschwerde legt nicht dar, dass bzw. inwieweit die behaupteten Verfahrensmängel dazu führen, dass das Oberverwaltungsgericht die naturschutzfachliche Einschätzung der Beklagten, ein signifikant gesteigertes Tötungsrisiko für die Wildkatze sei nicht gegeben, im vorstehenden Sinne als naturschutzfachlich nicht vertretbar hätte beanstanden müssen.
Rz. 19
Die behaupteten Rügen sind aber auch sachlich nicht begründet. Dies gilt zunächst für die von der Beschwerde kritisierten Detailannahmen des Oberverwaltungsgerichts, mit denen es ein signifikant gesteigertes Kollisionsrisiko verneint.
Rz. 20
Soweit die Kläger die Aussage des Oberverwaltungsgerichts, ein größeres Wildkatzenvorkommen um Waake sei nicht bekannt, beanstanden, kann nach den Zahlenangaben der Beschwerde, wonach die derzeitige Population der Wildkatze im Göttinger Wald auf 10 bis 12 Exemplare, das Vorkommen im gesamten Harz dagegen auf 400 Tiere geschätzt werde, schon bei einem Vergleich dieser beiden Größenangaben die beanstandete Aussage nicht als aktenwidrige Feststellung angesehen werden. Entscheidend ist indes, dass sich die Aussage des Oberverwaltungsgerichts bei verständiger Würdigung des angefochtenen Urteils nur auf einen früheren und zudem gesicherten Kenntnisstand bezieht, nämlich auf den Kenntnisstand der Planfeststellungsbehörde in dem für die gerichtliche Prüfung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses. Dies ergibt sich daraus, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Erörterung der Kollisionsproblematik an anderer Stelle des Urteils (UA S. 40 unten) ausdrücklich anführt, “dass – Stand 1. Dezember 2004 – ein Wildkatzenvorkommen im Bereich Waake nicht gesichert sei und es lediglich Einzelsichtungen gebe”. Bezogen auf diesen Zeitpunkt kann – auch mit Blick auf die Berichte über Totfunde der Wildkatze in den von den Klägern in Bezug genommenen Anlagen 11 und 18 bis 20 der Klageschrift – nicht festgestellt werden, dass es sich bei der Annahme des Oberverwaltungsgerichts, ein größeres Wildkatzenvorkommen um Waake sei – damals – nicht “gesichert” gewesen (UA S. 40 unten) und es hätten keine “verlässlichen Daten” über Totfunde (UA S. 34 oben) vorgelegen, um eine aktenwidrige Feststellung handelt. Vielmehr zeichnet sich der Streit der Beteiligten über das Kollisionsrisiko für die Wildkatze gerade dadurch aus, dass heute – wie die Kläger im zweiten Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht am 28. Oktober 2008 selbst vorgetragen haben – zur Gefährdung der Wildkatze andere Erkenntnisse vorliegen mögen als noch zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses (Protokoll S. 3) und dass – wie auch die Beklagte ebenda zugestanden hat – heute die Erkenntnisse über die Wildkatze detaillierter und klarer sein mögen als seinerzeit (Protokoll S. 4).
Rz. 21
Die weitere Aussage des Oberverwaltungsgerichts, dass die auf der von der Beklagten vorgelegten Karte “Wildkatzen Nachweise in Südniedersachsen 1960–2007” verzeichneten Sichtungen und Totpunkte außerhalb des Bereichs der geplanten Trasse und überwiegend östlich von Waake lägen, stellt ebenfalls keine aktenwidrige Feststellung dar. Dies ist der in Bezug genommenen Karte in der Tat zu entnehmen. Überdies ist – wie die Beschwerde selbst einräumt – fraglich, was unter der interpretationsfähigen Formulierung “außerhalb des Bereichs der geplanten Trasse” zu verstehen ist, d.h. wie weit dieser zu ziehen ist. Die Beschwerde zielt denn auch mit dieser Rüge der Sache nach darauf, dass sie eine nähere Würdigung anderer, von ihr eingereichter Unterlagen vermisst, denen zufolge es im fraglichen Bereich sehr wohl Sichtungen und Totfunde der Wildkatze gebe. Der damit als verletzt gerügte Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet es aber nicht, dass ein Gericht sich in den Entscheidungsgründen mit allen Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten ausdrücklich befasst (stRspr; vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Februar 1978 – 1 BvR 426/77 – BVerfGE 47, 182 ≪187≫; BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 2008 – BVerwG 9 VR 13.08 – Buchholz 310 § 152a VwGO Nr. 7 S. 8); dies gilt zumal bei einem derart detailreichen Streitstoff, wie er von den Klägern ausgebreitet wurde. Zwar war das vorhabenbedingte Tötungsrisiko für die Wildkatze einer der zentralen Einwände der Kläger gegen die Planung. Der Erörterung dieser Frage hat das Oberverwaltungsgericht ausweislich der Protokolle über die beiden Verhandlungstermine auch beträchtlichen Raum gegeben; im angefochtenen Urteil ist die Frage ebenfalls eingehend behandelt. Bei dieser Sachlage kann nicht festgestellt werden, das Oberverwaltungsgericht habe den Vortrag der Kläger zu Sichtungen und Totfunden der Wildkatze – auch in den Details der mehrfach in Bezug genommenen Anlagen 11 und 18 bis 20 der Klageschrift – nicht zur Kenntnis genommen.
Rz. 22
Entgegen der Ansicht der Beschwerde beruht die Verneinung eines signifikant gesteigerten Tötungsrisikos für die Wildkatze durch das Oberverwaltungsgericht nicht deswegen auf einem “schlechthin undenkbaren Rückschluss”, weil das Gericht annimmt, die für die Risikoerhöhung relevanten Trassenbereiche beschränkten sich auf kurze Teilstücke der Trasse. Die dieser Erwägung zugrundeliegende und von der Beschwerde beanstandete Wertung, es handele sich nur um “kurze” Teilstücke, ist nicht zu beanstanden. Der planfestgestellte Abschnitt der streitgegenständlichen Ortsumfahrung beträgt 2,54 km. Nach der von den Klägern vorgelegten Karte, mit der sie selbst den über den Wald hinausgehenden Bereich eines 150 m-Bands darstellen, in dem sie von einem erhöhten Kollisionsrisiko für die Wildkatze ausgehen, liegen westlich von Waake (berechnet vom Abzweig der B 27 neu von der B 27 alt) maximal 450 bis 500 m des Neubauabschnitts innerhalb dieses Bandes. Östlich von Waake sieht die Beschwerde eine weitere Teilstrecke im Waldbereich von 400 m als relevant für die Kollisionsgefahr an, insgesamt mithin eine Strecke “von etwa einem km Länge”; im Weiteren will die Beschwerde unter Hinweis auf das erwähnte 150 m-Band, indes ohne näher bezifferte Streckenangaben, sogar “von mehr als der Hälfte der Gesamtlänge des Vorhabens” als kollisionsrelevant ausgehen. Ob man – legte man diese Zahlen zugrunde – noch von einer “kurzen” Teilstrecke mit erhöhtem Kollisionsrisiko sprechen könnte, kann dahinstehen. Denn die Beschwerde geht mit dieser Berechnung von Annahmen aus, die sich dem angefochtenen Urteil so nicht entnehmen lassen.
Rz. 23
Das Oberverwaltungsgericht selbst nennt keine Streckenlängen, sondern grenzt den von ihm angenommenen Gefährdungsbereich vorwiegend negativ ein, in dem es nichtrelevante Bereiche ausschließt. Dabei geht es von der Prämisse aus, dass die Wanderwege der Wildkatze bereits durch die bestehende Trasse der B 27 alt zerschnitten werden, es also nicht um die erstmalige Zerteilung eines bisher unberührten Gebiets gehe, sondern lediglich um die Beurteilung eines zusätzlichen Querungsrisikos durch die neue Ortsumgehung. Außer Betracht zu bleiben habe daher zum einen der gesamte Bereich des Göttinger Waldes westlich und östlich von Waake als Lebensraum der Wildkatze, der bereits von der bisherigen Trasse der B 27 alt zerschnitten werde, ferner diejenigen Flächen des Offenlandes, die – teilweise schon wegen ihrer Nähe zur Ortslage – von den im Wald lebenden Tieren nicht mehr zur Nahrungssuche aufgesucht würden. Da die Neubautrasse der B 27 in etwa 100 m Entfernung zur Wohnbebauung von Waake verläuft, ordnet das Oberverwaltungsgericht offensichtlich den weit überwiegenden Teil der Neubautrasse nicht dem kollisionsrelevanten Gefährdungsbereich zu; dieser beschränke sich “namentlich auf die Bereiche, in denen der ‘Anschluss’ der B 27 neu an die B 27 alt erfolgen” werde. Wenn das Oberverwaltungsgericht aufgrund dieser Betrachtung die Trassenteile mit dem so beschriebenen Gefährdungspotential als “kurz” beschreibt, liegt dies innerhalb des Rahmens richterlicher Sachverhaltswürdigung.
Rz. 24
Ein Verfahrensfehler liegt schließlich auch nicht darin, dass das Oberverwaltungsgericht dem (Hilfs-) Beweisantrag der Kläger zu dem behaupteten signifikant erhöhten Kollisionsrisiko nicht nachgekommen ist. Es hat dies mit der tragenden Begründung abgelehnt, dass es eines weiteren Sachverständigenbeweises nicht bedürfe, weil es die erforderliche Beurteilung aufgrund der ihm vorliegenden gutachterlichen schriftlichen Stellungnahmen und mündlichen Erörterungen in der mündlichen Verhandlung selbst vornehmen könne. Dem setzt die Beschwerde nur entgegen, dass das Oberverwaltungsgericht zu dieser eigenen Beurteilung “offenbar nicht in der Lage” gewesen sei und begründet dies mit der vorstehenden Kritik an der Sachverhaltswürdigung des Oberverwaltungsgerichts. Diese ist – wie dargelegt – verfahrensrechtlich aber nicht zu beanstanden.
Rz. 25
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Domgörgen, Buchberger
Fundstellen
Haufe-Index 2291848 |
BauR 2010, 367 |
NuR 2010, 191 |
VR 2010, 179 |
DVBl. 2010, 395 |
SächsVBl. 2010, 89 |