Entscheidungsstichwort (Thema)
Alimentation. Beihilfe. Beihilfestandard. Eigenbeteiligung. Eigenvorsorge. Fürsorge. Gleichbehandlung. Kostendämpfungspauschale. Typisierung
Leitsatz (amtlich)
Die Pflicht des Dienstherrn, die amtsangemessene Alimentation des Beamten sicherzustellen, ist unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht verletzt, wenn der Beamte einen Sockelbetrag seiner Aufwendungen in Krankheitsfällen, der weniger als ein Prozent seiner Jahresbezüge ausmacht, selbst tragen muss.
Die Fürsorgepflicht verlangt nicht, dass das durch die Beihilfe nicht gedeckte Risiko von Aufwendungen in Krankheitsfällen versicherbar und dass ein vollständiger Ausgleich der Kosten durch Beihilfe- und Versicherungsleistungen möglich ist.
Eine nach Besoldungsgruppen abgestufte Kostendämpfungspauschale im Beihilfesystem verletzt nicht deshalb den Gleichheitssatz, weil Beamte mit je nach Dienstalter geringeren Bezügen möglicherweise einen höheren Eigenbetrag leisten müssen.
Normenkette
NBG § 87 c a.F.; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5, Art. 74a Abs. 1
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 23.04.2002; Aktenzeichen 2 LB 3475/01) |
VG Oldenburg (Entscheidung vom 03.09.2001; Aktenzeichen 6 A 3094/00) |
Nachgehend
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. April 2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Gymnasiallehrer (Besoldungsgruppe A 13) im Dienste des Landes Niedersachsen. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. Für ärztliche Behandlungen sowie Arznei- und Verbandmittel entstanden ihm im Dezember 1999 und Januar 2000 Aufwendungen in Höhe von insgesamt 3 897,23 DM. Hierauf setzte der Beklagte eine Beihilfe von 2 656,44 DM fest. Darin enthalten war eine Kürzung um die “Kostendämpfungspauschale” von 200 DM.
Die gegen die Kürzung erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Beklagte habe die Regelung über die Kostendämpfungspauschale treffen dürfen, weil der Bund für Beihilfen an Beamte im Landesbereich seine ihm durch Art. 74a GG verliehene Gesetzgebungskompetenz nicht ausgeschöpft habe. Die Ausübung der Sachkompetenz sei nicht offenbar missbräuchlich und deshalb unter den Gesichtspunkten Rechtssicherheit und Bundestreue nicht zu beanstanden.
Die als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums garantierte Fürsorgepflicht werde nicht verletzt. Zwar sei der Anfall der Kostendämpfungspauschale – soweit ersichtlich – nicht versicherbar. Die Kostendämpfungspauschale führe jedoch wegen des geringen Anteils an den Jahresbezügen nicht zu einer für die Beamten und Richter unzumutbaren finanziellen Belastung, die ihre amtsangemessene Lebensführung gefährde.
Der so genannte Beihilfestandard sei gewahrt. Im hier maßgeblichen Zeitraum sei die Kostendämpfungspauschale zwar nur in den Bundesländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg eingeführt worden. Andererseits sei in mehreren anderen Bundesländern (Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Saarland, Schleswig-Holstein) – anders als in Niedersachsen – die Gewährung von Beihilfen zu den Aufwendungen für stationäre Wahlleistungen gänzlich ausgeschlossen worden. Zudem seien mit der Einführung der Kostendämpfungspauschale in Niedersachsen die Selbstbehalte bei Arznei- und Verbandmittelkäufen sowie bei medizinisch veranlassten Fahrten entfallen.
Das Alimentationsprinzip sei nicht verletzt, weil die Kostendämpfungspauschale in keiner Besoldungsgruppe mehr als 1 v.H. der Jahresbezüge betrage und deshalb keine Anhaltspunkte für die Annahme beständen, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt der Beamten und Richter gefährdet werde.
Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht deshalb verletzt, weil die Kostendämpfungspauschale nur nach Besoldungsgruppen abgestuft worden und innerhalb der Besoldungsgruppen die jeweils erreichte Dienstaltersstufe unberücksichtigt geblieben sei. Eine differenziertere Regelung sei bei der Regelung von Massenerscheinungen verfassungsrechtlich nicht geboten. Der Gleichheitssatz sei auch nicht deshalb verletzt, weil Versorgungsempfänger und Teilzeitbeschäftigte, deren Arbeitszeit auf weniger als 90 v.H. der regelmäßigen Arbeitszeit festgesetzt sei, unabhängig vom Umfang der Verringerung der regelmäßigen Arbeitszeit einheitlich mit 70 v.H. der Kostendämpfungspauschale belastet würden. Dadurch werde die in der Regel geringere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Versorgungsempfänger und der geringfügig Beschäftigten berücksichtigt.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
die vorinstanzlichen Entscheidungen aufzuheben und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Der Beklagte tritt der Revision entgegen und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm für die im Dezember 1999/Januar 2000 entstandenen Aufwendungen eine um 200 DM erhöhte Beihilfe gewährt wird.
Die Kürzung der Beihilfe beruht auf § 87c NBG in der Fassung des Art. 14 Haushaltsbegleitgesetz 1999 vom 21. Januar 1999 (Nds. GVBl S. 10, 13) – § 87c NBG a. F. – neu gefasst durch Art. 4 Haushaltsbegleitgesetz 2002 vom 18. Dezember 2001 (Nds. GVBl S. 806). Gemäß § 87c Abs. 4 Satz 1 a.F. wurde die Beihilfe je Kalenderjahr, in dem ein Beihilfeantrag gestellt wurde, bei einem Angehörigen der Besoldungsgruppe A 13 um die “Kostendämpfungspauschale” von 400 DM gekürzt. Dieser Betrag verminderte sich gemäß Satz 3 um 50 DM für jedes berücksichtigungsfähige Kind.
Zu dieser Regelung war das Land Niedersachsen befugt. Art. 74a Abs. 1 GG erstreckt die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes auf die Besoldung und Versorgung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, soweit nicht der Bund nach Art. 73 Nr. 8 GG ausschließlich zuständig ist. Der Begriff “Besoldung” wird in Art. 74a Abs. 1 GG in einem weiten Sinne verwendet. Er umfasst sämtliche in Erfüllung der Alimentationspflicht gewährten Leistungen, also nicht nur Geld-, sondern auch Sachbezüge. Beihilfe und freie Heilfürsorge gehören zum Begriff der Besoldung im Sinne dieser Verfassungsbestimmung (vgl. BVerfGE 62, 354 ≪368≫; BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 – 2 BvR 1053/98 – ZBR 2003, 203).
Von der ihm verliehenen Gesetzgebungskompetenz hat der Bund nur insoweit Gebrauch gemacht, als er prinzipiell abschließend die Besoldung und Versorgung im engeren Sinne normiert hat. Die Bundesgesetzgebung regelt indessen nicht Leistungen für besondere Lebenssituationen im Länderbereich. In diesem Umfang sind die Bundesregelungen nicht abschließend und entfalten auch keine Sperrwirkung. Die Länder sind berechtigt, die nach der gegenwärtigen Konzeption der Regelalimentierung gebotene Ergänzung durch Beihilfen im Krankheitsfall u.a. selbst zu regeln.
Das Land Niedersachsen hat nicht die Gesetzgebungskompetenz des Bundes und damit seine Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten verletzt. Die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange und die Kodifikationen des Bundes führt zu Beschränkungen, wenn sich die kompetenzgemäße Regelung eines Landes auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung lediglich mittelbar auswirken kann und die Gesetzgebung durch das Land offenbar missbräuchlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002, a.a.O. m.w.N.). Dass das Land Niedersachsen durch die Einführung der Kostendämpfungspauschale besoldungs- oder versorgungsrechtliche Ziele verfolgt oder die abschließende Gesetzgebung des Bundes konterkariert hat, ist nicht erkennbar.
Die Einführung der Kostendämpfungspauschale verstößt nicht gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG).
Von Verfassungs wegen hat der Beamte Anspruch darauf, auch Krankheit, Pflegebedürftigkeit und andere besondere Situationen finanziell bewältigen zu können, ohne dass sein amtsangemessener Lebensunterhalt beeinträchtigt wird (vgl. BVerfGE 3, 58 ≪160≫; 46, 97 ≪117≫; 70, 69 ≪79≫; 97, 35 ≪45≫; BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 – BVerwG 2 C 34.01 – DÖV 2003, 456 = DVBl 2003, 726 = ZBR 2003, 212 ≪zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung vorgesehen≫). Die Pflicht zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhalts ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums und beruht unmittelbar auf Verfassungsrecht (Art. 33 Abs. 5 GG). Sie ist nicht beschränkt auf gewöhnliche Lebenssituationen, sondern erstreckt sich auch auf Lebenslagen, die einen erhöhten Bedarf begründen. Die Alimentationspflicht gebietet dem Dienstherrn, Vorkehrungen zu treffen, dass die notwendigen und angemessenen Maßnahmen im Falle von Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Geburt und Tod nicht aus wirtschaftlichen Gründen unterbleiben oder dass der amtsangemessene Lebensunterhalt wegen der finanziellen Belastungen in diesen Ausnahmesituationen nicht gefährdet wird.
Das gegenwärtig praktizierte System der Beihilfen in Krankheitsfällen gehört jedoch nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums und wird deshalb nicht durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet (stRspr; vgl. BVerfGE 83, 89 ≪98≫; BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002, a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 28. November 1991 – BVerwG 2 N 1.89 – BVerwGE 89, 207 ≪209≫ m.w.N.). Unterstützungsleistungen in besonderen Lebenssituationen werden nicht von der nach Art. 33 Abs. 5 GG geschuldeten Alimentation umfasst. Vielmehr genügt der Dienstherr der von Verfassungs wegen geschuldeten Alimentation auch, wenn der Beamte in die Lage versetzt wird, einen Teil seiner Bezüge zur Eigenvorsorge einzusetzen. Besoldung und Versorgung sind so zu gestalten, dass unter Berücksichtigung der Eigenvorsorge der angemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familienangehörigen sichergestellt bleibt. In welcher Form der Dienstherr die erforderlichen Vorkehrungen trifft, bleibt seiner Gestaltungsfreiheit überlassen. Es besteht keine verfassungsrechtliche Verpflichtung, den Beamten und Versorgungsempfängern in Krankheitsfällen und in vergleichbaren Notsituationen Unterstützungen in Form von Beihilfen oder gar von Beihilfen in bestimmter Höhe zu gewähren. Das System der Beihilfen kann deshalb ohne Verletzung des Art. 33 Abs. 5 GG geändert werden (vgl. BVerfGE 58, 68 ≪77 f.≫; 79, 223 ≪235≫; 83, 89 ≪98≫; BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002, a.a.O.).
Mutet der Dienstherr dem Beamten oder Versorgungsempfänger eine Eigenvorsorge in vollem Umfang insbesondere in Krankheits- und Pflegefällen zu, die nach den heutigen Verhältnissen im Gesundheits- und Pflegewesen vernünftigerweise nur durch den Abschluss von Kranken- und Pflegeversicherungen erreicht werden kann, müssen die Bezüge so bemessen sein, dass die zu zahlenden Versicherungsprämien den amtsangemessenen Lebensunterhalt nicht beeinträchtigen. Sind die Bezüge des Beamten oder Versorgungsempfängers so zugeschnitten, dass sie eine zumutbare Eigenvorsorge nur im Hinblick auf einen Teil der durch Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Geburt und Tod begründeten Belastungen ermöglichen, so hat der Dienstherr zusätzliche Vorkehrungen zu treffen, dass die Belastungen, die den Umfang der Eigenvorsorge überschreiten, ebenfalls getragen werden können. Beihilfen zu derartigen Aufwendungen finden ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die ihrerseits als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet ist (vgl. BVerfGE 46, 97 ≪117≫; 83, 89 ≪100≫). Die Zuschüsse ergänzen die aus der gewährten Alimentation zu bestreitende Eigenvorsorge. Entscheidet sich der Dienstherr für ein “Mischsystem” aus Eigenleistungen des Beamten und Beihilfen, so muss gewährleistet sein, dass der Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht abzusichern vermag (vgl. BVerfGE 83, 89 ≪100≫; BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002, a.a.O.).
Sowohl die Bestimmungen über die Besoldung und Versorgungsbezüge als auch die Bestimmungen über den Schutz bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit haben Rücksicht zu nehmen auf die finanzielle Belastbarkeit des Beamten, um den amtsangemessenen Lebensunterhalt sicher zu stellen. Insoweit sind allerdings keine starren Grenzen vorgegeben. Die Bezüge der Beamten und Versorgungsempfänger enthalten keinen exakt bestimmbaren Satz oder proportionalen Anteil, mit dem die Eigenvorsorge betrieben werden kann und soll. Verfassungsrechtlich ist die Grenze der dem Beamten zumutbaren Belastung im Hinblick auf die Eigenvorsorge erst erreicht, wenn der amtsangemessene Lebensunterhalt nicht mehr gewährleistet ist. Ungereimtheiten, die sich daraus ergeben, dass einerseits Besoldung und Versorgung zur Anpassung an die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse (vgl. § 14 BBesG) angehoben, andererseits Zuschüsse für regelmäßig entstehende Aufwendungen gekürzt werden, begründen für sich betrachtet noch keinen Verfassungsverstoß.
Dass der Kläger, ein Lehrer der Besoldungsgruppe A 13, seit dem Jahre 1999 mit zusätzlich 200 DM pro anno bei seinen Aufwendungen in Krankheitsfällen belastet worden ist, hat nicht dazu geführt, dass sein amtsangemessener Lebensunterhalt beeinträchtigt war. Zwar bedeutet Alimentation in der Wohlstandsgesellschaft mehr als Unterhaltsgewährung in Zeiten, die für weite Kreise der Bevölkerung durch Entbehrung und Knappheit gekennzeichnet waren. Im Rahmen seiner Verpflichtung zur amtsangemessenen Alimentation hat der Gesetzgeber die Attraktivität des Dienstverhältnisses für qualifizierte Kräfte und das Ansehen des Amtes in der Gesellschaft zu festigen, Ausbildungsstand, Beanspruchung und Verantwortung des Amtsinhabers zu berücksichtigen und dafür Sorge zu tragen, dass jeder Bedienstete außer den Grundbedürfnissen ein “Minimum an Lebenskomfort” befriedigen und seine Unterhaltspflichten gegenüber seiner Familie erfüllen kann (vgl. BVerfGE 44, 249 ≪269 f.≫; BVerfGE 76, 256 ≪324≫; BVerfGE 81, 363 ≪376≫; BVerfGE 99, 300 ≪314 ff.≫; BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 – BVerwG 2 C 34.01 – a.a.O.). Allerdings bezeichnen die Dienst- und sonstigen Bezüge in der jeweils durch Gesetz festgesetzten Höhe nicht zugleich das, was der Dienstherr aufgrund seiner Alimentationspflicht schuldet. Hat der Beamte zu seinen Aufwendungen in Krankheitsfällen einen Eigenbeitrag zu leisten, der weniger als ein Prozent seiner Jahresbezüge ausmacht, bleibt in aller Regel der amtsangemessene Lebensunterhalt gewahrt. Es ist auch nicht erkennbar, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen verletzt sein könnten, wenn dem Beamten zugemutet wird, aufgrund einer Kürzung der Beihilfeleistungen im Vergleich zu den Vorjahren zusätzlich ca. 17 DM pro Monat als Eigenvorsorge aufzubringen.
Die Fürsorgepflicht verlangt nicht, dass durch Beihilfe und Versicherungsleistung die Aufwendungen in Krankheitsfällen vollständig gedeckt werden, dass der Dienstherr in jedem Fall einen Teil der Aufwendungen übernimmt oder dass das von der Beihilfe nicht gedeckte Risiko in vollem Umfang versicherbar ist. Allerdings darf die Beihilfe als eine die Eigenvorsorge ergänzende Leistung nicht ohne Rücksicht auf die vorhandenen Versicherungsmöglichkeiten ausgestaltet werden (vgl. BVerfGE 83, 89 ≪100 ff.≫; BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002, a.a.O.). Daraus folgt aber nicht, dass das Beihilfesystem und die private Versicherung lückenlos aufeinander abgestimmt sein müssen. Das Alimentationsprinzip verbietet es, dem Beamten Risiken aufzubürden, deren wirtschaftliche Auswirkungen unüberschaubar sind. Das ist nicht zu besorgen, wenn das nicht versicherbare finanzielle Risiko auf einen Betrag begrenzt ist, der die amtsangemessene Lebensführung nicht beeinträchtigt.
Das Besoldungs- und Versorgungsrecht in der gegenwärtigen Ausgestaltung geht davon aus, dass der Schutz in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen nicht in vollem Umfang der Eigenvorsorge des Beamten überlassen ist. Aus dem wechselseitigen Aufeinanderbezogensein von Alimentation einerseits und ergänzender, von Bund und Ländern je selbst zu regelnder Beihilfe andererseits ergibt sich allerdings kein tradiertes Anspruchsniveau der öffentlich Bediensteten, das verfassungsrechtlich geschützt sein könnte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002, a.a.O.). Einer Kürzung der Beihilfeleistungen durch Eigenbeteiligung der Beamten steht der bis zur Einführung der Kostendämpfungspauschale in verschiedenen Bundesländern erreichte Beihilfestandard nicht entgegen. In den durch das Grundgesetz gesetzten Grenzen ist es den Ländern möglich, den bisherigen Beihilfestandard auch zu Lasten der Beamten zu ändern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002, a.a.O.) und im Rahmen ihrer Regelungskompetenz von denen des Bundes und der anderen Länder abweichende Vorschriften zu erlassen. Ein Zwang zur Vereinheitlichung des Beihilferechts besteht nach den Vorgaben des Bundesbesoldungs- und Versorgungsrechts nicht. Bund und Länder haben jedoch zu beachten, dass sie angesichts der gegenwärtigen Struktur und des gegenwärtigen Niveaus der Besoldung und Versorgung prinzipiell in die Verantwortung bei Krankheit-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen der Beamten, der Versorgungsempfänger und deren Familienangehörigen mit einbezogen sind und die hieraus resultierenden Belastungen nicht beliebig auf die Bezügeempfänger abwälzen dürfen.
Der Fürsorgegrundsatz ist nicht deshalb verletzt, weil durch die Eigenbeteiligung ein Anreiz geschaffen werden könnte, von einer notwendigen ärztlichen Behandlung oder von der Beschaffung notwendiger Heil- und Hilfsmittel abzusehen. Zwar gebietet das Fürsorgeprinzip, für das Wohl und Wehe des Beamten und seiner Familienangehörigen zu sorgen und Schaden von ihnen abzuwenden. Damit wären Lenkungsmaßnahmen unvereinbar, die den Beamten dazu verleiten, in Zukunft von notwendigen Vorsorgeuntersuchungen und von medizinischen Behandlungen aus finanziellen Erwägungen abzusehen. Zu derartigen Befürchtungen besteht indessen angesichts des Umfangs der vom Niedersächsischen Gesetzgeber vorgesehenen Eigenbeteiligung kein Anlass. Die Beihilfe war seit jeher eine ergänzende Hilfeleistung, die neben die zumutbare Eigenvorsorge des Beamten trat. Dieses System basiert nach wie vor auf der Selbstverantwortung des Beamten für gesundheitserhaltende und -wiederherstellende Maßnahmen.
§ 87c NBG a.F. ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz verbietet, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Gesetzgeber die Grenzen der ihm zustehenden Gestaltungsfreiheit mit der Folge einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG überschritten, wenn die Behandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist – mit anderen Worten, wenn ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt (vgl. Urteil vom 25. April 1996 – BVerwG 2 C 27.95 – BVerwGE 101, 116 ≪122≫ m.w.N.). Um den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG zu genügen, kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. u.a. Urteil vom 22. März 1990 – BVerwG 2 C 11.89 – Buchholz 240 § 19a BBesG Nr. 10 S. 17 m.w.N.).
Soweit Beamten im Bund und in anderen Ländern Beihilfen ohne eine Eigenbeteiligung in Form eines Sockelbetrages gewährt werden, kommt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG aus diesem Grunde nicht in Betracht. Diese Differenzierung beruht auf der verfassungsrechtlich angeordneten Kompetenzverteilung und ist nicht zu beanstanden (stRspr; vgl. z.B. BVerfGE 10, 354 ≪371≫; 76, 1 ≪73≫). Ebenso wenig fordert der aus dem Zusammenspiel von Alimentation einerseits und fürsorgebedingten Beihilfeleistungen andererseits abgeleitete “Beihilfestandard” eine Einheitlichkeit der Beihilferegelungen oder zumindest des Beihilfeniveaus im Bund und in den Ländern.
Dass gemäß § 87c Abs. 4 NBG a.F. die Pauschalsätze nach Besoldungsgruppen abgestuft sind, verletzt nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Bei der Beihilfe handelt es sich nicht um eine Alimentationsleistung, sondern um eine fürsorgebedingte Hilfeleistung, die die Unterschiede in der Besoldung nicht einebnet, sondern an diese Unterschiede anknüpft. Mit der Festsetzung von nach Besoldungsgruppen und nach der Anzahl der Kinder gestaffelten Sockelbeträgen geht der Gesetzgeber typisierend von einer unterschiedlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aus. Unterschiedliche Einkommensverhältnisse können eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Das ist in vielen Bereichen – z.B. im Steuerrecht oder bei der Gewährung von Sozialleistungen – anerkannt (vgl. BVerfGE 97, 332 ≪344 ff.≫). Auch der beamtenrechtliche Fürsorgegrundsatz kannte seit jeher Differenzierungen nach sozialen und wirtschaftlichen Kriterien. So variiert z.B. der Bemessungssatz gemäß § 14 BhV danach, ob der Beihilfeberechtigte Besoldung oder Versorgungsbezüge erhält, ob zwei oder mehr Kinder berücksichtigungsfähig sind oder ob es sich um Aufwendungen für einen berücksichtigungsfähigen Angehörigen handelt. Alle diese Differenzierungsmerkmale berücksichtigen typisierend ein geringeres Einkommen oder eine erhöhte Belastung insbesondere durch familiäre Verpflichtungen und wirken sich auf das Maß der vom Beihilferecht erwarteten zumutbaren Eigenvorsorge aus.
Ebenso wie diese Regelungen ist § 87c Abs. 4 NBG a.F. mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Soweit Besoldungsgruppen zusammengefasst werden, denen nach der Wertigkeit des Statusamtes ein jeweils höherer Kürzungssatz auferlegt wird, handelt es sich um einen den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG noch genügenden Indikator abgestufter finanzieller Leistungsfähigkeit. Die Zusammenfassung von Ämtern zumal unterschiedlicher Laufbahngruppen, der Verzicht auf Berücksichtigung von Dienst- bzw. Lebensalterstufen sowie der Verzicht auf realitätsgerechtere Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit haben zwar zur Folge, dass bei den Ämtern mit aufsteigenden Gehältern an den Schnittstellen der einzelnen Gruppen gemäß § 87c Abs. 4 NBG a.F. in einer Reihe von Fällen Empfänger höherer Bezüge mit einem geringeren Sockelbetrag belastet sind als Empfänger geringerer Bezüge. Dies gilt umso mehr für die Empfänger von Versorgungsbezügen, deren Einkommen nicht nur durch die Besoldungsgruppe, nach der die Versorgungsbezüge berechnet werden, sondern ebenso nachhaltig durch die Kriterien der individuell zuletzt empfangenen Bezüge (vgl. §§ 5, 14 Abs. 1 BeamtVG) sowie der ruhegehaltfähigen Dienstzeit (vgl. §§ 6 ff., 14 Abs. 1 BeamtVG) beeinflusst wird.
Die grobe Typisierung ist indessen angesichts der weiten Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Bereich der dienstrechtlichen Fürsorge, die über das verfassungsrechtlich gewährleistete Minimum hinausgeht, sowie des Zwangs zur Ordnung von Massenerscheinungen und der wirtschaftlichen Folgen, die sich aus der Differenzierung ergeben, unter den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG noch hinnehmbar. Die sich bei einem Vergleich ergebende Mehrbelastung war gemäß den Abstufungen in § 87c Abs. 4 Satz 1 NBG a.F. auf höchstens 200 DM pro Jahr beschränkt. Danach belief sich die maximale Mehrbelastung auf ca. 17 DM pro Monat. Dem Mangel an Differenzierung steht ein Zugewinn an Verwaltungsvereinfachung gegenüber. Zudem hat der Gesetzgeber in einen grundrechtlich geschützten Bereich, der eine intensivere Bindung durch das Gleichbehandlungsgebot hätte fordern können (vgl. BVerfGE 62, 256 ≪274≫; 92, 53 ≪69≫), nicht eingegriffen.
Die Minderung der Kostendämpfungspauschale für jedes berücksichtigungsfähige Kind um einen Festbetrag von 50 DM gemäß § 87c Abs. 4 Satz 3 NBG a.F., ihre Minderung für Teilzeitbeschäftigte mit einer Arbeitszeit von weniger als 90 v.H. der regelmäßigen Arbeitszeit und für Versorgungsempfänger um 30 v.H. – bei Witwen und Witwern um 60 v.H. – (vgl. § 87c Abs. 5 NBG a.F.) sowie das Absehen von der Kostendämpfungspauschale während eines Erziehungsurlaubs ohne eine Teilzeitbeschäftigung ab 10 Wochenstunden, während eines Vorbereitungsdienstes oder eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses, während einer Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie bei Waisen (vgl. § 87c Abs. 6 NBG a.F.), sind unter den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG ebenfalls noch vertretbar. Auch insoweit hat der Gesetzgeber typisierend und generalisierend an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der jeweiligen Bezüge- und Versorgungsempfänger angeknüpft, ohne indessen Ungereimtheiten zu vermeiden wie z.B. bei den Teilzeitbeschäftigten, je nachdem ob sie während oder außerhalb eines Erziehungsurlaubs beschäftigt sind (vgl. § 87c Abs. 5 Satz 2, Abs. 6 Nr. 1 NBG a.F.), oder bei den Versorgungsempfängern, deren geringere Leistungsfähigkeit sowohl durch eine Erhöhung des Bemessungssatzes gemäß § 87c Abs. 1 Satz 1 NBG a.F. i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BhV als auch durch eine Kürzung der Kostendämpfungspauschale berücksichtigt wird. Diese Unschärfen müssen im Hinblick auf den Regelungsgegenstand, die wirtschaftlichen Auswirkungen sowie die Anforderungen einer Massenverwaltung toleriert werden. Ein Defizit an Zweckmäßigkeit und gerechtem Ausgleich führt nicht zur Verfassungswidrigkeit des § 87c NBG a.F. wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Der Grundsatz des Vertrauensschutzes, der im Beamtenverhältnis durch Art. 33 Abs. 5 GG seine eigene Ausprägung erfahren hat (vgl. BVerfGE 52, 303 ≪345≫; 71, 255 ≪272≫), ist nicht verletzt. Über den Bereich des Art. 33 Abs. 5 GG hinaus wird das Vertrauen des Beamten auf den in Zukunft unveränderten Fortbestand einer ihm günstigen Regelung grundsätzlich nicht geschützt. Insbesondere das Recht der Beihilfen in Krankheitsfällen war bereits in der Vergangenheit von vielfachen Änderungen betroffen. Ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen darauf, dass die Beamten im Land Niedersachsen nicht über das bisherige Maß hinaus an den Kosten ihrer Krankheitsversorgung selbst beteiligt werden, konnte sich nicht bilden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Prof. Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer
Fundstellen