Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigentumsübergang nach dem US-Pauschalentschädigungsabkommen auf die Bundesrepublik Deutschland;. Genehmigungsvorbehalt. Eintragung in das Grundbuch. Eintragungsersuchen. Widerspruch des eingetragenen Eigentümers
Leitsatz (amtlich)
Ein Widerspruch gegen das Ersuchen nach § 11 c Satz 5 VermG auf Eintragung eines Genehmigunsvorbehaltes in das Grundbuch kann nur damit begründet werden, der Vermögenswert sei nicht nach Art. 3 Abs. 9 Satz 2 des US-Pauschalentschädigungsabkommens auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil der Vermögenswert von dem Abkommen nicht erfasst werde oder weil der betroffene US-Bürger sich für die Geltendmachung von Ansprüchen nach den deutschen Vorschriften entschieden habe.
Von dem US-Pauschalentschädigungsabkommen werden alle Vermögenswerte erfasst, hinsichtlich derer nach dem in Art. 1 des Abkommens genannten US-Gesetz Ansprüche gegen die DDR anerkannt worden sind. Eine auch nach dem 3. Oktober 1990 fortbestehende Eintragung des Alteigentümers im Grundbuch steht dem nicht entgegen.
Die Regelung des § 11 c Satz 5 VermG verstößt nicht gegen Art. 14 GG.
Normenkette
VermG § 11c; US-Pauschalentschädigungsabkommen Art. 1, 3 Abs. 3, 9
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. April 2000 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen einen Genehmigungsvorbehalt nach § 11 c VermG, der auf Ersuchen der Beklagten im Grundbuch von Prenzlauer Berg für das Grundstück L.straße 17 in Berlin-Prenzlauer Berg eingetragen worden ist.
Als Eigentümer des Grundstücks war von 1923 bis 1996 der Kaufmann Jacob R. (Wien, Österreich) im Grundbuch eingetragen. Das mit einem Mietwohnhaus bebaute Grundstück wurde durch Beschluss des Kammergerichts vom 24. März 1941 aufgrund der Verordnung über die Behandlung feindlichen Vermögens vom 15. Januar 1940 (RGBl I S. 191) unter Verwaltung gestellt, nach dem der Eigentümer als rassisch Verfolgter zusammen mit seiner Familie über England in die Vereinigten Staaten von Amerika ausgewandert war. Ein entsprechender Verwaltervermerk wurde ins Grundbuch eingetragen.
Der Alteigentümer verstarb 1943 in den USA. Alleinerbin wurde seine Witwe Glückel R., die im Jahre 1946 die US-Staatsangehörigkeit erwarb. Sie machte im Jahre 1978 aufgrund des Bundesgesetzes der Vereinigten Staaten von Amerika 94-542 vom 18. Oktober 1976 gegenüber den Behörden der USA („Foreign Claims Settlement Commission” ≪FCSC≫) einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 43 300 US-Dollar gegen die DDR geltend, weil das Grundstück im Jahr 1946 durch den Treuhänder der sowjetischen Militärkommandantur auf der Grundlage des SMAD-Befehls 124 i.V.m. mit SMAD-Befehl 12 in Verwaltung genommen worden sei. Mit Bescheid vom 18. Juni 1980 wurde ihr von den US-Behörden ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 12 000 US-Dollar nebst Zinsen zuerkannt.
Erben der im Jahr 1985 verstorbenen Glückel R. sind hinsichtlich des im heutigen Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland belegenen unbeweglichen Nachlasses die Herren Marcel Heinz (Henry) E. sowie Alfred E. zu je ein Viertel des Nachlasses sowie die Klägerin zu ein Halb. Mit notariellem Vertrag vom 6. Juli 1994 haben sich die Erben in der Weise auseinander gesetzt, dass die Klägerin Alleineigentum an dem hier streitigen Grundstück erwerben sollte. Mit Zwischenverfügung vom 4. April 1995 teilte das Amtsgericht Mitte dem beurkundenden Notar mit, dass dem grundbuchlichen Vollzug des Vertrages der auf Ersuchen der Oberfinanzdirektion Berlin vom 20. Juni 1994 in Abt. II des Grundbuchs zugunsten der Bundesrepublik Deutschland (Bundesfinanzverwaltung) eingetragene Genehmigungsvorbehalt gemäß § 11 c VermG entgegenstehe. Im Jahr 1996 wurde daraufhin zunächst die ungeteilte Erbengemeinschaft als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
Die mit Schreiben der Bevollmächtigten der Klägerin vom 13. Juli 1995 erbetene Genehmigung des Erbauseinandersetzungsvertrages wurde mit Schreiben der Oberfinanzdirektion Berlin vom 24. Juli 1995 mit der Begründung verweigert, das Grundstück unterliege in seiner Gesamtheit dem Abkommen vom 13. Mai 1992 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Regelung bestimmter Vermögensansprüche (US-Pauschalentschädigungsabkommen). Daraufhin legte die Klägerin mit Schreiben vom 2. April 1996 gegen das Eintragungsersuchen der Oberfinanzdirektion Widerspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründete, das Grundstück unterfalle nicht dem Anwendungsbereich des US-Pauschalentschädigungsabkommens. Gegenstand des Abkommens könnten nur Vermögenswerte sein, die zugleich Gegenstand des Vermögensgesetzes seien. Der Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes sei aber schon deshalb nicht eröffnet, weil der Alteigentümer für den gesamten Zeitraum des Bestehens der DDR als Eigentümer im Grundbuch eingetragen gewesen sei. Außerdem hätten sich weder die Klägerin noch die beiden anderen Miterben für die Annahme des Abfindungsbetrages entschieden, noch sei ihnen nach Art. 3 Abs. 3 des US-Pauschalentschädigungsabkommens die Wahlmöglichkeit zwischen dem amerikanischen und dem deutschen innerstaatlichen Verfahren eingeräumt worden.
Den Widerspruch wies die Oberfinanzdirektion Berlin mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 1997 als unbegründet zurück. Die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin gegenüber US-Behörden angemeldeten Ansprüche unterfielen dem Art. 1 des US-Pauschalentschädigungsabkommens, weil die Einwirkungs- und Verfügungsmöglichkeiten der ausländischen Vermögensinhaber durch die SMAD-Befehle 124 und 12 sowie die spätere Verordnung vom 18. Dezember 1951 über die Verwaltung und Schutz ausländischen Eigentums in Groß-Berlin so sehr beschnitten worden seien, dass dies in der Sache einer „kalten Enteignung” gleichgekommen sei. Mit der Feststellung des endgültigen Überweisungsbetrages seien die Ansprüche daher nach Art. 3 Abs. 9 Satz 2 des US-Pauschalentschädigungsabkommens auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Die Einwände der Klägerin seien demgegenüber unbeachtlich. Ein Vergleich von Art. 1 des Abkommens und § 1 des Vermögensgesetzes verdeutliche, dass die Anwendungsbereiche beider Vorschriften nicht deckungsgleich seien.
Mit ihrer am 6. März 1997 erhobenen Klage hat sich die Klägerin weiterhin gegen die Eintragung des Genehmigungsvorbehaltes gewandt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, entgegen der Ansicht der Beklagten liege keine „kalte Enteignung” des Grundstücks vor. Ausweislich des Grundbuchs sei schon keine Verwaltung nach der Verordnung vom 18. Dezember 1951 angeordnet worden. Im Übrigen stelle diese Verordnung keine Enteignungsvorschrift dar. Zwar sei dem Eigentümer in solchen Fällen der unmittelbare Besitz über das Eigentum entzogen worden, sein Eigentumsrecht aber unangetastet geblieben. Am 3. Oktober 1990 habe daher noch eine Eigentumsposition vorgelegen, die von Art. 14 GG geschützt worden sei.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. April 2000 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Genehmigungsvorbehalt sei rechtmäßigerweise im Grundbuch eingetragen worden. Das streitbefangene Grundstück sei Gegenstand des US-Pauschalentschädigungsabkommens, da es jedenfalls von einer „sonstigen Wegnahme” im Sinne des Art. 1 des Abkommens betroffen gewesen sei. Dabei könne dahinstehen, ob bereits durch die 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 eine Entziehung des Eigentums erfolgt sei. Zu einem wirtschaftlichen Entzug des Eigentums sei es jedenfalls durch die Befehle Nr. 124 und 104 der sowjetischen Militäradministration gekommen. Aufgrund dieser Befehle hätten seit dem 9. Mai 1945 alle Befugnisse der früheren Eigentümer ausländischen Vermögens geruht. Dieser Rechtszustand sei unter deutscher Verwaltung durch die Verordnung über die Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums vom September und Dezember 1951 aufrechterhalten worden. Mit dieser Verordnung sei eine allgemeine Verfügungssperre und Bewirtschaftungspflicht verhängt worden. Da diese Beschränkungen der wirtschaftlichen Verwertbarkeit des Eigentums kraft Gesetzes eingetreten seien, komme es entgegen der Ansicht der Klägerin nicht darauf an, ob in das Grundbuch eine entsprechende Eintragung vorgenommen worden sei.
Es komme auch nicht darauf an, ob der Klägerin ein Wahlrecht zwischen der Annahme der Entschädigung und der Durchführung eines Verfahrens nach dem Vermögensgesetz faktisch zur Verfügung gestanden habe. In Art. 3 Abs. 3 des US-Pauschalentschädigungsabkommens sei geregelt, dass eine Wahl zwischen der Entschädigung und der Durchführung eines Verfahrens nach dem Vermögensgesetz zugunsten einer Entschädigung getroffen worden sei, wenn ein Staatsangehöriger der USA sich nicht anders geäußert habe. Der Vertragstext mache den Eintritt der Fiktion nicht davon abhängig, ob die Betroffenen wirklich Kenntnis von der Wahlmöglichkeit gehabt hätten.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 12. April 2000 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Oberfinanzdirektion Berlin vom 19. September 1995 und des Widerspruchsbescheides der Oberfinanzdirektion Berlin vom 31. Januar 1997 zu verpflichten, die Löschung des Genehmigungsvorbehaltes im Grundbuch von Prenzlauer-Berg Bl. … betreffend das Grundstück L.straße 17 zu genehmigen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich an dem Verfahren. Er tritt dem Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis bei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dabei kann dahinstehen, ob die Begründung des Verwaltungsgerichts in jeder Beziehung mit Bundesrecht vereinbar ist. Jedenfalls im Ergebnis ist das Ersuchen der Oberfinanzdirektion, einen Zustimmungsvorbehalt in das Grundbuch einzutragen, nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), sie kann daher die Löschung des Vorbehaltes nicht beanspruchen (§ 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
Rechtsgrundlage für das Ersuchen der Oberfinanzdirektion ist § 11 c Satz 3 i.V.m. Satz 5 VermG.
Nach § 11 c Satz 1 VermG darf über Vermögenswerte, die Gegenstand der in § 1 Abs. 8 Buchst. b bezeichneten Vereinbarungen sind, nur mit Zustimmung des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen verfügt werden. Für Grundstücke, Gebäude und Grundpfandrechte gilt dies nur, wenn im Grundbuch ein Zustimmungsvorbehalt unter Angabe dieser Vorschrift eingetragen ist (§ 11 c Satz 2 VermG). Das Grundbuchamt trägt den Zustimmungsvorbehalt nur auf Ersuchen des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen ein (Satz 3). Gegen das Ersuchen können der eingetragene Eigentümer oder seine Erben Widerspruch erheben, der nur darauf gestützt werden kann, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vorliegen (Satz 4). In Fällen, in denen nach Art. 3 Abs. 9 Satz 2 des Abkommens vom 13. Mai 1992 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Regelung bestimmter Vermögensansprüche in Verbindung mit Art. 1 des Gesetzes zu diesem Abkommen vom 21. Dezember 1992 (BGBl 1992 II S. 1222) der Rechtstitel auf den Bund übergeht und gleichzeitig die staatliche Verwaltung endet, gelten die genannten Vorschriften entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen die für die Verwaltung des betreffenden Vermögensgegenstandes zuständige Bundesbehörde tritt (§ 11 c Satz 5 VermG).
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Das Eigentum an dem streitigen Grundstück ist aufgrund des Art. 3 Abs. 9 Satz 2 des US-Pauschalentschädigungsabkommens auf die Beklagte übergegangen und die staatliche Verwaltung hat inzwischen auch geendet. Deswegen ist das Ersuchen der Oberfinanzdirektion Berlin auf Eintragung eines Genehmigungsvorbehaltes in das Grundbuch rechtmäßig (1.). Die Regelung des § 11 c Satz 5 VermG verstößt auch nicht gegen Art. 14 GG (2.).
1. Zweck der in § 11 c Satz 5 VermG vorgesehenen entsprechenden Anwendung des § 11 c Sätze 1 bis 4 VermG ist es – ebenso wie deren unmittelbarer Regelungsbereich (vgl. dazu Urteil vom 28. September 1995 – BVerwG 7 C 50.94 – BVerwGE 99, 276 ≪281≫ = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 55 und Beschlüsse vom 25. Juli 2000 – BVerwG 3 B 73.00 – Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 16 S. 55 ≪56≫ sowie vom 16. August 2000 – BVerwG 3 B 103.00 – VIZ 2001, 260; vgl. auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 30. Dezember 1997 – 1 BvR 2339/95 u.a. – VIZ 1998, 139 ≪140≫) –, einen nochmaligen Ausgleich von Vermögensschädigungen, die der DDR zuzurechnen sind und durch Gewährung einer Entschädigung ausgeglichen werden, zu vermeiden und den Anspruch der Beklagten auf Zuordnung durch den Genehmigungsvorbehalt vorläufig zu sichern (vgl. BRDrucks 553/92 S. 5 f. zu Art. 2).
a) Die Rechtmäßigkeit eines Ersuchens gemäß § 11 c Satz 3 i.V.m. Satz 5 VermG setzt daher nur voraus, dass der betroffene Vermögenswert in das US-Pauschalentschädigungsabkommen wirksam einbezogen worden ist (vgl. für die Entschädigungsabkommen nach § 1 Abs. 8 Buchst. b VermG Urteil vom 31. Juli 1997 – BVerwG 7 C 43.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 115 S. 354 ≪356≫, sowie Beschlüsse vom 10. März 1998 – BVerwG 7 B 332.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 145 S. 442 ≪443≫ und vom 25. Juli 2000 – BVerwG 3 B 73.00 – a.a.O.). Dementsprechend sieht § 11 c Satz 4 VermG vor, dass der im Grundbuch eingetragene Eigentümer oder seine Erben einen Widerspruch gegen das Ersuchen nur darauf stützen können, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vorliegen. Für die entsprechende Anwendung der Vorschrift auf Vermögenswerte, die unter das US-Pauschalentschädigungsabkommen fallen, bedeutet dies, dass ein Widerspruch gegen das Eintragungsersuchen nur damit begründet werden kann, der Vermögenswert sei nicht nach Art. 3 Abs. 9 Satz 2 des Abkommens auf die Beklagte übergegangen, weil der Vermögenswert von dem Abkommen nicht erfasst werde oder der betroffene US-Bürger sich für die Geltendmachung von Ansprüchen nach den deutschen Vorschriften entschieden habe.
b) Nach seinem Art. 3 Abs. 9 Satz 1 stellt das Abkommen eine vollständige und abschließende Regelung und Abwicklung der Ansprüche von Staatsangehörigen der Vereinigten Staaten von Amerika nach Art. 1 des Abkommens dar, die sich nicht nach Art. 3 dafür entscheiden, innerstaatliche Verfahren der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch zu nehmen. Rechtstitel dieser Staatsangehörigen auf jegliche Vermögenswerte in der Bundesrepublik Deutschland, die durch solche Ansprüche erfasst werden, oder Rechte oder Interessen jeglicher Art an diesen Vermögenswerten gehen aufgrund dieses Abkommens mit der Feststellung des endgültigen Überweisungsbetrages auf die Bundesrepublik Deutschland über (Art. 3 Abs. 9 Satz 2 US-Pauschalentschädigungsabkommen). Nach Art. 1 erfasst das Abkommen die Ansprüche von Staatsangehörigen der Vereinigten Staaten von Amerika, die aus der Verstaatlichung, der Enteignung, staatlichem Eingriff oder sonstigen Wegnahmen oder besonderen Maßnahmen in Bezug auf das Vermögen von Staatsangehörigen der Vereinigten Staaten von Amerika vor dem 18. Oktober 1976 entstanden sind und die unter das Programm der Vereinigten Staaten von Amerika über Ansprüche gegen die Deutsche Demokratische Republik gemäß dem Bundesgesetz der Vereinigten Staaten von Amerika 94-542 vom 18. Oktober 1976 fallen. Dabei handelt es sich bei den näher beschriebenen Eingriffen einerseits und dem Anwendungsbereich des amerikanischen Bundesgesetzes von 1976 andererseits nicht um zwei nebeneinander stehende Tatbestandsvoraussetzungen. Vielmehr werden alle nach dem genannten US-Gesetz anerkannten Ansprüche gegen die DDR von dem US-Pauschalentschädigungsabkommen erfasst. Wie die Ausführungen in der Denkschrift zu dem Abkommen (BRDrucks 553/92 S. 12 f.) deutlich machen, ist die Bundesregierung zu dem Ergebnis gelangt, dass die amerikanische Seite durch die FCSC alle amerikanischen Ansprüche ermittelt und bewertet und dabei strenge Maßstäbe angelegt hat. Auch bei Anlegung deutscher Maßstäbe wäre die Entscheidung nicht wesentlich anders ausgefallen, so dass die amerikanischen Ansprüche auch pauschal durch ein Regierungsabkommen geregelt werden könnten. Auch in der Einzelbegründung zu Art. 1 des Abkommens (a.a.O. S. 13 f.) geht die Bundesregierung nur auf den Inhalt des Entschädigungsprogramms der Vereinigten Staaten ein, ohne den näher beschriebenen Eingriffsarten besondere Bedeutung zuzumessen. Da im vorliegenden Fall unstreitig das Grundstück L.straße 17 von der Rechtsvorgängerin der Klägerin nach dem US-Gesetz angemeldet und die Schädigung anerkannt worden ist, liegen daher die Voraussetzungen des Art. 1 des US-Pauschalentschädigungsabkommens vor.
Im Übrigen lässt sich der vorliegende Fall auch unter die Begriffe sonstige Wegnahmen oder besondere Maßnahmen im Sinne des Art. 1 des US-Pauschalentschädigungsabkommens fassen. Schon die Verwendung dieser Begriffe neben der Verstaatlichung oder Enteignung zeigt, dass auch die staatliche Verwaltung von Grundbesitz unter die Regelung fällt. Dies ergibt sich im Übrigen ohne weiteres auch aus Art. 2 des Gesetzes zu dem Abkommen vom 13. Mai 1992 (BGBl 1992 II S. 1222), wonach das Ende der staatlichen Verwaltung für vom Abkommen erfasste Vermögenswerte näher geregelt wird, und aus § 11 c Satz 5 VermG, der nur die Fälle der staatlichen Verwaltung betrifft. Auch die vom Beklagten zu den Streitakten gereichte Note der US-Botschaft vom 29. April 1997, wonach auch unter „zivilrechtlicher Verwaltung” stehende Liegenschaften von US-Staatsbürgern von dem Abkommen erfasst werden, macht deutlich, dass dies erst Recht für die staatliche Verwaltung von Grundstücken gelten muss. Diese Note ist entgegen der Ansicht der Klägerin bei der Auslegung des Abkommens heranzuziehen (vgl. zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge Urteil vom 31. Juli 1997 – BVerwG 7 C 43.96 – a.a.O. S. 357 und BGH, Urteil vom 14. November 1996 – III ZR 304/95 – BGHZ 134, 67 ≪70 f.≫).
Das genaue Schicksal des Grundstücks während der DDR-Zeit ist zwar vom Verwaltungsgericht nicht festgestellt worden. Auch wenn die Klägerin wiederholt darauf hingewiesen hat, dass im Grundbuch ein Verwaltervermerk nicht eingetragen war, hat sie selbst aber nicht in Zweifel gezogen, dass das Grundstück tatsächlich als Vermögen ausländischer Eigentümer unter staatliche Verwaltung gestellt worden ist und dass sie und ihre Rechtsvorgängerin von jeder Einflussnahme auf das Grundstück ausgeschlossen waren. Nach bei den Akten befindlichen Abrechnungsunterlagen war das Grundstück jedenfalls im Jahre 1986 in der Verwaltung des VEB Kommunale Wohnungsverwaltung Prenzlauer-Berg. Wie es dazu im Einzelnen gekommen ist, ist nicht ermittelt. Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass eine privatrechtliche Verwaltung etwa durch eine entsprechende Vollmacht ihrer Rechtsvorgängerin oder durch die Bestellung eines Abwesenheitspflegers vorgelegen hätte. Nach der von der Klägerin nicht in Zweifel gezogenen Auffassung der Oberfinanzdirektion ist das Grundstück wie Volkseigentum verwaltet worden und die staatliche Verwaltung bis zum Übergang des Eigentums auf die Bundesrepublik Deutschland bestehen geblieben. Dagegen spricht nichts.
c) Nach Art. 3 Abs. 1 des US-Pauschalentschädigungsabkommens konnten US-Staatsangehörige, denen ein Anspruch auf einen Teil des Abfindungsbetrages zustand, sich entscheiden, ob sie diesen Teil des Abfindungsbetrages annehmen oder das innerstaatliche Verfahren der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch nehmen wollten. Art. 3 Abs. 3 des US-Pauschalentschädigungsabkommens sieht vor, dass bei einem Staatsangehörigen der Vereinigten Staaten von Amerika, der bis zu einer von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika festzulegenden Frist keine Entscheidung getroffen hat, unterstellt wird, dass er sich dafür entschieden hat, einen Teil des Abfindungsbetrages anzunehmen. Unstreitig hat weder die Klägerin noch ein anderer der Miterben das ihnen zustehende Wahlrecht ausgeübt. Die US-Regierung hatte durch Veröffentlichung im US-Bundesanzeiger (Federal Register) vom 6. November 1992 auf das Wahlrecht und die dafür gesetzte Frist bis zum 31. Dezember 1992 hingewiesen. Unter den namentlich aufgeführten Anspruchsberechtigten war auch Glückel R. genannt. Auch wenn die persönliche Benachrichtigung an Glückel R. wegen deren Todes als unzustellbar zurückgekommen ist und die Erben tatsächlich keine individuelle Benachrichtigung erhalten haben, ändert dies nichts an der wirksamen Fristsetzung und der nach Art. 3 Abs. 3 des US-Pauschalentschädigungsabkommens eingetretenen Fiktion (vgl. dazu Beschluss vom 13. November 2000 – BVerwG 8 B 228.00 – ZOV 2001, 122 ≪zur Veröffentlichung in Buchholz unter 428 § 2 VermG vorgesehen≫).
2. § 11 c Satz 5 VermG verstößt auch nicht gegen Art. 14 GG.
a) Dabei ist zunächst festzuhalten, dass es sich bei der Regelung des § 11 c VermG nur um ein besonderes Sicherungsmittel handelt, während die formale Umschreibung des Eigentums erst nach Maßgabe des § 1 b Abs. 3 VZOG erfolgt (vgl. Urteil vom 28. September 1995 – BVerwG 7 C 50.94 – a.a.O. S. 278). Der insoweit im vorliegenden Fall ergangene Bescheid des Oberfinanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion Berlin vom 8. Juni 1998 ist Gegenstand eines gesonderten Klageverfahrens vor dem VG Berlin (VG 3 A 538/98), über das noch nicht entschieden ist.
b) Davon abgesehen, liegt auch in der Überleitung des Eigentums an dem streitigen Grundstück nach Art. 3 Abs. 9 Satz 2 des US-Pauschalentschädigungsabkommens auf die Beklagte kein rechtswidriger Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht der Klägerin. Vielmehr handelt es sich um eine sachlich gerechtfertigte Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Von dem grundgesetzlichen Schutz konnten von vornherein nur die am 3. Oktober 1990 noch bestehenden Rechtspositionen erfasst werden. Wie aber das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit den Entschädigungsabkommen nach § 1 Abs. 8 Buchst. b VermG wiederholt entschieden hat, waren die verbliebenen Befugnisse der unverändert im Grundbuch eingetragenen Eigentümer von Vermögenswerten, die unter die Regelungen über die staatliche Verwaltung von ausländischem Vermögen fielen, während der DDR-Zeit nahezu gehaltlos geworden (vgl. Urteil vom 28. September 1995 – BVerwG 7 C 50.94 – a.a.O. und Beschluss vom 12. September 1996 – BVerwG 7 B 265.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 87 S. 264 ≪265≫).
Es kommt hinzu, dass – worauf die Beklagte zu Recht hinweist – die Rechtsvorgängerin der Klägerin durch ihre Antragstellung bei der US-Behörde zu erkennen gegeben hat, dass sie mit einer Einbeziehung ihres Vermögenswertes in ein seinerzeit noch mit der DDR auszuhandelndes Entschädigungsabkommen einverstanden war. Darin ist eine Vermögensdisposition zu sehen, an der sich die Klägerin festhalten lassen muss (vgl. zu dem zwischenstaatlichen Entschädigungsabkommen DDR/Österreich, Urteil vom 31. Juli 1997 – BVerwG 7 C 43.96 – a.a.O. S. 357, 360, 361). Den Betroffenen konnte nicht unklar sein, dass der Abschluss eines entsprechenden Abkommens notwendigerweise zum endgültigen Verzicht auf die in der DDR gelegenen Vermögenswerte führen würde. Eine etwa noch bestehende Eigentumsposition war daher mit der Möglichkeit des Verlustes durch den Abschluss eines Entschädigungsabkommens belastet. Wenn sich diese nunmehr realisiert hat, liegt darin kein Verstoß gegen den Eigentumsschutz des Art. 14 GG.
Es kommt weiter hinzu, dass die betroffenen US-Staatsangehörigen die Möglichkeit hatten, auf ihren Anteil an dem Entschädigungsbetrag gegenüber den Vereinigten Staaten zu verzichten und stattdessen ihre Ansprüche nach deutschem Recht zu verfolgen. Dass dieses Wahlrecht befristet war, stellt eine sachgerechte Regelung dar und verstößt deswegen ebenso wenig gegen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes wie die in Art. 3 Abs. 3 des Abkommens geregelte Fiktion, ohne die Rechtssicherheit für die beteiligten Vertragsparteien nicht zu erreichen gewesen wäre (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der mit vergleichbaren Rechtswirkungen versehenen Ausschlussfrist des § 30 a VermG u.a. Urteil vom 28. März 1996 – BVerwG 7 C 28.95 – BVerwGE 101, 39 ≪44 f.≫ = Buchholz 428 § 30 a VermG Nr. 2 S. 2 ≪6 f.≫ und Beschluss vom 30. Juli 1998 – BVerwG 8 B 31.98 – Buchholz a.a.O. Nr. 7; die gegen diesen Beschluss eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluss vom 20. Oktober 1998 – 1 BvR 1730/98 – ZOV 1999, 23).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Müller, Dr. Pagenkopf, Krauß, Golze, Postier
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.07.2001 durch Sieber Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BVerwGE, 50 |
ZAP 2001, 1454 |