Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Freier Warenverkehr. Mengenmäßige Beschränkungen. Maßnahmen gleicher Wirkung. Mindestpreis für alkoholische Getränke, der sich nach der Alkoholmenge in dem Erzeugnis errechnet. Rechtfertigung. Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen. Beurteilung durch das nationale Gericht
Normenkette
Verordnung (EU) Nr. 1308/2013; AEUV Art. 36, 34
Beteiligte
Scotch Whisky Association u.a |
Scotch Whisky Association |
Comité de la Communauté économique européenne des Industries et du Commerce des Vins, Vins aromatisés, Vins mousseux, Vins de liqueur et autres Produits de la Vigne (CEEV) |
Advocate General for Scotland |
Tenor
1. Die Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht entgegensteht, die für den Verkauf von Wein im Einzelhandel einen Mindestpreis pro Alkoholeinheit vorgibt, sofern diese Maßnahme tatsächlich geeignet ist, das Ziel, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, zu gewährleisten und unter Berücksichtigung der Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik sowie des guten Funktionierens der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um das genannte Ziel, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, zu erreichen.
2. Die Art. 34 AEUV und 36 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat verwehren, dass er sich, wenn er das Ziel, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, dadurch erreichen möchte, dass er den Alkoholkonsum verteuert, für eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige entscheidet, die für den Verkauf alkoholischer Getränke im Einzelhandel einen Mindestpreis pro Alkoholeinheit vorgibt, und von einer Maßnahme wie einer Verbrauchsteuer Abstand nimmt, die den Handelsverkehr und den Wettbewerb innerhalb der Europäischen Union weniger einschränken würde. Ob dies der Fall ist, hat das vorlegende Gericht anhand einer eingehenden Prüfung aller einschlägigen Gesichtspunkte der bei ihm anhängigen Rechtssache zu ermitteln. Die Tatsache allein, dass die letztgenannte Maßnahme geeignet ist, weitere, zusätzliche Vorteile mit sich zu bringen und dem Ziel der Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs in einer umfassenderen Weise zu dienen, vermag es nicht zu rechtfertigen, von dieser Maßnahme Abstand zu nehmen.
3. Art. 36 AEUV ist dahin auszulegen, dass ein nationales Gericht, wenn es eine nationale Regelung darauf prüft, ob sie zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen nach diesem Artikel gerechtfertigt ist, objektiv prüfen muss, ob die von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgelegten Beweise bei verständiger Würdigung die Einschätzung erlauben, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung der verfolgten Ziele geeignet sind, und ob es möglich ist, diese Ziele durch Maßnahmen zu erreichen, die den freien Warenverkehr und die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte weniger einschränken.
4. Art. 36 AEUV ist dahin auszulegen, dass die Kontrolle der Verhältnismäßigkeit einer nationalen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren streitigen nicht auf die Angaben, Beweismittel oder sonstigen Unterlagen beschränkt ist, die dem Gesetzgeber bei ihrem Erlass zur Verfügung gestanden haben. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens muss die Kontrolle der Vereinbarkeit dieser Maßnahme mit dem Unionsrecht auf der Grundlage der Angaben, Beweismittel und sonstigen Unterlagen erfolgen, die dem nationalen Gericht gemäß den Bedingungen seines nationalen Rechts zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zur Verfügung stehen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Court of Session (Scotland) (Oberster Gerichtshof Schottlands, Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 3. Juli 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Juli 2014, in dem Verfahren
Scotch Whisky Association,
spiritsEUROPE,
Comité de la Communauté économique européenne des Industries et du Commerce des Vins, Vins aromatisés, Vins mousseux, Vins de liqueur et autres Produits de la Vigne (CEEV)
gegen
Lord Advocate,
Advocate General for Scotland
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin der Ersten Kammer R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zweiten Kammer sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, A. Arabadjiev, C. Lycourgos (Berichterstatter) und J.-C. Bonichot,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2015,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Scotch Whisky Association, der Verein...