Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist

 

Normenkette

ZPO § § 233 ff., § 520 Abs. 2, § 522 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 9 O 538/01)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 06.05.2008; Aktenzeichen VI ZB 16/07)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

2. Der Beschluss vom 30.11.2006 wird auf den als Gegenvorstellung anzusehenden erneuten Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin nicht geändert.

3. Der Gebührenstreitwert des zweiten Rechtszuges beträgt 146.252,06 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin wirft der Beklagten vor, deren Ärzte hätten in der Operation am 16.3.1989 entgegen der Planung statt der Bandscheibe L5/S1 die Bandscheibe L4/L5 operiert, weshalb am 9.4.1994 die weitere Operation, die zu einer Nervverletzung führte, erforderlich gewesen wäre. Ihre Beschwerden seien auf die Operationen zurückzuführen.

Sie begehrt Schmerzensgeld (mindestens 45.016,27 EUR), Schadenersatz (Verdienstausfall von 56.242,11 EUR und 18.917,80 EUR) sowie Feststellung der materiellen Ersatzpflicht der Beklagten.

Das LG hat die Beklagte mit am 28.2.2006 verkündeten Urteil zur Zahlung von 1.000 EUR Schmerzensgeld verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Gegen das ihr am 20.3.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 7.4.2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und angekündigt, die Berufungsbegründung erfolge mit gesondertem Schriftsatz.

Auf rechtzeitigen Antrag der Klägerin ist sodann die Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.6.2006 verlängert worden.

Mit am 22.6.2006 eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin nunmehr unter Bezugnahme auf den Entwurf der Berufungsbegründung Prozesskostenhilfe beantragt und klargestellt, dass die Berufung nur im Umfang der Bewilligung durchgeführt werden würde. Sie beabsichtige nach Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag einen Antrag auf Wiedereinsetzung zu stellen.

Dem Schriftsatz lag die vollständige, 14-seitige und unterschriebene Berufungsbegründung vom 22.6.2006 bei. Der Schriftsatz ist mit der Überschrift "Entwurf einer Berufungsbegründung" versehen.

Der Senat hat den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin mit Beschluss vom 30.11.2006 zurückgewiesen, weil die Berufung als unzulässig zu verwerfen sein werde. Der Entwurf der Berufungsbegründung könne nicht als Berufungsbegründung genügen und der angekündigte Wiedereinsetzungsantrag werde scheitern müssen, weil die Berufungsbegründung als Entwurf bereits vollständig erstellt und eingereicht sei, weshalb die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nicht mehr auf dem wirtschaftlichen Unvermögen der Klägerin beruhen könne.

Der Beschluss ist der Klägerin am 14.12.2006 zugestellt worden.

Mit am 28.12.2006 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Wiedereinsetzung und erneut Prozesskostenhilfe beantragt. Zugleich hat sie mit weiterem Schriftsatz die Berufung begründet. Der Schriftsatz entspricht zunächst bis auf zwei geringfügige Abweichungen dem Entwurf. Sodann hat der Prozessbevollmächtigte ausgeführt, dass er im sicheren Bewusstsein Prozesskostenhilfe zu erhalten, weiter tätig geworden sei und ergänzt die Berufungsbegründung im Hinblick hierauf mit Ausführungen um knapp vier Seiten. Weitere geplante zeitaufwendige Recherchen hätten erst nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgen sollen und seien jetzt nicht durchgeführt worden.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Ansicht des Senats verstoße gegen die Grundsätze der Rechtsprechung des VI. Senats des BGH und verstoße gegen all das, was ihr Prozessbevollmächtigter den einschlägigen Formularbüchern und sonstigen Fachbüchern entnommen habe. Er habe sich, weil er bereits in einem anderen Fall vor dem Senat gescheitert sei (Anmerkung: auch dort wurde die Berufung verworfen, was vom BGH bestätigt wurde), minutiös an dem Beck'schen Prozessformularbuch in 9. Aufl. orientiert. Insbesondere sei er dem dort aufgeführten Vorschlag zu I. C. 3 gefolgt. Sie verweist ferner auf die erstinstanzliche Handhabung, Prozesskostenhilfeanträgen einen Klageentwurf beizufügen. Die Berufungsbegründung bereits endgültig einzureichen, bedeute ein Kostenrisiko. Eine Begründung des Prozesskostenhilfeantrages müsse ihr Prozessbevollmächtigter aber liefern, sonst bestünde das Risiko der Ablehnung, weil der Senat nicht in die Lage versetzt würde, die Erfolgsaussichten einigermaßen intensiv zu prüfen. Der Entwurf sei nicht vollständig gewesen, es hätten noch weitere Recherchen stattfinden sollen und ihr Prozessbevollmächtigter habe sich im Hinblick auf ihr wirtschaftliches Unvermögen auch geweigert, die Berufung bereits vollständig zu begründen.

Zur Glaubhaftmachung der Verweigerung bezieht sie sich auf eine Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten vom 27.12.2006.

Die Beklagte verweist darauf, dass die Vorgehensweise nicht dem Muster im Beck'schen Prozessformularbuch entspreche und es nicht zwingend ersichtlich sei, dass der Entwurf keine vollständige Begründung gewesen sein solle. Die Behauptung der...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge