Entscheidungsstichwort (Thema)
Duldungsanspruch bei einer vom Grundbuchinhalt abweichenden tatsächlichen Bauausführung des Sondereigentums
Leitsatz (amtlich)
1. Ist die Trennwand zwischen zwei Wohnungseigentumseinheiten im Dachgeschoss gegenüber dem Grundbuchinhalt in wesentlichem Umfang (hier: mehr als 4 m²) verschoben, besteht grundsätzlich ein Anspruch des benachteiligten Wohnungseigentümers gegen den bevorzugten Wohnungsnachbarn auf Duldung der Anpassung der Bauausführung an die im Grundbuch eingetragenen Grenzen des Sondereigentums (ordnungsgemäße Erstherstellung).
2. Ist die Verschiebung der Trennwand bautechnisch unmöglich oder steht der dafür erforderliche Kostenaufwand in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem Raumgewinn, besteht ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich Zug um Zug gegen Bewilligung der Änderung der Teilungserklärung im Sinne einer Anpassung der rechtlichen Beschreibung im Aufteilungsplan an die tatsächlichen Verhältnisse.
3. Das Wohnungseigentumsgericht hat die Durchführbarkeit des Umbaus bzw. dessen Unverhältnismäßigkeit zu prüfen; hilfsweise ist auch der Ausgleichsanspruch Gegenstand des Verfahrens auf Duldung des Umbaus gegen den Wohnungsnachbarn.
Normenkette
WEG §§ 4-5, 7 Abs. 4; BGB § 925
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 25.08.2000; Aktenzeichen 85 T 141/99) |
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 76 II (WEG) 362/98) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.
Das Landgericht hat über die Gerichtskosten dritter Instanz zu befinden. Außergerichtliche Kosten sind für das vorliegende Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 15.000,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Das Grundstück, auf dem die Wohnanlage liegt, wurde etwa im Jahre 1901 mit einem Berliner Altbau bebaut, der über ein Vorderhaus und zwei Seitenflügel verfügt. An dem Grundstück wurde durch Teilungserklärung vom 4. Oktober 1977 Wohnungseigentum begründet, wobei in dem Erdgeschoss und den drei Obergeschossen insgesamt 16 Einheiten gebildet wurden, während das Dachgeschoss noch nicht ausgebaut war. Im Jahre 1990 plante die Gemeinschaft, den unausgebauten Dachraum des Gebäudes an einen Dritten zum Zwecke des Dachausbaues zu verkaufen. Durch notarielle Urkunde vom 13. September 1990 wurden in dem bisher nicht ausgebauten Dachgeschoss zwei weitere Einheiten, nämlich Nr. … und …, gebildet. Unter Reduzierung der Miteigentumsanteile für die Einheiten Nr. … bis … wurde den neu geschaffenen Einheiten Nr. … und … jeweils 97/1000tel Miteigentumsanteile in Ansatz gebracht. Nach der notariellen Urkunde vom 13. September 1990 in Verbindung mit einem als Anlage 2 beigefügten Grundriss sollten die neu geplanten Einheiten Nr. … und … im Dachgeschoss jeweils links und rechts vom Treppenhaus des Vorderhauses entstehen, über spiegelbildliche Grundrisse verfügen und jeweils etwa 132,42 m² groß sein. Die Wohnungstrennwand war mittig gegenüber dem Treppenhaus geplant. Nach den notariellen Urkunden vom 25. September 1990 und 13. Februar 1991 wurden die Miteigentumsanteile bezüglich der anderen Wohneinheiten nochmals verändert, während für die Einheiten Nr. … und … der Miteigentumsanteil von jeweils 97/1000tel und jeweils eine Größe von ca. 132,42 m² bestätigt wurde. Als erste Eigentümer der Einheiten Nr. … und … wurden am 3. Juni 1991 die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft eingetragen. Mit Kaufvertrag vom 9. Oktober 1990 veräußerte die Gemeinschaft die Einheiten Nr. … und … an die IRIS-GmbH, die am 4. Juni 1991 eingetragen wurde und die Errichtung zweier gleich großer Einheiten plante. Die … G. führte den Ausbau des Dachraums zu Wohnungen nicht durch, sondern veräußerte die Einheiten mit Kaufvertrag vom 28. März 1991 an den Erwerber P., der am 24. März 1993 eingetragen wurde. In dem Kaufvertrag wurden die beiden Wohnungseigentumsrechte mit der Größe von jeweils ca. 132,42 DM m² angegeben. Der Erwerber P. führte den Ausbau des Dachraums zu Wohnraum durch. Bei der Durchführung des Dachausbaus stellte sich jedoch heraus, dass der Ausbau wegen der Beschaffenheit des Dachstuhls zum Teil in Abweichung von den ursprünglich geplanten spiegelbildlichen Grundrissen erfolgen musste. Die Situation im Treppenhaus vor dem Eingangsbereich zu den Einheiten Nr. … und … musste verändert werden, da das Treppenpodest nicht die erforderliche Höhe für die Schaffung des Eingangsbereichs aufwies. Als der Dachausbau abweichend von der erteilten Bauerlaubnis begonnen wurde, sperrte das Bezirksamt durch Verfügung vom 27. Mai 1991 vorübergehend die Baustelle wegen des Nichtvorliegens statischer Nachweise. In der Folgezeit wurden die Grundrisse der Wohnungen Nr. … und … bei der tatsächlichen Bauausführung wie folgt geändert: Der Eingangsbereich vom Treppenhaus zu den Wohnungen wurde vom Treppenpodest gesehen weiter in den Innenbereich der Wohnungen hineinverlegt, was von keiner Seite beanstandet wurde oder wird. Ferner ...