Leitsatz (amtlich)

Berechtigten Geheimhaltungsinteressen einer Partei oder auch Dritter kann im Rahmen des von § 142 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessens bereits bei der Vorlageanordnung Rechnung zu tragen sein. Im Ergebnis einer solchen Ermessensentscheidung kann der Verschwiegenheitspflicht des beklagten Notars aus § 18 BNotO der Vorrang gegenüber dem prozessualen Aufklärungsinteresse der Klägerseite zukommen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 17.10.2012; Aktenzeichen 84 O 157/11)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 17.07.2014; Aktenzeichen III ZR 514/13)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Berlin vom 17.10.2012 - 84 O 157/11 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadenersatz wegen behaupteter Amtspflichtverletzungen in Anspruch.

Die Klägerin finanzierte den Erwerb zweier Eigentumswohnungen auf Käuferseite (Darlehensantrag vom 29.8.2008 - Anlage K6, Darlehenszusage vom 8.9.2008 - Anlage K7). Die Darlehensnehmer der Klägerin (im Folgenden: Käufer) gaben hierzu am 19.6.2008 vor dem Notar G. ein Angebot (Anlage K1) auf Abschluss eines Kaufvertrages zu einem Gesamtkaufpreis i.H.v. 235.000 EUR (im Folgenden: Verkaufsvertrag) ab. Am 1.7.2008 beurkundete der Beklagte die Annahmeerklärung des Verkäufers (Anlage K2). Der Beklagte wurde mit dem Vollzug des Verkaufsvertrages beauftragt.

Der Verkäufer hatte die Eigentumswohnungen seinerseits durch die vor dem amtlich bestellten Vertreter des Beklagten geschlossenen Kaufverträge vom 1.10.2007 (Anlagen K22 und 23 - im Folgenden: Ankaufsverträge) von den Voreigentümern zu Kaufpreisen von 43.500 EUR sowie 40.000 EUR erworben. Der Beklagte war auch mit dem Vollzug dieser Ankaufsverträge beauftragt.

Seit Januar 2008 war jede der Eigentumswohnungen mit jeweils einer Grundschuld ( i.H.v. 48.000 EUR bzw. 44.000 EUR) belastet (im Folgenden Vorlasten), die - nach dem bestrittenen Vortrag des Beklagten - der Finanzierung des vom Verkäufer aufzubringenden Kaufpreises aus dem Ankaufsvertrag dienten. Auf den Löschungsantrag des Beklagten vom 23.10.2008 (Anlage B13) wurden die Vorlasten am 5.11.2008 unter Verwendung der Löschungsbewilligungen des Grundschuldgläubigers der Vorlasten vom 13.12.2007 im Grundbuch gelöscht.

Das Finanzierungsdarlehen der Klägerin zur Zahlung des Kaufpreises aus dem Verkaufsvertrag wurde i.H.v. 232.500 EUR von der Klägerin zur Verwendung gemäß deren Treuhandauftrag vom 10.10.2008 (Anlage K16) auf ein Notaranderkonto des Beklagten gezahlt. Danach machte die Klägerin die Verfügung über den hinterlegten Betrag davon abhängig, dass die Eintragung einer zugunsten der Klägerin zu bestellenden Grundschuld sichergestellt ist. Nach dem Treuhandauftrag sollte die Eintragung der Grundschuld sichergestellt sein, wenn u.a. der Beklagte beim Grundbuchamt die Urkunde zur Bestellung der Grundschuld vorgelegt und den Eintragungsantrag auch im Namen der Klägerin gestellt hat, dem Beklagten zur Bereitstellung des verlangten Ranges der Grundschuld sämtliche erforderlichen Unterlagen zur Verfügung standen, wobei der Gebrauch der Unterlagen spätestens Zug um Zug gegen Zahlung der Ablösebeträge gestattet sein musste, sonstige Eintragungen, die die Grundschuld beeinträchtigen konnten, nicht vorlagen, der Kaufpreis vollständig hinterlegt war.

Die Grundschuld zugunsten der Klägerin wurde am 17.9.2008 vor dem Beklagten unter Ausnutzung einer Belastungsvollmacht des Verkäufers (§ 4 des Verkaufsvertrages) mit entsprechender Rangrücktrittserklärung des Verkäufers (§ 4 Abs. 5 des Verkaufsvertrages) bestellt (Anlage K15). Der Beklagte reichte die Grundschuldbestellungsurkunde am 6.10.2008 beim Grundbuchamt ein, wobei er den Eintragungsantrag auch im Namen der Klägerin stellte (Anlage B12).

Am 14.10.2008 wurden unter dem Namen der Käufer deren eigener Kaufpreisanteil von 2.500 EUR zugunsten des Notaranderkontos des Beklagten eingezahlt.

Die Anträge zur Eigentumsumschreibung auf den Verkäufer stellte der Beklagte am 1.8.2008 (für die Wohnung Nr. 8) sowie am 6.10.2008 (für die Wohnung Nr. 9). Der Verkäufer wurde am 3. bzw. 5.11.2008 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Die Auflassungsvormerkung zugunsten der Käufer sowie die Grundschuld zugunsten der Klägerin wurden bei gleichzeitiger Löschung der Vorlasten am 5.11.2008 im Grundbuch eingetragen (Anlage K4).

Mit Belegdatum gemäß Massebuch (Anlage K16) vom 17.10.2008 verfügt der Beklagte über die auf dem Notaranderkonto verwahrten Beträge. Hierbei überwies er 1.410,54 EUR, 1.607,27 EUR sowie 3.000 EUR (Ziff. 3, 4 und 5 des Massebuches) mit der Bezeichnung des Auftraggebers bzw. Em...

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