Leitsatz (amtlich)

1. Eine Klausel in vorformulierten Vertragsbedingungen eines Konzessionsvertrages im Bundesfernstraßenbau, die vorsieht, dass der Auftragnehmer mit Ansprüchen auf Erstattung von Mehrkosten allein schon wegen der Verletzung von Anzeigepflichten ausgeschlossen ist, verstößt gegen § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB.

2. Eine Regelung, durch die dem Konzessionsnehmer das "Baugrundrisiko" auferlegt wird, verstößt dann gegen § 307 Abs. 1 BGB, wenn das Boden- und Wasserrisiko in unangemessener Weise auf den Auftraggeber übergewälzt wird. Das ist nicht der Fall, wenn der Auftraggeber auch die für den Bau erforderlichen Planungsleistungen übernimmt und das Risiko für nicht erkennbare Risiken beim Auftraggeber verbleibt.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 15.07.2011; Aktenzeichen 15 O 217/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - das am 15.7.2011 verkündete Urteil des LG Berlin - 15 O 217/10 - geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an dem im Rubrum angegebenen Bundesverkehrsminister, zu unterlassen, in Ausschreibungsverfahren und/oder im Zusammenhang mit der Einholung von Angeboten, bei der Beauftragung, der Durchführung oder der Abrechnung von Bauleistungen oder Verträgen über Bauleistungen, in AGB gegenüber kaufmännischen und nicht kaufmännischen Unternehmen folgende oder inhaltsgleiche Klauseln zu verwenden, ihre Vertreter verwenden zu lassen oder sich bei der Abwicklung bestehender Vertragsverhältnisse auf diese Klauseln - betreffend die Klauseln 27.6. und 27.7. allerdings nur, soweit der Text unterstrichen ist - zu berufen:

16.11 Die Geltendmachung unvorhersehbarer Mehrkosten ist ausgeschlossen, wenn der Konzessionsnehmer seinen Pflichten gem. § 16.10 nicht ordnungsgemäß nachkommt. Der Kostenerstattungsanspruch ist maximal auf die in dem Bericht des Konzessionsnehmers nach § 16.10.4 ausgewiesenen Kosten beschränkt. Die Sätze 1 und 2 sowie der

§ 16.10 gelten entsprechend, wenn dem Konzessionsnehmer das Vorhandensein der Leitungen aus anderen Quellen bekannt wurde oder bekannt werden musste.

27.6 Sind die Feststellungen zu den Bohrprofilen und Bodenkennwerten, für die der Konzessionsgeber gem. § 27.2 einsteht, nicht zutreffend ermittelt und war dies für den Konzessionsnehmer nicht vorhersehbar, werden die durch diese Abweichungen der Bodengrundverhältnisse verursachten notwendigen und angemessenen Mehrkosten der Erstellung des Bauwerks als unvorhersehbare Mehrkosten vom Konzessionsgeber dem Konzessionsnehmer gesondert vergütet, wenn der Konzessionsnehmer seinen Verpflichtungen nach § 27.3 bis § 27.5 ordnungsgemäß nachgekommen ist. Der Kostenerstattungsanspruch ist auf die in dem Bericht des Konzessionsnehmers nach § 27.4 ausgewiesenen Kosten beschränkt.

27.7 Werden bei der Umsetzung des Konzessionszwecks Altlasten, Denkmäler oder Kampfmittel gefunden, für die der Konzessionsgeber gem. § 27.2 einzustehen hat, erhält der Konzessionsnehmer die dadurch verursachten notwendigen und angemessenen Kosten der Beseitigung als unvorhersehbare Mehrkosten gesondert vergütet, wenn der Konzessionsnehmer seinen Verpflichtungen nach § 27.3 bis § 27.5 ordnungsgemäß nachgekommen ist. Der Kostenerstattungsanspruch ist auf die in dem Bericht des Konzessionsnehmers nach § 27.4 ausgewiesenen Kosten beschränkt. Kein Anspruch besteht für die Kosten einer eventuellen Bauverzögerung, die durch die Entdeckung von Altlasten, Denkmälern oder Kampfmittel entsteht.

27.8 Unter den Voraussetzungen der § 27.6 oder § 27.7 hat der Konzessionsnehmer auch Anspruch auf eine Anpassung des Terminplans. Die Anpassung erfolgt nach Maßgabe des § 26.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 70 % und die Beklagte 30 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist ein bundesweit tätiger Wirtschaftsverband, der die Interessen der mittelständischen Bauunternehmen vertritt. Mit der Klage begehrt er die Verwendung bestimmter AGB- Klauseln, die - wie er geltend macht - zwischen der Beklagten als Konzessionsgeberin und unterschiedlichen Projektgesellschaften als Konzessionsnehmern im Bundesfernstraßenbau im Rahmen sog. ÖPP (Öffentlich-Private-Partnerschaft)- Modelle in Form sog. A-Modelle (Autobahn-Ausbau-Modell) Verwendung gefunden hätten, zu untersagen. Das genannte Modell ist dadurch gekennzeichnet, dass ein privates Unternehmen für den Aus- oder Neubau und die Finanzierung eines Streckenabschnittes einer Bundesfernstraße verantwortlich ist und dieses Unternehmen (der Konzessionsnehmer) die Erhaltung und den Betrieb darüber hinaus für 30 Jahre übernimmt. Die Refinanzierung gestaltet sich über die Einnahmen aus der Lkw-Maut und ggf. einer Anschubfinanzierung.

Wegen der tatsächl...

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