Leitsatz (amtlich)
Zum Unterlassungsanspruch wegen einer österreichischen Internet-Veröffentlichung.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 11.11.2004; Aktenzeichen 27 O 825/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 24.5.2005 verkündete Urteil des LG Berlin - 27 O 825/04 - geändert, die einstweilige Verfügung des LG Berlin vom 11.11.2004 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I. Der Antragsteller ist deutscher Staatsbürger und war früher in Österreich tätig. Dort war er in den 90er Jahren in den Bank-B.-Skandal verstrickt. In diesem Zusammenhang wurde er vom LG Berlin am 26.5.2001 wegen Untreue etc. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt; zum 13.10.2003 wurde die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt. Am 9.5.1998 war er mit seiner Frau Zeuge eines Überfalles auf ein W. Juweliergeschäft, bei dem dessen Geschäftsführer erschossen wurde. Der Antragsteller und seine Frau wurden im September 2004 vom W. LG per Videokonferenz als Zeugen vernommen, nachdem sie eine Anreise nach Österreich abgelehnt hatten. Hierüber berichtete die in Österreich ansässige Antragsgegnerin auf ihren Internetseiten "b.o.at" und "w.o.at".
Mit dem angefochtenen Urteil hat das LG die einstweilige Verfügung vom 11.11.2004 bestätigt, wonach der Antragsgegnerin untersagt ist, im Zusammenhang mit einer Berichterstattung über den im Mai 1998 stattgefundenen Überfall auf die W. Filiale des Juweliers H. den Namen (auch Alias-Namen) des Antragstellers zu nennen.
II. Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat Erfolg. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet.
1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit - die trotz § 513 Abs. 2 ZPO auch in 2. Instanz zu prüfen ist (vgl. BGH v. 16.12.2003 - XI ZR 474/02, BGHReport 2004, 549 m. Anm. Kilian = MDR 2004, 707 = NJW 2004, 1456) - ist vom LG zu Recht bejaht worden. Gemäß Art. 5 Nr. 3, Art. 60 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) kann eine Gesellschaft oder juristische Person, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in einem Mitgliedsstaat hat, wegen einer unerlaubten Handlung in einem anderen Mitgliedsstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Es mag dahinstehen, ob hierfür bei einer Internet-Veröffentlichung genügt, dass sie am Ort des Gerichts abgerufen werden kann (vgl. KG v. 25.3.1997 - 5 U 659/97, KGReport Berlin 1997, 235 = CR 1997, 685 zu § 32 ZPO), oder ob sie tatsächlich abgerufen worden sein muss. Die Antragsgegnerin hat - auch bei der Erörterung dieses Punktes in der mündlichen Verhandlung vom 24.3.2006 - nicht bestritten, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers die streitgegenständlichen Internet-Seiten am 4.10.2004 in Berlin abgerufen hat.
2. Materiell ist entsprechend dem Herkunftslandprinzip des § 5 Abs. 2 und 5 MDStV österreichisches Recht maßgebend. Die angegriffene Veröffentlichung ist von der Antragsgegnerin als in Österreich niedergelassenem Diensteanbieter durch einen an die Allgemeinheit gerichteten Informationsdienst i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 MDStV, nämlich einen Abrufdienst (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 MDStV), verbreitet worden. Dass die Internetseiten unentgeltlich abzurufen sind, steht der Geschäftsmäßigkeit des Mediendienstes i.S.v. § 3 Nr. 6 MDStV nicht entgegen (vgl. Spindler/Schmitz/Geis, TDG, § 4 Rz. 12, m.w.N.).
3. Ein Anspruch des Antragstellers, im Zusammenhang mit dem Überfall nicht namentlich genannt zu werden, ist nach österreichischem Recht nicht anzunehmen:
a) Anspruchsgrundlage für einen solchen Unterlassungsanspruch könnte allein die Generalklausel des § 16 S. 1 ABGB sein
"Jeder Mensch hat angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten."
Ihr kommt zentrale Bedeutung für die österreichische Rechtsordnung zu (vgl. Dittrich/Tades, ABGB, 20. Aufl. 2002, § 16). Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht leitet sich auch ein Recht auf Namensanonymität ab (vgl. OGH v. 23.9.2004 - 6 Ob 92/04d, Juris; Dittrich/Tades, ABGB, 20. Aufl. 2002, § 16 und das von der Antragsgegnerin eingereichte Gutachten von Prof. B., S. 18 jeweils m.w.N.). Der Name eines Dritten darf nur in Zusammenhängen erwähnt werden, zu deren Erwähnung der Namensträger sachlich Anlass gegeben hat (vgl. OGH v. 23.9.2004 - 6 Ob 92/04d, Juris).
Für die Frage, ob ein solcher sachlicher Anlass bestand, müssen § 113 des österreichischen StGB und die Entschädigungstatbestände in §§ 7, 7a MedienG mit berücksichtigt werden. Nach den überzeugenden (und seitens des Antragstellers unwidersprochenen) Ausführungen von Prof. B. können zivilrechtliche Unterlassungsansprüche zwar nicht auf die medienrechtlichen Tatbestände gestützt w...