Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu Schadensersatzansprüchen gegen den Insolvenzverwalter wegen uneinbringlicher Hausgeldforderungen einer Wohnungseigentümergemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
Im Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Wohnungseigentümers begründet die vom Insolvenzverwalter unterlassene Freigabe des Wohnungseigentums einen Schadensersatzanspruch der Wohnungseigentümergemeinschaft wegen entgangenen Hausgeldes weder aus § 61 InsO noch aus § 60 InsO.
Verfahrensgang
AG Stuttgart (Urteil vom 22.11.2007; Aktenzeichen 62 C 4089/07) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 22.11.2007 – Az.: 62 C 4089/07 – wird
zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 1 690,23 EUR
Tatbestand
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 22.11.2007 wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Von der Darstellung des Berufungsvorbringens wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Amtsgericht Stuttgart hat die Klage in dem angefochtenen Urteil vom 22.11.2007 im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Der Klägerin steht nach den gesamten Umständen gegenüber dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch weder gemäß § 60 InsO noch gemäß § 61 InsO zu.
Nach § 61 S. 1 InsO ist der Verwalter dem Massegläubiger zum Schadensersatz verpflichtet, wenn eine Masseverbindlichkeit, die durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet worden ist, aus der Insolvenzmasse nicht voll erfüllt werden kann.
Die Klägerin macht insoweit zunächst zwar zutreffend geltend, dass es sich bei den streitgegenständlichen Hausgeldansprüchen für die Zeit von Januar 2006 bis August 2006 in Höhe von 1 128,00 EUR und dem Fehlbetrag aus der Verwaltungsabrechnung 2005 in Höhe von 562,23 EUR um Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 InsO handelt. Nach allgemeiner Auffassung sind die in der Insolvenz eines Wohnungseigentümers nach Insolvenzeröffnung begründeten Wohngeldansprüche Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 („in anderer Weise”) (vgl. hierzu Münchener Kommentar, InsO, Band 1, 2. Aufl. 2007, § 55 Rdnr. 76; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. 2003, § 55 Rdnr. 38). Da die streitgegenständlichen Forderungen in Höhe von insgesamt 1 690,23 EUR erst entstanden sind, nachdem der Beklagte als Insolvenzverwalter am 08.09.2004 Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte, handelt es sich bei diesen Forderungen um Neumasseverbindlichkeiten i.S.d. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO (vgl. dazu Kübler/Prütting, InsO, Stand 01/08, § 209 Rdnr. 10b; BGHZ 154, 358 = ZIP 2003, 914 = NJW 2003, 2454).
Für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus § 61 InsO fehlt es jedoch an den weiteren Voraussetzungen, nämlich einer Rechtshandlung des Insolvenzverwalters im Sinne dieser Vorschrift sowie einem dadurch kausal verursachten Schaden der Klägerin.
Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass eine „Rechtshandlung” im Sinne der Insolvenzordnung jede Willensbetätigung sei, die eine rechtliche Wirkung auslöst, gleichgültig, ob diese gewollt war oder nicht, und dass nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern auch geschäftsähnliche Handlungen und Realakte, denen das Gesetz Rechtswirkung beimisst, erfasst werden, ist dies für den Begriff der Rechtshandlung im Sinne der Insolvenzanfechtung nach den §§ 129 ff. InsO zutreffend (vgl. dazu die von der Klägerin zitierten Entscheidungen des BGH vom 12.02.2004 – ZIP 2004, 620 = NJW 2004, 1660 – und vom 14.12.2006 – ZIP 2007, 191 = NJW 2007, 1588). Insoweit stellt § 129 Abs. 2 InsO die Unterlassung einer Rechtshandlung gleich.
Diese für den Bereich der Rechtshandlungen des Schuldners im Sinne der Insolvenzanfechtung geltende Definition kann aber nicht ohne Weiteres auf den Begriff der Rechtshandlung des Insolvenzverwalters i.S.d. § 61 InsO übertragen werden. Vielmehr ist der Begriff der „Rechtshandlung des Insolvenzverwalters” i.S.d. § 61 InsO unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 61 InsO auszulegen. Entsprechend dem Zweck des § 61 InsO, die Bereitschaft zur Kreditgewährung an die Masse zu fördern, betrifft § 61 InsO hauptsächlich die Begründung von Masseverbindlichkeiten durch Vertragsschluss und daneben noch die Erfüllungswahl und die unterlassene Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses (BGH ZIP 2005, 131 = NJW 2005, 901 unter Hinweis auf BT-Drucks. 12/2443 S. 129 f.; Münchener Kommentar, a.a.O., §§ 60, 61 Rdnr. 34). Bei dem vorliegend streitgegenständlichen Verhalten des Beklagten geht es jedoch nicht um Rechtshandlungen in diesem Sinne, nämlich um einen Vertragsschluss, eine Erfüllungswahl oder eine unterlassene Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses. Vielmehr geht es vorliegend um den Vorwurf gegenüber dem Beklagten, dass er es unterlassen habe, das Wohnungseigentum des Insolvenzschuldners „rechtzeitig” freizugeben. Dieses Verhalten des Inso...