Normenkette

BGB § 1671 Abs. 2 Nr. 2, § 1687 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

AG Hainichen (Aktenzeichen 1 F 332/01)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 17.03.2004; Aktenzeichen XII ZB 192/02)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die in Ziff. 2 des Urteils des AG – FamG – … vom 21.5.2002 getroffene Regelung zur elterlichen Sorge wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Beschwerdewert: 900 Euro.

 

Gründe

I. Mit Urteil vom 21.5.2002 schied das AG … die am 1.7.1989 geschlossen Ehe der Parteien, aus der die Kinder B., geb. am 24.9.1985, und A., geb. am 19.12.1993, hervorgegangen sind, regelte den Versorgungsausgleich und übertrug in Abänderung einer am 3.4.2001 getroffenen und familienrichterlich genehmigten Elternvereinbarung dem Antragsteller das Recht, über den Aufenthalt … zu bestimmen. Hiergegen legte die Antragsgegnerin in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Beschwerde ein; sie will erreichen, dass es bei der Elternvereinbarung vom 3.4.2001 verbleibt, wonach der Sohn beim Vater, die Tochter aber bei der Mutter aufwächst. Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringes wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Der Senat holte ergänzende Berichte der Jungendämter … ein und hörte die Parteien und beide Kinder an.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Der Senat entscheidet lediglich im Rahmen der angefallenen Beschwer, d.h. über das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A. bei i.Ü. fortbestehender gemeinsamer Sorge für A. und ihren Bruder B.

1. Zur Überzeugung des Senats entspricht die Regelung des AG im Urteil vom 21.5.2002 dem Wohl des Kindes A. mehr als die am 3.4.2001 getroffene Elternvereinbarung. Dabei steht nicht im Vordergrund, dass die äußeren – häuslichen – Bedingungen beim Vater – der nach wie vor in dörflicher Umgebung in einem Haus mit Garten wohnt, in dem A. bis zur Trennung der Eltern aufwuchs – geringfügig besser erscheinen als die bei der Mutter, die mit ihrem neuen Lebensgefährten eine Wohnung in einem Mietshaus bezogen hat, in der A. ein eigenes Zimmer (und ein eigener Fernsehapparat) zur Verfügung steht.

Entscheidend ist im vorliegenden Fall die Bindung der Geschwister zueinander. Diese ist – trotz des Altersunterschieds – ganz besonders innig und deutlich spürbar: A., die ihren Bruder beim Anhörungstermin nach zwei Monaten erstmals wiedersah, hatte diesem ein Geschenk mitgebracht, Bruder und Schwester umarmten und drückten sich bei der Begrüßung; B. betonte bei seiner Anhörung, er vermisse seine Schwester, es wäre ihm lieber, wenn sie wieder nach … zurückkäme.

Es ist allgemein anerkannt, dass der Kontinuität der Geschwisterbeziehung dann besondere Bedeutung zukommt, wenn die Elternbeziehung zerrüttet und das gemeinsame Zusammenleben mit diesen trennungsbedingt aufgelöst ist (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 3. Aufl., § 1671 Rz. 73; vgl. auch Spangenberg, Geschwisterbindung und Kindeswohl, FamRZ 2002, 1007). In diesem Sinne hat auch der Senat wiederholt entschieden (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 21.7.2000 – 10 UF 160/00 und v. 29.8.2001 – 10 UF 229/02): Die für die Entwicklung eines stabilen Selbstwertgefühls und einer gesunden Beziehungsfähigkeit notwendige Sicherheit und Zuverlässigkeit des innerfamiliären Beziehungsgefüges wird durch die Trennung der Eltern erheblich beeinträchtigt. In dieser krisenhaften Situation gewinnt die fortbestehende Geschwisterbeziehung als Stärke und Halt herausragendes Gewicht.

2.a) A. hat – im Gegensatz zu ihrer Anhörung vor dem AG – vor dem Senat bekundet, sie wolle weiter bei der Mutter bleiben; sie besuche in … die 3. Klasse der Grundschule, habe Freundinnen gewonnen und fühle sich wohl. Auf Nachfrage erklärte sie, Vater und Mutter gleich lieb zu haben; ihren Wunsch, weiter in … zu leben, motivierte sie mit der Befürchtung schulischer Nachteile bei einer Rückkehr nach Sachsen. Nach Auffassung des Senats darf der durchaus beachtliche Wille des Kindes indes nicht überbewertet werden. Er bringt zum Ausdruck, dass sich A. mit der am 26.4.2002 durch den Umzug von … nach … geschaffenen Situation arrangiert hat.

b) Insoweit darf jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Mutter diese Situation herbeigeführt und durch den Umzug das Mitsorgerecht des Vaters verletzt hat. Zwar stand es ihr grundsätzlich frei, aus den von ihr angegebenen persönlichen Gründen (Wunsch mit dem neuen Lebensgefährten zusammenzuleben) den Wohnsitz zu wechseln und – als Inhaberin des Aufenthaltsbestimmungsrechts – das Kind mitzunehmen. Zu der damit verbundenen Umschulung A. hätte es jedoch des Einvernehmens mit dem Vater bedurft (§ 1627 BGB). Denn ein Schulwechsel ist keine Angelegenheit des täglichen Lebens, d.h. keine Angelegenheit, die häufig vorkommt und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entscheidung des Kindes hat (so die Legaldefinition in § 1687 Abs. 1 S. 3 BGB), für die dem Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen El...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge