Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich: Wiederaufnahme ausgesetzter und vom Verbund abgetrennter Versorgungsausgleichsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Verfahren wegen Versorgungsausgleich, die ausgesetzt und so vom Verbund abgetrennt sind, werden mit der Wiederaufnahme nach dem 1.9.2009 selbständige Familiensachen, sind also keine Folgesachen. Angewandte Vorschrift Art. 111 Abs. 4 Satz 2 FGG ReformGG.
2. Im selbständigen Verfahren wegen Versorgungsausgleich gibt es keinen Anwaltszwang.
Normenkette
ZPO § 628 Abs. 1 a.F.; VAÜG § 2 Abs. 1 S. 2; FGG-RG Art. 111 Abs. 4
Verfahrensgang
AG Hainichen (Beschluss vom 09.08.2010; Aktenzeichen 1 F 299/10) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Hainichen vom 9.8.2010 wie folgt abgeändert:
Der Antragsgegnerin wird ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Verfahren über den Versorgungsausgleich bewilligt.
Zur Wahrnehmung ihrer Interessen wird ihr Rechtsanwalt Bernd Näkel beigeordnet.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Mit Urteil des AG - Familiengericht - Hainichen vom 25.3.2008 wurde die Ehe der Parteien geschieden und unter Ziff. 2 des Tenors das Verfahren über den Versorgungsausgleich gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG ausgesetzt. Für die Ehesache war der Antragsgegnerin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und ihr jetziger Prozessbevollmächtigter beigeordnet worden.
Nachdem das Familiengericht das ausgesetzte Verfahren mit Beschluss vom 25.3.2010 wieder aufgenommen hatte, beantragte die Antragsgegnerin die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für dieses Verfahren. Das Familiengericht hat nach entsprechendem Hinweis den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen, weil die in der Ehesache bereits bewilligte Prozesskostenhilfe sich auch auf das ausgesetzte Verfahren über den Versorgungsausgleich erstrecke und fortgelte.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie ist der Auffassung, dass es sich vorliegend um ein neues, eigenständiges Verfahren handele, was auch daraus folge, dass ein neues Aktenzeichen vergeben wurde.
II. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg und führt zur Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe für die Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin ist wirtschaftlich nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung auch nur teilweise selbst zu tragen. Ihre Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe steht auch nicht die der Antragsgegnerin in der Ehesache bewilligte Prozesskostenhilfe entgegen. Bei dem jetzt anhängigen Verfahren über den Versorgungsausgleich handelt es sich um ein selbständiges Verfahren, auf das sich die vormals bewilligte Prozesskostenhilfe nicht bezieht.
Dem Familiengericht ist allerdings zuzugestehen, dass die Frage, ob sich die in der Ehesache bewilligte Prozesskostenhilfe auch auf das vormals nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG ausgesetzte und nach dem 1.9.2009 wieder aufgenommene Verfahren erstreckt, im Gesetz nicht eindeutig geregelt ist und die Meinungen in der Rechtsprechung hierzu auseinandergehen.
Das OLG Braunschweig (Beschl. vom 16.3.2010 - 3 WF 23/10) und das OLG Brandenburg (Beschl. vom 12.5.2010 - 15 WF 125/10) gehen davon aus, dass es sich bei dem wieder aufgenommenen Verfahren nicht um eine selbständige Familiensache handele und eine erneute Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe daher nicht erfolgen könne. Bei der Abtrennung des ursprünglichen Verfahrens über den Versorgungsausgleich nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG i.V.m. § 628 Abs. 1 ZPO a.F. habe es sich nicht um eine echte Verfahrenstrennung mit der Folge, dass der abgetrennte Versorgungsausgleich als selbständige Familiensache fortzusetzen wäre, gehandelt. Vielmehr sei der ausgesetzte und abgetrennte Versorgungsausgleich Folgesache geblieben. Auch nach neuem Recht blieben abgetrennte Versorgungsausgleichssachen Folgesachen (§ 137 Abs. 5 Satz 1 FamFG). Auch Art. 111 Abs. 4 FGG-RG könne nicht zu einer anderen Beurteilung führen, weil durch diese Vorschrift lediglich klargestellt werde, dass zwischen den abgetrennten Folgesachen kein Restverbund mehr bestehe.
Dagegen ist das OLG Naumburg (Beschl. vom 4.3.2010 - 8 WF 33/10) der Auffassung, dass es sich bei wieder aufgenommenen Verfahren über den Versorgungsausgleich der vorliegenden Art um selbständige Familiensachen handele, für die ein neuer Verfahrenskostenhilfeantrag gestellt werden müsse. Dies folge aus Art. 111 Abs. 4 Satz 2 FGG-RG, wonach "alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen ... des Satzes 1" als "selbständige Familiensachen" fortgeführt werden.
Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Zwar wurde in der Tat die Abtrennung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG i.V.m. § 628 ZPO a.F. nur als "unechte" Abtrennung mit der Folge angesehen, dass es sich bei der abgetrennten Sache weiterhin um eine Folgesache handelte. Damit war auch das hier ausgesetzte Verfahren über den Versorgungsausgleich zunächst als unselbständige ...