Leitsatz (amtlich)
1. Haben Lebensgefährten einen Vertrag, der der Finanzierung eines Immobilienerwerbs durch einen der beiden Partner dient, gemeinsam als "(Mit-)Darlehensnehmer" unterzeichnet, hat im Streit zwischen der Bank, die den Alleinerwerb kannte, und dem anderen Lebensgefährten über den wahren Charakter der übernommenen Verpflichtung jede Seite die ihr günstigen auslegungsrelevanten Umstände zu beweisen. Die über das Darlehen formularmäßig aufgenommene Vertragsurkunde führt zu keiner für die Bank günstigeren Beweislastverteilung.
2. Die seit dem 1.1.1998 eröffnete Möglichkeit der Erlangung von Restschuldbefreiung und der seit dem Jahre 2002 verstärkte Schuldnerschutz in der Zwangsvollstrek-kung geben keinen Anlass, die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Bürgschaften/Schuldbeitritten einkommens- und vermögensloser bzw. -schwacher Ehegatten und Lebensgefährten zu ändern, namentlich die Grenze für eine krasse finanzielle Überforderung neu festzulegen.
Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 24.06.2005; Aktenzeichen 14 O 1504/04) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des LG Dresden vom 24.6.2005 abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der Darlehensvertrag vom 5./11.2.2002, Darlehenskonto Nr.: 7233968, nichtig ist und der Beklagten hieraus keine Ansprüche gegen die Klägerin zustehen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin aus einem von ihr und ihrem Lebensgefährten S unterzeichneten Darlehensvertrag verpflichtet ist, der der Vollfinanzierung des vom Lebensgefährten zu einem Preis von 700.000 DM allein erworbenen Einfamilienhauses in (Wohnfläche 163 qm; Grundstücksgröße 444 qm) diente. Die Klägerin, bei Vertragsschluss knapp 27 Jahre alt und - bis heute - als Kosmetikerin selbständig erwerbstätig, geht von einer bloßen Mithaftungsübernahme aus und hält diese, da aus emotionaler Verbundenheit zum Lebensgefährten übernommen, aufgrund krasser finanzieller Überforderung für sittenwidrig.
Zum Sach- und Streitstand im Einzelnen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie auf die Senatsbeschlüsse vom 20.10.2005 und vom 17.3.2006 Bezug genommen. Über die im letztgenannten Beschluss bezeichneten Ergänzungen und Korrekturen der erstinstanzlichen Feststellungen hinaus ist nunmehr unstreitig, dass der Beklagten der am 20.11.2001 abgeschlossene Grundstückskaufvertrag vor Unterzeichnung des Darlehensvertrages am 11.2.2002 vorlag. Das finanzierte Grundstück, das der Beklagten als Sicherheit dient, ist bis heute nicht verwertet.
Das LG hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin als echte Mitdarlehensnehmerin anzusehen sei. Mit der zulässigen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren in Haupt- und Hilfsantrag unverändert weiter. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat zu den streitigen Einzelheiten zum Zustandekommen des Darlehensvertrages Beweis erhoben durch Vernehmung der auch erstinstanzlich bereits vernommenen Zeugen S, B und A . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahmen sowie wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschriften der Verhandlungen vor dem LG und dem Senat sowie auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II. Die Berufung hat Erfolg. Das negative Feststellungsbegehren, an dessen Zulässigkeit keine Zweifel bestehen, ist mit dem Hauptantrag begründet. Die Klägerin hat eine bloße Mithaftung übernommen, die sittenwidrig und deshalb nichtig ist, § 138 Abs. 1 BGB.
1. Entgegen der Bewertung des LG ist die von der Klägerin am 11.2.2002 übernommene Verpflichtung nicht als Darlehens-, sondern als Beitrittsschuld zu qualifizieren.
a) Die allgemeinen Maßstäbe zur Abgrenzung von Mitdarlehensnehmerschaft und bloßer Schuldmitübernahme hat das LG unter Wiedergabe weiter Passagen des Urteils des BGH v. 25.1.2005 - XI ZR 325/03 (WM 2005, 418) zutreffend beschrieben. Danach ist als echter Mitdarlehensnehmer ungeachtet der Vertragsbezeichnung in aller Regel nur derjenige anzusehen, der für den Darlehensgeber erkennbar ein eigenes - sachliches und/oder persönliches - Interesse an der Kreditaufnahme hat und als im Wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung bzw. Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf (ebenso bereits Urteile v. 14.11.2000 - XI ZR 248/99, BGHZ 146, 37; v. 4.12.2001 - XI ZR 56/01, WM 2002, 223; v. 28.5.2002 - XI ZR 205/01, WM 2002, 1649; v. 23.3.2004 - XI ZR 114/03, WM 2004, 1083).
b) Diese Grundsätze hat das LG fehlerhaft angewandt. Nach dem feststellbaren Sachverhalt ist die Klägerin lediglich als Mitverpflichtete anzusehen.
aa) Das LG hat den Wortlaut der Vertragsurkunde überbewertet.
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