Leitsatz (amtlich)

›Der angemessene Selbstbehalt, der einem Schuldner im Verhältnis zu seinem volljährigen Kind verbleiben muß, kann im Hinblick auf bestehende Schulden für ein selbstgenutztes Einfamilienhaus über den tabellarischen Betrag von 1.800 DM hinaus erhöht werden; dies gilt auch, wenn der Anspruch des Berechtigten auf den Sozialhilfeträger übergegangen ist.‹

 

Verfahrensgang

AG Grevenbroich (Aktenzeichen 13 F 120/98)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 24.09.2002; Aktenzeichen KZR 10/01)

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht (§ 91 BSHG) auf Kindesunterhalt in Anspruch; betroffen ist die Zeit vom 01.04.1995 bis zum 31.10.1997, in der das Sozialamt der Klägerin dem jüngsten Sohn der Beklagten, Herrn TW, Hilfe zum Lebensunterhalt geleistet hat.

TW wurde am 22.02.1962 geboren. Er besuchte bis zum 14. Lebensjahr die Sonderschule. Danach ging er, ohne einen Beruf erlernt zu haben, arbeiten. Im Alter von 19 Jahren heiratete er am 14.09.1981. Nach der Geburt der Tochter L am 22.05.1982 versorgte er den Haushalt, während seine Ehefrau B als kaufmännische Angestellte einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachging. Zeitweilig soll er sich als freischaffender Künstler betätigt haben.

Bei TW wurde etwa 1985 anläßlich eines luetischen Primäreffektes eine HIV-Erkrankung festgestellt, wegen der er in den folgenden Jahren wiederholt - unter anderem vom 02. bis 24.03.1992 - stationär behandelt wurde (vgl. dazu Arztbericht vom 13.04.1992, Gerichtsakte - GA - Bl. 233 f). Die Krankheit befand sich 1995 in einem fortgeschrittenen Stadium. Im Anspruchszeitraum war TW nicht erwerbstätig und verfügte weder über Einkommen noch Vermögen.

Die Eheleute W trennten sich im Februar 1993. Ihre Ehe wurde am 09.10.1996 geschieden (vgl. dazu Bl. 27 f der beigezogenen Akten AG D., abgekürzt Beiakte - BeiA -). Das Familiengericht führte den Versorgungsausgleich durch und übertrug die elterliche Sorge auf die Kindesmutter, bei der die Tochter seit der Trennung lebte. Am 05.12.1996 wurde das Verbundurteil rechtskräftig. BW ging ihrem Beruf auch nach der Trennung nach und verdiente monatlich etwa 2.350 DM netto zuzüglich Urlaubs- und Weihnachtsgeld (vgl. GA Bl. 162). Von November 1994 bis Mai 1995 übte sie außerdem eine Nebentätigkeit aus (vgl. GA Bl. 163 f). Zwischen den Parteien ist streitig, ob sie im Anspruchszeitraum Schulden aus der Ehezeit abgetragen hat und ob diese gegebenenfalls zu berücksichtigen sind (vgl. dazu unter anderem Schuldschein vom 28.02.1993 und Darlehensvertrag vom 14.12.1993, GA Bl. 167 f). Für die Zeit ab November 1997 erwirkte die Klägerin einen Titel gegen BW.

Die Beklagte, die am 23.08.1934 geboren wurde, ist ausgebildete Krankenschwester. Neben dem Sohn T hatte sie vier weitere Kinder. Ein Sohn erkrankte gleichfalls an Aids und verstarb vor einigen Jahren. Ihr Ehemann war Alkoholiker. Nach dessen Tod im Jahre 1972 leistete die Beklagte die Erziehung der Kinder allein und verrichtete zusätzlich Nachtdienste als Krankenschwester. 1981 lernte sie Herrn P D kennen, mit dem sie seither eheähnlich zusammenlebt. Er vermittelte ihr eine Stelle bei der Firma X. Dort arbeitete sie bis zu ihrer Pensionierung am 31.12.1996. Als Betriebskrankenschwester verdiente sie bei einem Anteil von 75 % des vollen Pensums zuletzt im Monat etwa 2.415,00 DM netto.

Dazu kam eine Witwenrente, die sich in den Jahren 1995 bis 1997 auf etwa 710,00 DM belief (vgl. dazu S. 3 der Klagebegründung, GA Bl. 9). Seit dem 01.01.1997 bezieht die Beklagte eine Altersrente von rund 1.785,00 DM, die neben der Witwenrente gezahlt wird.

Die Parteien haben im ersten Rechtszug über die Höhe der abzugsfähigen Positionen gestritten. Nachdem die Beklagte ihre Auskünfte vervollständigt und die Steuerbescheide für 1995/96 vorgelegt hatte, die für 1996 eine Steuernachzahlung vorsahen (vgl. GA Bl. 142 f), hat die Klägerin die Fahrtkosten der Beklagten anerkannt und ihre Forderung mit Schriftsatz vom 22.12.1998 (GA Bl. 147 f) neu berechnet. Für Medikamente wendet die Beklagte monatlich 50 DM auf.

Durch Kaufvertrag vom 14.08.1990 erwarb die Beklagte zusammen mit Herrn D das Hausgrundstück Y in G. (vgl. Grundbuchauszug GA Bl. 245 f). Das Gebäude hat drei Etagen mit einer Wohnfläche von jeweils rund 50 m², von denen die Beklagte und ihr Lebensgefährte die beiden oberen Geschosse selbst nutzen. Den Kaufpreis finanzierten sie über zwei Kredite der A. Hypothekenbank, die sie am 19.04./08.05.1991 in Höhe von insgesamt 295.000 DM aufnahmen (GA Bl. 186 f). Für Zinsen mußten sie anfangs monatlich 1.251,25 DM + 920,83 DM = 2.172,08 DM aufwenden (ab Oktober 1997 1.251,25 DM + 698,75 = 1.950 DM). Als Tilgungsersatz waren auf eine Lebensversicherung, die Herr D auf seinen Namen abgeschlossen hatte, monatliche Prämien von 523,90 DM zu leisten (GA Bl. 193). Dazu kamen die Nebenkosten (vgl. dazu GA Bl. 26 f). Die Beklagte beteiligte sich an diesen Aufwendungen mit monatlich 1.560,00 DM, die sie jeweils auf das Konto ihres Freundes überwies (vgl. dazu GA Bl. 194 f). ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge