Leitsatz (amtlich)
Der Pflichttext "Zu Risiken und Nebenwirkungen ... und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" ist mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar und stellt keinen Eingriff in die Grundrechte eines Reformhaus-Betreibers dar, der ein freiverkäufliches Arzneimittel bewirbt, dessen Gebrauchsinformation auf Gegenanzeigen hinweist.
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 15.05.2003; Aktenzeichen 2/3 O 608/02) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 15.5.2003 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 12.000 Euro abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Beschwer der Beklagten: 10.000 Euro.
Gründe
I. Die Beklagte bietet in dem von ihr betriebenen Reformhaus u.a. das frei verkäufliche Arzneimittel "A B" an, in dessen Gebrauchsmusterinformation es unter "Gegenanzeigen" heißt: "Bekannte Allergie gegen Artischocke und andere Korbblütler. Bei Verschluss der Gallenwege oder Vorhandensein von Gallensteinen nur nach Rücksprache mit dem Arzt anwenden". Die Beklagte warb für dieses Mittel in einer Zeitungsanzeige (Anlage K 2 zur Klageschrift) ohne den Hinweis "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker". Die hiergegen erhobene Unterlassungsklage des Klägers hatte Erfolg. Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Im Berufungsverfahren wiederholen und vertiefen beide Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Wie das LG mit zutreffenden Ausführungen angenommen hat, steht dem Kläger der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG i.V.m. der - gemeinschafts- und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden - Vorschrift des § 4 Abs. 3 S. 1 und S. 4 HWG zu.
1. Die Werbung der Beklagten für "A B" gem. Anlage K 2 zur Klageschrift verstieß gegen § 4 Abs. 3, S. 1 und 4 HWG, da sie den in dieser Vorschrift geforderten Pflichthinweis "Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" nicht enthielt. Angesichts ihres klaren Wortlauts ist - wovon auch die Beklagte ausgeht - die gesetzliche Regelung einer einschränkenden Auslegung etwa dahin, dass ein Hinweis mit anderem Inhalt ausreichend sei, nicht zugänglich.
2. In dem Verstoß gegen § 4 Abs. 3 HWG liegt zugleich ein wettbewerbswidriges Verhalten der Beklagten i.S.v. § 1 UWG. Die insoweit erforderliche Wettbewerbsbezogenheit der verletzten Norm (vgl. hierzu BGH v. 23.10.2003 - I ZR 64/01, BGHReport 2004, 711 = WRP 2004, 485 [486] - Rechtsanwaltsgesellschaft; v. 15.1.2004 - I ZR 180/01, BGHReport 2004, 674 = WRP 2004, 490 [491] - Frühlingsgefühle) ist bei den Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes wie bei allen Regelungen, die spezielle Werbebeschränkungen aufstellen (vgl. hierzu Ullmann, GRUR 2003, 817 [823]), regelmäßig zu bejahen.
3. Der Kläger ist nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG befugt, die Beklagte wegen des begangenen Wettbewerbsverstoßes auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen; insb. ist die Verletzungshandlung wegen des besonderen Interesses der Allgemeinheit an der Einhaltung des Heilmittelwerberechts geeignet, den Wettbewerb auf dem einschlägigen Arzneimittelmarkt wesentlich zu beeinträchtigen (vgl. BGH WRP 1998, 177 - Fachliche Empfehlung III).
4. Die Regelung des § 4 Abs. 3 HWG ist mit dem Gemeinschaftsrecht, insb. mit Artikel 89 Abs. 1b der Richtlinie 2001/83/EG, vereinbar. Zwar sieht die Richtlinienbestimmung keine Verpflichtung der Mitgliedsstaaten vor, in der Arzneimittelwerbung eine Aufforderung vorzusehen, sich wegen etwaiger Risiken und Nebenwirkungen an Ärzte oder Apotheker zu wenden; vielmehr reicht die Aufforderung, die Aufdrucke auf der äußeren Verpackung bzw. die Packungsbeilage aufmerksam zu lesen. Gleichwohl verstößt § 4 Abs. 3 HWG nicht gegen das Gemeinschaftsrecht, da die Vorschriften der Artikel 86 ff. der Richtlinie 2001/83/EG (früher Richtlinie 92/28/EWG) lediglich die Regelung eines Mindeststandards enthalten, die es den Mitgliedsstaaten ermöglicht, auch strengere Anforderungen an die Zulässigkeit und Grenzen der Werbung für Humanarzneimittel zu stellen. Insoweit hält der Senat an seiner bereits im Urteil vom 7.3.2002 - 6 U 43/01 (OLG Frankfurt, Urt. v. 7.3.2002 - 6 U 43/01, GRUR Int. 2002, 931 = WRP 2002, 730 - Werbung für Roten Ginseng) dargelegten Auffassung fest. Diese Auffassung wird sogar durch den Inhalt der hier in Rede stehenden Regelung d...