Leitsatz (amtlich)
Zur Sittenwidrigkeit einer Mithaftungsübernahme wegen krasser finanzieller Überforderung.
Normenkette
BGB § 138
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Aktenzeichen 3 O 23/05) |
Nachgehend
Gründe
I. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO:
Die Klägerin schloss mit der Beklagten unter dem 8.5.2001 einen Darlehensvertrag zum Zwecke der Finanzierung einer von ihrem damaligen Lebensgefährten A erworbenen Eigentumswohnung in O1,... Sie begehrt von der Beklagten die Feststellung der Unwirksamkeit des Darlehensvertrages nebst der erfolgten Abtretung von Lohnansprüchen und eines notariellen Schuldanerkenntnisses. Hinsichtlich des Sachverhalts im Einzelnen wird zunächst auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
Das LG hat die Klage durch Urteil vom 2.9.2005, der Klägerin zugestellt am 12.9.2005, abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, weder habe die Klägerin den Darlehensvertrag wirksam widerrufen noch sei er sittenwidrig. Eine etwaige Haustürsituation sei nicht ursächlich für die von der Klägerin übernommenen Verpflichtungen. Ihr Lebensgefährte habe weder den Kauf- noch den Darlehensvertrag widerrufen. Zudem sei ein etwaiges Widerrufsrecht durch das erklärte notarielle Schuldanerkenntnis untergegangen. Etwaige Unkorrektheiten des Vermittlers des Kaufvertrages seien der Beklagten nicht zurechenbar. Der Darlehensvertrag sei auch nicht sittenwidrig. Zwar sei die Klägerin nur als Mithaftende anzusehen. Sie sei aber durch ihre Mithaftung nicht finanziell krass überfordert. Eine im Hinblick auf ihr Einkommen, wie es sich aus der Selbstauskunft ergibt, bestehende finanzielle Überforderung liege wegen der Absicherung des Darlehens durch eine Grundschuld, die auch werthaltig sei und im Falle der Leistung auf sie übergehe, tatsächlich nicht vor. Ferner fehle es bei der Beklagten jedenfalls an der subjektiven Komponente.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 29.9.2005 eingelegten und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 27.12.2005 am 22.12.2005 begründeten Berufung, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Sie hält den Darlehensvertrag und die Folgeverträge für sittenwidrig. Sie behauptet, die Berechnungen des Vermittlers C, welche dem Abschluss des Kaufvertrages zugrundelägen, seien in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. Bei richtiger Berechnung wäre es zum Vertragsabschluss nicht gekommen. Sie ist der Ansicht, die Beklagte sei als finanzierendes Kreditinstitut verpflichtet gewesen, sich bei dem Vermittler über die Umstände der Vertragsverhandlungen zu erkundigen, da sie sich dessen Tätigkeit zu Nutze gemacht habe. Ihr hätte sich die Unrichtigkeit von dessen Eigenaufwandsberechnung aufdrängen müssen. Sie sei durch den Vertrag unter Berücksichtigung ihres Einkommens und ihrer Belastungen wirtschaftlich krass überfordert. Hierbei habe die Beklagte über die ihr vorliegende Selbstauskunft hinaus eigene Ermittlungen anstellen müssen. Die Absicherung des Darlehens durch die Grundschuld sei nicht zu berücksichtigen, da die Grundschuld auch weitere Ansprüche der Beklagten gegen Herrn A sichere, zumal die Eigentumswohnung nicht entsprechend werthaltig sei. Ergänzend bezieht sich die Klägerin auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des LG Wiesbaden (Az.: 3 O 23/05) vom 2.9.2005 abzuändern und festzustellen, dass der am 8.5.2001 zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag zu Konto Nr. ... nichtig ist, dass die Abtretung von Ansprüchen auf Arbeitseinkommen und Sozialleistungen vom 9.5.2001 nichtig ist, dass das vollstreckbare Schuldanerkenntnis des Notars B, O2, UR. Nr. ... R vom 26.6.2001 nichtig ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise beantragt sie, die Revision zuzulassen.
Sie beruft sich auf die Begründung des LG und auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie hält die Klägerin für eine Mitdarlehensnehmerin, nicht lediglich für eine Mithaftende. Sie habe selbst zusammen mit ihrem damaligen Lebensgefährten die gemeinsame Finanzierung initiiert. Beide hätten eine Ausbildung und einen beruflichen Werdegang vorweisen können, sie hätten über ein in etwa gleich hohes Monatseinkommen verfügt und seien etwa gleich alt. Eine Korrektur des Vertrages über § 138 BGB sei mangels Verhandlungsungleichgewichts nicht geboten. Eine krasse finanzielle Überforderung der Klägerin liege schon deshalb nicht vor, weil die Sicherung durch die Grundschuld mitzuberücksichtigen sei, da sie das Haftungsrisiko der Klägerin in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares Maß beschränke. Sie diene nach Nr. 13.1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen lediglich zur Sicherung aller gegenwärtiger und künftiger Geschäftsbeziehungen, welche die Klägerin und Herr A gemeinsam begründeten. Im Übrigen stehe einer Annahme der Sittenwidrigkeit entgegen, dass seit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 1.1.1999 die Möglichkeit der Restschuldbefreiung bestehe.
II. § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO:
Die Berufung ist zulässig. ...