Verfahrensgang

LG Hanau (Urteil vom 10.05.2002; Aktenzeichen 4 O 1435/01)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 13.02.2004; Aktenzeichen V ZR 218/03)

BGH (Urteil vom 13.02.2004; Aktenzeichen V ZR 217/03)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des LG Hanau – 4 O 1435/01 – vom 10.5.2002 wird zurückgewiesen.

Die Kläger habe die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 130 % des beizutreibenden Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 102.258,37 Euro (= 200. 000 DM) festgesetzt.

 

Gründe

Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Die Berufung der Kläger, mit der sie die Unterlassung des weiteren Betriebs der auf dem Kirchturm der Beklagten zu 2) stehenden Mobilfunksendeanlage durch die Beklagten zu 1) von beiden Beklagten erstreben, ist unbegründet.

Das Urteil des LG Hanau vom 10.5.2002 beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 ZPO 1. Alt.). Ebenso wenig haben die Kläger Anhaltspunkte dargetan (§ 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO), die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellungen des LG begründen könnten (§§ 529 Abs. 1 Nr. 1, 513 Abs. 1 2. Alt. ZPO).

Den Klägern steht kein Anspruch auf Unterlassung der von der von der Beklagten zu 1) betriebenen, auf dem Kirchturm der Beklagten zu 2) stehenden Mobilfunkanlage emittierenden elektromagnetischen Felder ggü. den Beklagten aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2, 858 BGB zu. Denn die Kläger sind nach § 906 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet, die von dieser Sendeanlage verursachten Immissionen zu dulden.

Zwar handelt es sich bei den von der Sendeanlage ausgehenden elektromagnetischen Feldern um ähnliche Einwirkungen i.S.v. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Kläger werden aber durch diese Einwirkungen nur unwesentlich beeinträchtigt.

Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt nämlich i.d.R. nach § 906 Abs. 1 S. 2 BGB vor, wenn die in Rechtsverordnungen festgelegten Grenzwerte nicht überschritten werden. Für die von Mobilfunkanlagen verursachten Immissionen werden in der 26. BlmSchV Grenzwerte zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen und zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch elektromagnetischen Felder festgesetzt (§ 1 Abs. 1 S. 2 u. § 2 Nr. 2 26. BlmSchV i.V.m. dem Anhang 1). Diese Grenzwerte werden von der von der Beklagten zu 1) betriebenen Anlage eingehalten, was zur Folge hat, dass die von der Mobilfunkanlage ausgehenden elektromagnetischen Felder die Kläger nur unwesentlich beeinträchtigen.

Denn die in der 26. BlmSchV festgelegten Grenzwerte gelten auch, soweit es um die nicht thermischen Wirkungen der elektromagnetischen Felder auf Menschen geht.

Von den elektromagnetischen Feldern gehen physikalische Einwirkungen aus, die zu messtechnisch nachweisbaren physikalischen Effekten (z.B. in Form einer Temperaturerhöhung oder einer Veränderung der elektrischen Spannung in einer Zellmembran) führen können. Diese Effekte können – müssen jedoch nicht – eine aktive biologische Reaktion des Körpers hervorrufen. Hierzu gehört z.B. die wissenschaftlich nachgewiesene Auslösung thermoregulatorischer Vorgänge.

Biologische Reaktionen können – müssen jedoch nicht – zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen (S. 6 der Empfehlung der Strahlenschutzkommission vom 13./14.9.2001 in Anlage B 4).

Dies bedeutet, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung eine biologische Reaktion voraussetzt, der ein Effekt infolge einer physikalischen Einwirkung vorausgeht. Jedoch führt nicht jeder physikalische Effekt oder jede biologische Reaktion zu einer Gesundheitsbeeinträchtigung.

Ausgehend von dieser Begriffsbestimmung und Methodik der Bewertung der durch elektromagnetische Felder ausgelösten Risiken für den menschlichen Körper durch die SSK, denen sich der Senat anschließt, werden unter den nicht thermischen Wirkungen oder Effekten solche biologische Reaktionen verstanden, die durch von den elektromagnetischen Feldern ausgelösten, nicht thermischen Effekten verursacht werden. Bislang gibt es keinen wissenschaftlich begründeten Verdacht für eine Gesunheitsgefährdung durch biologische Reaktionen, die durch nicht thermische Effekte ausgelöst werden. Wissenschaftlich nachgewiesen ist bisher nur, dass die von den elektromagnetischen Feldern ausgelösten thermischen Effekte zu einer Erwärmung des Körpergewebes führen, und diese Erwärmung (biologische Reaktion) eine gesundheitliche Beeinträchtigung verursacht, wenn die Temperaturerhöhung des ganzen Körpers oder von Körperteilen 1 ° Celsius überschreitet (S. 19 der Empfehlung der SSK vom 13./14.9.2001 in B 4).

Dies räumen die Kläger auch ein, indem sie vortragen, dass sich wahrscheinlich erst in einigen Jahren erkennen lasse, welche Schäden am menschlichen Körper durch die elektromagnetischen Felder verursach...

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