Leitsatz (amtlich)

1. Ein Verlagsunternehmen verstößt bei der Preisbindung von Zeitschriften gegen die ihm im Verhältnis zu den preisgebundenen Händlern aus § 242 BGB obliegenden Leistungstreue und Rücksichtnahmepflichten, wenn es selbst bei der Abonnentenwerbung unter erheblicher Anlockwirkung mit Preisvorteilen und Zugaben wirbt, die über die Grenzen hinausgehen, die sich die betreffende Branche in Wettbewerbsregeln im Wege der Selbstbindung selbst gesetzt hat.

2. In einem derartigen Fall können sich eine Vielzahl positiver Forderungsverletzungen von Individualverträgen, durch die das preisbindende Unternehmen nachhaltig in das wettbewerbliche Marktgeschehen eingreift und die Gleichgewichtslage zwischen Einzelverkauf und Abonnementvertrieb zu seinen Gunsten verschiebt, gleichzeitig als sittenwidriges Wettbewerbsverhalten i.S.v. § 1 UWG darstellen (im Anschluss an OLG Hamburg WRP 1988, 114 [116] – Bestatterwerbung).

 

Normenkette

UWG §§ 1, 13 Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 312 O 47/02)

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 7.5.2002 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist ein Dachverband, der – weitgehend über Landesverbände – die in Deutschland im Geschäftsverkehr tätigen LOTTO-TOTO-Verkaufsstellen vertritt. In dem Verlag der Antragsgegnerin erscheint u.a. die Wochenzeitschrift „Stern”. Anfang 2002 warb die Antragsgegnerin in ihrer Zeitschrift u.a. unter der Überschrift „13 × stern testen, über 40 % sparen” um neue Abonnenten, denen sie ein kostengünstiges Probeabonnement über 13 Hefte sowie eine attraktive Zugabe (u.a. einen B. Kaffeebereiter bzw. eine B. Bistro Vacuum Isolierkanne) in Aussicht stellte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen ASt2 und ASt3 Bezug genommen.

Dieses Verhalten beanstandet de Antragsteller u.a. als Verstoß gegen die Preisbindung im Zeitschriftenhandel als wettbewerbswidrig.

Das LG hat die Antragsgegnerin mit einstweiliger Verfügung vom 29.1.2002 entspr. den Anträgen des Antragstellers zur Unterlassung verpflichtet und diese Verfügung auf den Widerspruch der Antragsgegnerin mit Urteil vom 7.5.2002 aufrechterhalten.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Antragsgegnerin.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen i.Ü. wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das LG hat die Antragsgegnerin zu Recht und mit im Wesentlichen zutreffender Begründung zur Unterlassung verurteilt. Ihr Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung. Es gibt dem Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Anmerkungen:

1. Der Antragsteller ist als Verband aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zur Verfolgung der Unterlassungsansprüche aktivlegitimiert. Hierzu hat bereits das LG das Erforderliche ausgeführt. Die hiergegen auch in der Berufungsinstanz gerichteten Angriffe der Antragsgegnerin verfangen nicht. Es ist allgemein – und auch dem Senat – bekannt, dass eine große Zahl zumeist kleinerer Gewerbebetriebe bundesweit den Verkauf von Zeitungen/Zeitschriften kombiniert mit der Funktion einer Lotto-Toto-Annahmestelle wahrnehmen. Die Gefahr einer missbräuchlichen Anspruchsverfolgung durch einen nicht unmittelbar als Wettbewerber betroffenen Verband, der die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift des § … Abs. 2 Nr. 2 UWG entgegenwirken sollen (BGH v. 11.7.1996 – I ZR 79/94, MDR 1997, 54 = GRUR 1996, 804 [806] – Preisrätselgewinnauslobung III), kann sich im vorliegenden Fall erkennbar nicht realisieren. Diese Frage bedarf deshalb nach Auffassung des Senats jedenfalls im Verfügungsverfahren keiner weiteren Vertiefung, zumal die Antragsgegnerin die organisatorische und finanzielle Befähigung zur Anspruchsverfolgung des Antragstellers nicht in Zweifel zieht und eine wesentliche Beeinträchtigung des Marktes durch die beanstandete Maßnahme jedenfalls für die zumeist betroffenen Kleingewerbebetreibenden droht.

2. Das beanstandete Verhalten der Antragsgegnerin ist als Verstoß gegen ihre Leistungstreue- und Rücksichtnahmepflichten ggü. ihren jeweiligen Vertragspartnern im Vertrieb der preisgebundenen Zeitschrift „stern” vertragswidrig.

a) Die Antragsgegnerin ist mit den Zeitschriftenhändlern, die von ihr mit der Zeitschrift „stern” beliefert werden, entweder unmittelbar oder mittelbar – über die Presse-Grossisten – durch eine beidseitig zu unterzeichnende, vorformulierte Verpflichtungserklärung nach der Art der Anlage BB5 verbunden, mit der sich der Einzelhändler unter Androhung des Abbruchs einer Belieferung verpflichtet, die preisgebundenen Zeitschriften nur zu den jeweils aufgedruckten Endverkaufspreisen zu verkaufen. Die Verpflichtungserklärung umfasst zudem die Versicherung, dass die Preisbindung auch nicht „indirekt” verletzt werden darf. Es steht zwischen den Parteien nicht im Streit, dass die von dem Antragsteller vertretenen Einzelhändler durch solche oder inhaltsgleiche Erklä...

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