Entscheidungsstichwort (Thema)
Mängelrechte des Bestellers vor Abnahme der Werkleistung
Leitsatz (amtlich)
In Ausnahmefällen kann der Besteller auch schon vor der Abnahme der Werkleistung auf die Mängelrechte zurückgreifen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Unternehmer sein Werk als fertiggestellt angesehen sowie abgeliefert hat, der Besteller im Gegenzug jedoch die Abnahme wegen Mängeln verweigert und der Unternehmer wiederum eine (weitere) Mängelbeseitigung endgültig abgelehnt hat (vgl. OLG Köln NJW 2013, 1104 (1105); OLG Brandenburg NJW-RR 2011, 603 (604) [sehr weitgehend]; Krause-Allenstein, in: Kniffka u.a., Bauvertragsrecht (1. Aufl.), § 634 Rdnr. 11; Pastor, in: Werner/Pastor, Der Bauprozess (14. Aufl.), Rdnr. 2069 f.; Palandt/Sprau, BGB (73. Aufl.), Vorb v § 633 Rdnr. 7 - jeweils mwN). Wollte man dies anders sehen, wäre der Auftraggeber in einer derartigen Situation ansonsten sinnwidrig zur Abnahme einer von ihm für mangelhaft gehaltenen Leistung gezwungen, um vom nachbesserungsunwilligen Auftragnehmer die Mittel für eine Selbstvornahme der Mangelbeseitigung fordern zu können.
Normenkette
BGB § 637 Abs. 3; VOB/B § 13 Abs. 5 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 07.03.2014; Aktenzeichen 12 O 297/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 7.3.2014 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des LG Münster (Az. 12 O 297/13) abgeändert und neu gefasst.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 29.175,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.8.2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 20 % und die Beklagte zu 80 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte zu 93 % und die Klägerin zu 7 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweiligen Partei bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A. Die Klägerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, nimmt die Beklagte auf Zahlung eines Kostenvorschusses für die Beseitigung mangelhafter Bodenarbeiten an dem Objekt N-Straße 43a bis 47h in B in Anspruch.
Im Anschluss an einen gemeinsamen Ortstermin am 24.1.2011 gab die Beklagte am 25.1.2011 ein Angebot für die Sanierung des Bodenbelags des Laubenganges des o.g. Objekts ab, dem als Grundlage die Bestimmungen der VOB zugrunde lagen und das mit einer Summe in Höhe von 23.628,75 EUR brutto endete. In Position 4 des Angebots war eine Wärmedämmschicht als Gefälledämmschicht aus Schaumglasplatten nach DIN mit einer Neigung von 1,1 % angegeben (vgl. Bl. 10 f. d.A.). Alternativ bot die Beklagte in Position 5 hierzu Foamglasplatten als Flachplatten an, wobei diese Position im Übrigen beschrieben war mit: "sonst wie vor" (Bl. 11 d.A.). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Angebot verwiesen (vgl. Bl. 10 ff. d.A.). Mit Schreiben vom 20.6.2011 (Bl. 7 ff. d.A.) erteilte die Klägerin der Beklagten den Auftrag unter Bezugnahme auf das Angebot. Der Auftragserteilung waren Vertragsbedingungen beigefügt, nach denen die VOB, Teile B und C, Grundlage des Vertrages werden und für die Gewährleistung die VOB/B gelten sollte (vgl. Bl. 8 f. d.A.).
Bei der Ausführung der Arbeiten, bei denen Foamglasplatten verwendet wurden, stellte die Beklagte nach dem Abstemmen des alten Bodenbelags Unebenheiten fest, die sie der Klägerin mit Schreiben vom 2.11.2011 (vgl. Bl. 14 d.A.) anzeigte und worin sie auf zusätzliche Kosten für Ausgleichsarbeiten hinwies. Diese zusätzlichen Arbeiten gab die Klägerin ebenfalls in Auftrag.
Nach Abschluss ihrer Arbeiten erstellte die Beklagte am 15.12.2011 eine Schlussrechnung, die mit einem Betrag von insgesamt 25.081,77 EUR brutto endete (vgl. Bl. 15 ff. d.A.) und auf die die Klägerin 14.280,- EUR zahlte, so dass noch ein Restbetrag in Höhe von 10.801,77 EUR offen steht, der allerdings nicht Gegenstand des hiesigen Rechtsstreits ist.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.2.2012 (Bl. 19 f. d.A.) rügte die Klägerin gegen-über der Beklagten, dass die Arbeiten nicht fachgerecht ausgeführt worden seien. Sie regte eine Einigung unter Einbeziehung des Privatsachverständige Dipl.-Ing. E an. Daraufhin fand am 9.3.2012 ein Ortstermin statt, an dem die Parteien und der Privatsachverständige teilnahmen. In diesem Termin rügte die Klägerin insbesondere (vgl. auch das Protokoll des Ortstermins: Bl. 45 f. d.A.), dass a) der Plattenbelag kein Gefälle aufweise, b) einige Platten beim Betreten wackeln würden, c) der Belag Täler und Beulen aufweise, auf denen sich Wasser sammeln könne, das bei entsprechenden Temperatur gefrieren könne, und d) die Entwässerungsrinnen ein negatives Gefälle hätten, weshalb Wasser stehen bleibe. Die Klägerin verweigerte deswegen die Abnahme. Die Parteien ver...