Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugang und Zugangsnachweis bei Einwurf-Einschreiben der D.P. AG
Normenkette
BGB § 130 Abs. 1 S. 1, § 242; ZPO § 415 Abs. 1, § 418
Verfahrensgang
AG Bingen am Rhein (Beschluss vom 09.09.2004; Aktenzeichen 8 F 241/04) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des AG - FamG - Bingen am Rhein vom 9.9.2004 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird festgesetzt auf 555 EUR.
Gründe
I. Die Parteien sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Der Kläger, der zur Zahlung nachehelichen Unterhalts verpflichtet ist, verlangte von der Beklagten die Zustimmung zur Durchführung des begrenzten Realsplittings für den Veranlagungszeitraum 2003. Die Beklagte erkannte den Klageanspruch unter Verwahrung gegen die Kostenlast an; sie bestreitet, bereits vorprozessual zur Zustimmung oder zur Unterzeichnung der Anlage U aufgefordert worden zu sein. Der Kläger beruft sich auf ein anwaltliches Schreiben vom 15.4.2004 (Bl. 12 GA) und hat einen Auslieferungsbeleg der D.P. AG (Bl. 21-23 GA) vorgelegt.
Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Das AG hat mit Beschluss vom 9.9.2004 (Bl. 32/33 GA) die Kosten des Verfahrens den Parteien jeweils zur Hälfte auferlegt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers vom 27.9.2004 (Bl. 36-39 GA).
II. Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 91a Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig; sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Die Erwägungen der Beschwerde rechtfertigen keine dem Kläger günstigere Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 1 ZPO.
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte bereits vorprozessual zur Erklärung der Zustimmung zum begrenzten Realsplitting aufgefordert worden ist.
Die aus § 242 BGB folgende Pflicht des Unterhaltsberechtigten zur Mitwirkung bei der steuerlichen Entlastung des Unterhaltsverpflichteten (BGH v. 29.4.1998 - XII ZR 266/96, MDR 1998, 845 = FamRZ 1998, 953 ff.) bedarf zu ihrer Aktualisieirung einer dementsprechenden Aufforderung (Herget in Zöller, 23. Aufl., 2002, § 93 Rz. 6, "Aufforderung"). Im Rahmen der hier allein noch zu treffenden Kostenentscheidung gewinnt - im Blick auf § 93 ZPO - die Frage Bedeutung, ob die Aufforderung rechtswirksam erst mit der Klage erfolgt ist.
a) Die Beklagte hat eine frühere Aufforderung durch den Kläger, sei sie mündlich oder schriftlich erfolgt, bestritten (Schriftsatz v. 29.6.2004; Bl. 17 GA). Soweit der Kläger sich auf das Anwaltsschreiben vom 15.4.2004 bezieht, ist ihm der Nachweis des Zugangs bei der Beklagten (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB) nicht gelungen.
Das betreffende Schreiben wurde als Einwurf-Einschreiben der D.P. AG versandt. Dabei erfolgt - im Unterschied zum sog. Übergabe-Einschreiben und zum Übergabe-Einschreiben mit Rückschein - keine Aushändigung an den Empfänger persönlich gegen dessen Unterschrift; vielmehr wird die Sendung in den Briefkasten des Empfängers eingeworfen oder in dessen Postfach abgelegt. Das zur Identifizierung der Sendung dienende sog. Peel-off-Label wird abgezogen und auf den vorbereiteten Auslieferungsbeleg geklebt, der mit Datumsangabe und Unterschrift des Zustellers versehen und elektronisch archiviert wird (Reichert, NJW 2001, 2523 [2524]).
b) Der Kläger hat - wovon auch die Beklagte ausgeht - den auf das Schreiben vom 15.4.2004 bezogenen Auslieferungsbeleg nebst Einlieferungsbeleg vorgelegt (Bl. 22/23 GA). Damit ist vorliegend jedoch, entgegen der Auffassung der Beschwerde, nicht der Beweis für den Einwurf des besagten Schreibens in den Briefkasten der Beklagten mit der dann folgenden Möglichkeit zur Kenntnisnahme geführt. Die - formelle - Beweisregel des § 418 ZPO vermag nicht einzugreifen; unbeschadet der Urkundsqualität überhaupt (abl.: Reichert, NJW 2001, 2523 [2524], "technische Aufzeichnung") handelt es sich bei den fraglichen Dokumenten - nach der Privatisierung der vormaligen D. BP. (vgl. Art. 87f GG) - jedenfalls nicht um öffentliche Urkunden i.S.d. § 415 Abs. 1 ZPO (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., 2003, § 415 Rz. 1). Zugunsten des Klägers mag allerdings der Beweis des ersten Anscheins für den ordnungsgemäßen Einwurf der Sendung sprechen (AG Paderborn NJW 2000, 3722 [3723]; Reichert, NJW 2001, 2523 [2524]; Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., 2003, § 130 Rz. 21). Die Beklagte hat aber - unwidersprochen - vorgebracht, dass in der von ihr bewohnten Wohnanlage etwa 40 Briefkästen vorhanden und es dieserhalb schon mehrfach zu Fehlzustellungen gekommen sei; damit hat sie den Anscheinsbeweis erschüttert. Die volle Beweisführung obliegt damit wieder dem Kläger, der die Vernehmung der Zustellerin angeboten hat.
Wenn das AG bei dieser Sachlage von einer weiteren Aufklärung der Ordnungsgemäßheit der Zustellung nebst der sich daran anknüpfenden Frage nach der Klageveranlassung i.S.d. § 93 ZPO abgesehen und eine Kostenteilung angeordnet hat, ist dies nicht zu beanstanden.
Fundstellen