Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit der Gewährleistungsvorschriften von der Abnahme, Klageänderung, Übergang von Klage auf Vorschuss zu Schadensersatz
Leitsatz (amtlich)
1. Die §§ 634 ff. BGB regeln die Rechte des Bestellers, wenn das fertiggestellte Werk mangelhaft ist. Im Grundsatz markiert die Abnahme des Werkes den maßgebenden Zeitpunkt, von dem an die Mängelrechte des Bestellers eingreifen. Im Stadium vor der Abnahme oder dem Eingreifen einer Abnahmefiktion kann der Besteller die Rechte aus §§ 634 ff. BGB nur in Ausnahmefällen geltend machen. Eine solche Ausnahme ist gegeben, wenn der Unternehmer das aus seiner Sicht fertiggestellte und mangelfreie Werk abliefert, der Besteller jedoch wegen Mängeln des Werks die Abnahme verweigert, der Unternehmer seinerseits weitere Mängelbeseitigung endgültig ablehnt, der Besteller das Vertragsverhältnis wirksam gekündigt hat, weil er berechtigterweise sein Vertrauen in eine mangelfreie Erstellung des Werkes als zerstört ansehen durfte, oder ein sonstiger die Abnahme ersetzender Tatbestand vorliegt.
2. Der Übergang von der Klage auf Zahlung von Vorschuss zu der auf Ersatz der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten ist eine Klageänderung. Diese ist - anders als beim Übergang vom Vorschuss- auf den Kostenerstattungsanspruch nach durchgeführter Mängelbeseitigung - nicht als privilegierter Fall i.S.d. § 264 Nr. 3 ZPO oder als sachdienlich anzusehen, wenn ein gänzlich neuer und vom Beklagten bestrittener Sachverhalt in das Verfahren eingeführt wird.
Normenkette
BGB §§ 634 ff.; ZPO §§ 263-264, 533
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 217 O 143/12) |
Gründe
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen in § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 ZPO vorliegen.
Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht Erfolg.
1. Den Anspruch auf Kostenvorschuss aus § 637 Abs. 3 BGB hat das LG zu Recht abgewiesen.
Es ist schon fraglich, ob ein solcher Anspruch nicht bereits daran scheitert, dass das Werk nicht abgenommen oder ein die Abnahme ersetzender Tatabestand erfüllt worden ist. Die §§ 634 ff. BGB regeln die Rechte des Bestellers, wenn das fertiggestellte Werk mangelhaft ist. Nicht erfasst werden die Rechte während der Phase der Herstellung des Werks oder die Ansprüche bei nicht rechtzeitiger Ablieferung. Im Grundsatz markiert die Abnahme des Werkes den maßgebenden Zeitpunkt, von dem an die Mängelrechte des Bestellers eingreifen (Voit in: Beck'scher Online-Kommentar BGB, Stand 1.8.2012, § 634 Rz. 3; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., Vor § 633 Rz. 6; ähnlich Busche in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 634 Rz. 3: Fertigstellung; offen gelassen in BGH NJW 2010, 3573, 3575 Tz. 28; NJW 2011, 1224, 1225 Tz. 17, zum Streitstand auch Werner/Pastor, Bauvertragsrecht, 14. Aufl. Rz. 2069; Krause-Allenstein in: Kniffka, Bauvertragsrecht, § 634 Rz. 10 f.; Schmalzl/Lauer/Wurm, Haftung des Architekten und Bauunternehmers, 6. Aufl., Rz. 133 ff.). Der Unternehmer ist für die Erreichung des zugesagten Erfolgs verantwortlich. Damit lässt es sich nicht vereinbaren, wenn sich der Besteller bereits vor der Abnahme durch ein Verlangen auf Beseitigung der Mängel in die Herstellung einmischt. Dies bestätigen § 281 Abs. 1 S 1 und § 323 Abs. 1 BGB, denn diese Bestimmungen knüpfen die Möglichkeit der Fristsetzung daran an, dass die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbracht wird. Die Verpflichtung des Unternehmers richtet sich nicht darauf, kontinuierlich bis zur Fertigstellung mangelfrei zu arbeiten, sondern dem Besteller zu dem vereinbarten Zeitpunkt ein mangelfrei hergestelltes Werk zu verschaffen. Ebenso wenig wie der Unternehmer während der Herstellungsphase vom Besteller eine Entscheidung über die Abnahme von Leistungen verlangen kann, und ebenso wenig wie der Vergütungsanspruch während der Herstellungsphase fällig wird, treffen den Unternehmer während dieser Phase bereits vorgezogene Nacherfüllungspflichten. Eine Frist nach § 281 Abs. 1 oder nach § 323 Abs. 1 BGB kann ihm deshalb erst grundsätzlich dann gesetzt werden, wenn der Ablieferungszeitpunkt erreicht ist (zum Ganzen Voit, a.a.O., Rz. 3; ders. BauR 2011, 1063, 1070 ff.). Durch einen einfachen Verzicht auf seinen Erfüllungsanspruch kann sich der Besteller nicht den Weg zu den §§ 634 ff. BGB eröffnen (zutreffend Voit BauR 2011, 1063, 1074). Denn hierdurch würde die Rechtsposition des Unternehmers schon deshalb unzulässig beschnitten, weil das allgemeine Leistungsstörungssrecht der §§ 320 ff. BGB keinen Vorschussanspruch gewährt. Im Stadium vor der Abnahme oder dem Eingreifen einer Abnahmefiktion kann der Besteller die Rechte aus §§ 634 ff. BGB daher nur in Ausnahmefällen geltend machen. Eine solche Ausnahme ist gegeben, wenn der Unternehmer das aus seiner Sicht fertiggestellte und mangelfreie Werk abliefert, der Besteller jedoch wegen Mängeln des Werks die Abnahme verweigert (so Voit, a.a.O., Rz. 23 und BauR 2011, 1063, 1072), der Unternehmer seinerseits weitere Mängelbeseitigung endgütlig ablehn...