Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachahmung von Keksstangen - "Mikado"

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird in einem Unterlassungsklageantrag die Wiedergabe der angegriffenen Verletzungsform durch das Weglassen oder Hinzufügen konkretisierender Merkmale erheblich verändert (hier: Verzicht auf die Abbildung der Verpackung von Keksprodukten), liegt darin trotz gleichbleibenden Klagegrundes eine Klageänderung und Geltendmachung eines neuen selbständig verjährenden Anspruchs.

2. Obwohl der Verkehr verpackte Lebensmitteln und Süßwaren in der Regel nicht ausschließlich nach der äußeren Gestaltung der Ware oder Verpackung unterscheidet, kann die identische Nachahmung eines charakteristisch gestalteten Produkts trotz abweichend gekennzeichneter Umverpackung eine vermeidbare Herkunftstäuschung herbeiführen, wenn der Verkehr darin das Originalprodukt wiederzuerkennen meint, ohne sich an die originale Hersteller- oder Produktbezeichnung zu erinnern oder die Verwendung einer Zweitmarke ausschließen zu können (Abgrenzung zu BGH GRUR 2001, 443 = WRP 2001, 534 - Viennetta).

3. Das Ausstellen von Produkten auf einer Messe in Deutschland dient typischerweise ihrem Absatz auch an inländische Abnehmer und begründet deshalb in der Regel zumindest eine Erstbegehungsgefahr des Anbietens, Vertreibens und Inverkehrbringens im Inland (Abgrenzung zu BGH, GRUR 2010, 1103 = WRP 2010, 1508 - Pralinenform II).

 

Normenkette

UWG § 4 Nr. 9, § 11

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 27.09.2012; Aktenzeichen 31 O 356/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 23.10.2014; Aktenzeichen I ZR 133/13)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27.9.2012 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des LG Köln - 31 O 356/10 - teilweise abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000 EUR, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Keksprodukte von ca. 12,4 cm Länge, bei denen der mit einer Schokoladenkuvertüre umhüllte Teil ca. 80 % der Länge ausmacht, wie nachstehend wiedergegeben (Abbildung entfernt)) anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben und/oder in sonstiger Weise in Verkehr zu bringen, wenn dies in einer Verpackung wie nachstehend wiedergegeben erfolgt ((Abbildung entfernt))

2. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 2/3 und die Beklagte 1/3 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen zu 3/5 der Klägerin und zu 2/5 der Beklagten zur Last.

III. Dieses Urteil und das Urteil des LG, soweit es aufrechterhalten bleibt, sind vorläufig vollstreckbar. Die der Vollstreckung ausgesetzte Partei darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Die Sicherheitsleistung beträgt hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs 100.000 EUR, hinsichtlich der Kostenerstattungsansprüche 110 % des auf Grund der Urteile vollstreckbaren Betrags für die Abwendung der Vollstreckung und 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags für die vollstreckende Partei.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin vertreibt in Deutschland seit 1982 unter ihrer Dachmarke "De Beukelaer" und der Produktbezeichnung "Mikado" in 75-g-Umverpackungen dünne Keksstangen, die bis auf ein Ende, welches ungefähr ein Fünftel der Gesamtlänge des Stäbchens ausmacht, mit Schokolade ("Milchschokolade" oder "Zartherb") umhüllt sind. Die Beklagte vertreibt in der Türkei und anderen Ländern unter der Bezeichnung "Biscolata Stix" ebenfalls mit Schokolade überzogene Keksstangen in 50-g-Umverpackungen mit ihrem Kennzeichen "T."; sie stellte diese auch auf der Internationalen Süßwarenmesse (ISM) 2010 in L aus, die am 31.1.2010 begann.

Die Klägerin sieht darin eine unlautere Nachahmung ihres Produkts. Auf ihren Antrag verbot das LG Köln - 31 O 46/10 - der Beklagten mit einstweiliger Verfügung vom 2.2.2010, die am folgenden Tag auf der Messe zugestellt wurde, im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Keksprodukte wie nachstehend wiedergegeben anzubieten, zu bewerben, einzuführen, zu vertreiben und/oder in sonstiger Weise in Verkehr zu bringen; die beiden folgenden farbigen Abbildungen entsprachen den oben wiedergegebenen Schwarzweißabbildungen einer Umverpackung und eines Kekses. Mit ihrer am 7.7.2010 eingereichten Klage hat die Klägerin einen gleichlautenden Unterlassungsantrag sowie weitere (Annex-) Anträge angekündigt. Auf der ISM 2011 stellte die Beklagte ihre Produkte nur noch mit dem Hinweis "NOT FOR SALE IN GERMANY" aus. Nachdem die durch Urteil des LG Köln - 81 O 137/10 - vom 3.2.2011 bestätigte einstweilige Verfügung vom Senat - 6 U 41/11 - mit Urteil vom 8.7.2011 aufgehoben worden war, hat die Klägerin in...

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