Leitsatz (amtlich)

1. Auch ein Sonderrechtsnachfolger in Wohnungseigentum kann Handlungsstörer sein, wenn er die störende Handlung im Rahmen einer früheren Nutzungsberechtigung an der Wohnung verantwortlich mit hervorgerufen hat.

2. Schreibt die Gemeinschaftsordnung einer aus zwei Doppelhaushälften bestehenden Wohnanlage die weitest mögliche wirtschaftliche Trennung der Einheiten vor, ist dadurch § 22 Abs. 1 WEG nicht abbedungen.

3. Zur Pflicht des Tatrichters, die Beteiligten zu kontroversen Sachfragen anzuhören (hier: behauptete formlose Zustimmung zu baulichen Veränderungen).

 

Normenkette

BGB § 1004; FGG § 12; WEG § 15 Abs. 3, § 22 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Augsburg (Beschluss vom 09.08.2006; Aktenzeichen 7 T 4873/05)

AG Landsberg a. Lech (Aktenzeichen 1 UR II 009/04)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des LG Augsburg vom 9.8.2006 aufgehoben.

II. Das Verfahren wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG Augsburg zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das Verfahren betrifft eine Wohnungseigentumsanlage, die aus zwei Doppelhaushälften nebst Garagen besteht. Jeder Doppelhaushälfte ist ein bestimmter Grundstücksteil als Sondernutzungsfläche zugeordnet. Diese sind in der Planskizze, die der Teilungserklärung beigefügt ist, rot (Bereich der Antragsgegner) bzw. blau (Bereich der Antragsteller) gekennzeichnet. Die der gemeinschaftlichen Nutzung unterliegende Zufahrt zu den beiden Garagen ist in der Planskizze gelb markiert. Ursprünglich gehörte dem Antragsgegner zu 2 und den Antragstellern, diesen zu gleichen Teilen, je ein Miteigentumsanteil zu ½ an dem gemeinschaftlichen Eigentum verbunden mit dem jeweiligen Sondereigentum an Wohnräumen. Der Antragsgegner zu 2 übertrug seinen Miteigentumsanteil mit notarieller Urkunde vom 11.11.2003 auf die Antragsgegnerin zu 1, die am 22.4.2004 in das Grundbuch eingetragen wurde. Die Antragsteller, ein Ehepaar, haben ihre Doppelhaushälfte vermietet, während die Antragsgegner, ebenfalls Eheleute, die andere Doppelhaushälfte selbst bewohnen.

In der Teilungserklärung vom 17.7.1989 heißt es unter Ziff. III. u.a.:

Gemeinschaftsordnung

Für das Gemeinschaftsverhältnis der Sondereigentümer untereinander gelten die gesetzlichen Vorschriften, soweit nicht nachfolgend etwas anderes bestimmt ist.

Es soll eine weitest mögliche wirtschaftliche Trennung der Einheiten durchgeführt werden. Jedes Raumeigentum ist frei veräußerlich und vererblich. Im Übrigen gilt folgendes, wobei Abänderungen und Ergänzungen von Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes als Inhalt des Sondereigentums vereinbart werden:

1. Nutzung

Jeder Sondereigentümer hat das Recht zur alleinigen Nutzung der dem Sondereigentum unterliegenden Räume, das Recht zur alleinigen Ausübung der nachfolgend vereinbarten Sondernutzungsrechte sowie das Recht zur Mitbenutzung der zum gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmten Räume, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes, soweit sich nachstehend nichts anderes ergibt.

Jeder Sondereigentümer ist berechtigt, sein Sondereigentum nach Belieben zu nutzen und sein Sondernutzungsrecht beliebig auszuüben, soweit sich nicht Beschränkungen aus dem Gesetz oder aus dieser Gemeinschaftsordnung ergeben. Im Interesse des friedlichen Zusammenlebens der Hausbewohner sind Eigentum und Nutzungsrecht so auszuüben, dass weder einem anderen Sondereigentümer noch einem Hausbewohner über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Die zur gemeinschaftlichen Nutzung bestimmten Räume, Anlagen und Einrichtungen sowie Teile des Anwesens sind schonend und pfleglich zu behandeln.

2. Sondernutzungsrechte

Die Benutzung des Grundstücks wird gem. § 15 WEG in der Weise geregelt, dass jedem Eigentümer eines Raumeigentumsrechts das dauernde alleinige Sondernutzungsrecht an einer bestimmten Grundstücksteilfläche und der darauf befindlichen, zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Gebäudeteile zusteht, nämlich

  • dem jeweiligen Eigentümer des Raumeigentums Nr. 1 das dauernde alleinige Sondernutzungsrecht an der in der Planskizze rot angelegten Grundstücksflächen und der darauf befindlichen Gebäudeteile,
  • dem jeweiligen Eigentümer des Raumeigentums Nr. 2 das dauernde alleinige Sondernutzungsrecht an der in der Planskizze blau angelegten Grundstücksfläche und der darauf befindlichen Gebäudeteile.

Die in der Planskizze gelb eingezeichnete Teilfläche wird von den Grundstückseigentümern gemeinsam genutzt.

Mit Bescheid vom 16.10.2003 genehmigte das Landratsamt einen Bauantrag der Antragsgegner zum Anbau eines größeren Baukörpers an die von ihnen bewohnte Doppelhaushälfte und Erweiterung des bestehenden Balkons. Den Eingabeplan zur Baugenehmigung vom 5.9.2003 hatten die Antragsteller unter der Rubrik "Nachbarn" unterzeichnet. Handschriftlich sind im Eingabeplan ein im Bereich der Zufahrt gelegener "Neuer Stellplatz" sowie eine "Neue Pergola" eingetragen. Die Balkonerweiterung mit ...

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