Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Begriff der "filmischen Verwertung"
Leitsatz (amtlich)
1. Der Begriff der "filmischen Verwertung" in § 91 UrhG a.F. ist entsprechend dem Zweckübertragungsprinzip eng auszulegen und umfasst nicht die Einstellung von Einzelbildern eines Films in ein online-Archiv im Internet.
2. Ein Schadensersatzanspruch kann in diesem Fall vom Filmhersteller auch nicht auf § 94 UrhG gestützt werden.
Normenkette
UrhG a.F. § 91; UrhG § 94
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 31.08.2006; Aktenzeichen 7 O 174/06) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Grundurteil des LG München I vom 31.8.2006, Az. 7 O 174/06, aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision zum BGH wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht aus eigenem und - von der B. Filmverleih- und Produktions GmbH - abgetretenem Recht Schadensersatz dafür geltend, dass die Beklagte ohne ihre Zustimmung insgesamt 593 Einzelbilder aus von der Klägerin und ihrer Zessionarin produzierten Filmen ("Die Manns", "Schtonk", "Das Boot", "Emil und die Detektive". "Das fliegende Klassenzimmer" und Bibi Blocksberg") in ihr im Internet angebotenes Online-Archiv ("www.defd.de") aufgenommen hat und es ihren Kunden ermöglicht, gegen Vergütung per Download auf die Fotos zuzugreifen.
Dies verstoße gegen die der Klägerin gem. § 91 UrhG a.F. und § 94 UrhG zustehenden ausschließlichen Verwertungsrechte. Die Höhe ihrer Schadensersatzforderung hat die Klägerin nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie unter Zugrundelegung der Tarife der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM) berechnet und einen Betrag i.H.v. 120 EUR je Foto angesetzt. Sie hat in erster Instanz beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 71.160 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 17.9.2005 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie habe keine der Klägerin zugewiesenen Nutzungsrechte verletzt, da dieser zur Geltendmachung von Schadensersatz die Aktivlegitimion fehle. Der Klägerin stünden keine Rechte i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG bzw. § 72 UrhG an den Einzelbildern zu. Die Klägerin könne sich auch nicht auf § 89 Abs. 4 UrhG bzw. § 91 UrhG a.F. stützen, da sich diese Rechtseinräumung nur auf die spezifische "filmische Verwertung" beziehe, die nicht die Übertragung des Rechts an der Wiedergabe von Einzelbildern umfasse.
Dass die Filmschaffenden der Klägerin die Rechte an den Einzelbildern übertragen hätten, werde bestritten. Auch § 94 UrhG erfasse nicht die Einzelbilder, eine andere Sichtweise stehe im Widerspruch zu der Regelung in § 72 Abs. 2 UrhG. Überdies sei die Nutzung auch durch das Zitatrecht gedeckt.
Das LG München I hat mit Grundurteil vom 31.8.2006 den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des LG wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen.
Zur Begründung hat das Erstgericht ausgeführt, dass sich die Nutzung der Einzelbilder durch die Beklagte nicht auf den außerfilmischen Bereich beschränke, weswegen die der Klägerin aus § 91 UrhG a.F. bzw. § 89 Abs 4 zustehenden Nutzungsrechte beeinträchtigt würden.
Die Wiedergabe der streitgegenständlichen Einzelbilder in Form der Thumbnails im Internet stelle sich als ein öffentliches Zugänglichmachen i.S.v. § 19a UrhG dar. Auf ein Zitatrecht gem. § 51 Nr. 1 UrhG könne sich die Beklagte nicht berufen. Ob die Leistungsschutzrechte der Klägerin bzw. der B. Filmverleih- und Produktions GmbH als Filmhersteller gem. § 94 UrhG bei der Verwertung von Filmeinzelbildern betroffen seien, könne dahinstehen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Zur Begründung führt sie aus, dass in Ansehung der klaren gesetzlichen Regelung in § 72 UrhG der Umstand, dass die Klägerin - aus welchen Gründen auch immer - auf keine Rechteeinräumung durch die Lichtbilder zurückgreifen könne, nicht dadurch überwunden werden könne, dass außerhalb eines Films eingesetzte Filmeinzelbilder dem Recht auf "filmische Verwertung" zugeordnet würden. "Filmische Verwertung" heiße Verwertung durch oder mit einem Film, nicht jedoch - wie das LG offensichtlich meine - Verwertung des Films (durch Wiedergabe von Einzelbildern). Das Recht, die Lichtbilder für Ausstellungen, Illustrationen usw. zu verwenden, verbleibe beim Kameramann. Das Bereithalten der Screenshots auf dem Portal der Beklagten ziehe auch nicht Nutzungsformen nach sich, die einer "filmischen Verwertung" gleichkämen. Ansonsten bestünde Rechtsunsicherheit, wem die Rechte an einem Foto zustünden, wenn dies von einer spä...