Leitsatz (amtlich)
Ob durch Einschaltung eines auswärtigen Anwalts „weitere Kosten” i.S.v. § 121 Abs. 3 ZPO entstehen, kann nicht allein nach dessen Reisekosten beurteilt werden.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 2, § 121 Abs. 3; BRAGO § 126 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Regensburg (Aktenzeichen 6 O 2600/00) |
Nachgehend
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde von Rechtsanwalt L.K. wird der Beschluss des LG Regensburg vom 27.11.2001 dahin gehend abgeändert, dass eine weitere, an ihn zu zahlende Vergütung von 405,65 Euro (= 793,38 DM) festgesetzt wird.
Gründe
Die Erinnerung von Rechtsanwalt L.K. gegen den Beschluss des LG Regensburg ist als sofortige Beschwerde zu behandeln. Sie ist zulässig (entspr. § 128 Abs. 4 BRAGO) und begründet.
I. Inwieweit Reisekosten eines beigeordneten, nicht am Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts zu erstatten sind, ist strittig (vgl. zum Meinungsstand: Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 121 Rz. 12 f.). Der Senat ist der Auffassung, dass hierauf keine generell geltende Antwort gegeben werden kann. Abzustellen ist vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles.
Ein grundsätzliches Versagen von Reisekosten kann nicht auf § 121 Abs. 3 ZPO gestützt werden. Diese Vorschrift besagt nur, dass eine Beiordnung eines nicht am Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts nur erfolgen kann, wenn dadurch keine weiteren Kosten entstehen. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nicht allein nach dem eventuellen Anfall von Reisekosten. Es muss vielmehr eine umfassende Gegenüberstellung der verschiedenen Kostenpositionen erfolgen. Erst nach Durchführung dieser Gegenüberstellung kann beurteilt werden, ob „weitere Kosten” entstehen.
Vorliegend wäre es sicher möglich gewesen, dem Kläger einen beim LG Regensburg zugelassenen Rechtsanwalt beizuordnen. Für eine ordnungsgemäße, erfolgversprechende Vertretung durch ihn wäre aber eine umfassende Information durch den Kläger erforderlich gewesen. Dies hätte angesichts des umfangreichen Streitstoffes nicht über einen schriftlichen Kontakt geschehen können. Dem Kläger hätten folglich zumindest zwei Reisen zur Information seines beizuordnenden R.er Anwalts zugestanden werden müssen. Angesichts der örtlichen Entfernung zwischen B. und R. wären dabei auch Übernachtungskosten angefallen. Durch die Beiordnung von Rechtsanwalt K. fielen diese Kosten der Information nicht an. Die stattdessen von ihm verlangten Reise-, Tage- und Abwesenheitsgelder sind mit den verlangten 793,38 DM (= 405,65 Euro) nicht höher als beim Kläger ggf. zu berücksichtigende fiktive Reisekosten. Der Ansetzung von Reisekosten, die bei Rechtsanwalt L.K. entstanden sind, steht somit § 121 Abs. 3 ZPO nicht entgegen, da hierdurch keine weiteren Kosten entstanden sind. Die Beiordnung war zudem sachgerecht. Aufgrund des – durch den streitgegenständlichen Unfall bedingten – Gesundheitszustandes des Klägers wären eigene Fahrten nach R. zur Information seines dortigen Anwalts nur unter erschwerten Umständen möglich gewesen.
Abweichend von der Auffassung des Bezirksrevisors bei dem LG Regensburg scheitert die Berücksichtigung der mit der Beschwerde geltend gemachten Kosten auch nicht an § 126 Abs. 1 S. 2 BRAGO. Dessen erster Halbsatz schließt die Vergütung von Reisekosten nur für die dort bezeichneten Anwälte aus. Der zweite Halbsatz dieser Vorschrift stellt aber klar, dass der Vergütungsausschluss dann nicht gilt, wenn der Rechtsanwalt weder beim Prozessgericht noch bei einem Gericht mit dem Sitz am gleichen Orte zugelassen ist. Diese Situation ist vorliegend gegeben. Daraus folgt, dass aufgrund der Gesetzeslage ein Ausschluss der Vergütungspflicht gerade nicht besteht. Die vom Bezirksrevisor in seiner Stellungnahme zur Beschwerde angenommene „gesetzliche Unstimmigkeit” liegt nach Auffassung des Senats nicht vor. Sie knüpft an die Unterscheidung zwischen „kleiner Distanz” bzw. „großer Distanz” an, wie sie sich beispielsweise auch in § 91 Abs. 2 S. 2 bzw. S. 1 ZPO findet (vgl. hierzu OLG Bamberg 2001, 117; OLG Nürnberg, Beschl. v. 21.5.2002 – 3 W 1503/02, OLGReport Nürnberg 2003, 23). Sie bietet eine durchaus sachgerechte Differenzierung bezüglich unterschiedlicher Fallgestaltungen. Eine gesetzliche Unstimmigkeit liegt folglich nicht vor.
Im Hinblick auf § 126 Abs. 1 S. 2 BRAGO, der für die vorliegend vorzunehmende Beurteilung des Rechtsverhältnisses zwischen Staat und beigeordnetem Anwalt maßgeblich ist (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 121 Rz. 40), erweist sich somit die Beschwerde als begründet. Entsprechend war der Beschluss des LG Regensburg abzuändern.
Eine Kostenentscheidung ergeht nach § 128 Abs. 5 BRAGO nicht.
Schicker Prof. Dr. Haberstrumpf Dr. Seidel
VorsRiOLG RiOLG RiOLG
Fundstellen
Haufe-Index 1108460 |
JurBüro 2002, 589 |
MDR 2003, 55 |
OLGR-MBN 2003, 334 |