Entscheidungsstichwort (Thema)
Streupflicht von Gemeinden an Sonn- und Feiertagen
Leitsatz (amtlich)
Die innerhalb geschlossener Ortslagen für verkehrswichtige und gefährliche Stellen bestehende Streupflicht beginnt an Werktagen jedenfalls im allgemeinen nicht vor 6.30 h und an Sonn- und Feiertagen nicht vor 9.00 h.
Normenkette
BGB §§ 823, 839
Verfahrensgang
LG Oldenburg (Aktenzeichen 5 O 3564/99) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 11.4.2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Oldenburg wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000 DM nicht.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung der Streupflicht in Anspruch.
Die ortskundige Klägerin befuhr am Sonntag, dem 8.2.1998, mit ihrem Fahrrad die L. in H. in Richtung Ortsmitte. Beim Durchfahren einer Rechtskurve rutschte sie auf der eisglatten Straße aus und kam zu Fall. Wegen der Örtlichkeit im einzelnen wird auf die bei der Akte befindlichen Lichtbilder Bezug genommen. Die Klägerin erlitt bei dem Sturz eine doppelte Beckenringfraktur, hatte erhebliche Schmerzen und war nach mehr als einem Jahr noch immer nicht beschwerdefrei.
Das LG hat die auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in einer Größenordnung von 20.000 DM und Feststellung zum Ersatz sämtlicher materieller und immaterieller Schäden gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, eine Amtspflichtverletzung liege schon deshalb nicht vor, weil es sich bei dem Unfallort nicht um eine „gefährliche” Stelle gehandelt habe.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens Berufung eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 6.1.2000 zu zahlen, wobei die Höhe des Schmerzensgeldes in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden und sämtliche zukünftigen immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 8.2.1998 auf der L. Straße in H. zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Die Beklagte hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Parteien im ersten und zweiten Rechtszug im Einzelnen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist nicht begründet.
Es kann nach Auffassung des Senats dahinstehen, ob die Unfallstelle nicht nur – wie das LG zutreffend ausführt – „verkehrswichtig”, sondern auch „gefährlich” ist. Ebensowenig bedarf es näherer Erörterung, ob sich die Klägerin als Radfahrerin überhaupt auf eine – etwaige – Streupflichtverletzung berufen kann (wofür allerdings spricht, dass es an der Unfallstelle keinen Radweg gibt). Denn der Unfall hat sich an einem Sonntag vor 9.00 Uhr ereignet. Dies ergibt sich bereits aus dem Inhalt der beigezogenen Ermittlungsakte … der Staatsanwaltschaft O., in der vom aufnehmenden Polizeibeamten als Verkehrsunfallzeit 8.50 Uhr notiert wurde. Überdies hat die Klägerin ausweislich ihrer am 8.7.1998 bei der D. eingegangenen Unfallschilderung, die der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Senatstermin in Ablichtung vorgelegt hat, den Unfallzeitpunkt selbst mit ca. 08… Uhr angegeben. Nach st. Rspr. beginnt die Streupflicht der Gemeinde an Sonn- und Feiertagen jedoch nicht vor 9.00 Uhr (vgl. OLG Köln, VersR 1997, 507 und OLG Hamm, VersR 1988, 693). Denn die innerhalb geschlossener Ortslagen für verkehrswichtige und gefährliche Stellen bestehende Streupflicht geht nicht soweit, dass die Fahrbahnen zu jeder Tages- und Nachtzeit von Glätte freigehalten werden müssen. Danach beginnt die Streupflicht an Werktagen im allgemeinen jedenfalls nicht vor 6.30 Uhr und an Sonn- und Feiertagen in Ermangelung früheren erheblichen Verkehrsaufkommens zumindest nicht vor 9.00 Uhr (vgl. OLG Köln, VersR 1997, 507). Dass hier – ausnahmsweise – etwas anderes gilt, ist weder ersichtlich noch von der Klägerin substantiiert vorgetragen. Es ist zwar richtig (und gerichtsbekannt), dass die L. in H. als Hauptverkehrsstraße vor Fertigstellung der Ortsumgehung stark frequentiert war. Der Unfall ereignete sich jedoch im Februar. Dass in diesem Wintermonat kein – mit den Sommermonaten vergleichbarer – Ausflugsverkehr zur Küste oder zu den Ostfriesischen Inseln – zumal vor 9.00 Uhr – stattfindet, ist bekannt und bedarf keiner weiteren Erörterung. Allein die Tatsache, dass ein Bäcker geöffnet hat und ggf. ein Frühgottesdienst stattfindet, rechtfertigt es jedenfalls nicht, (ausnahmsweise) die Streupflicht vor 9.00 Uhr einsetzen zu lassen.
Fundstellen
Haufe-Index 1109063 |
MDR 2002, 216 |
GuT 2002, 90 |
OLGR-CBO 2002, 7 |