Leitsatz (amtlich)

Der Inhaber eines Dentallabors, der ein bei einem Unfall beschädigtes Fahrzeug ohne den Unfall u.a. für Fahrten zu Kunden genutzt hätte, sich nach dem Unfall anderweitig überobligatorisch behilft und deshalb keinen konkreten Ausfallschaden nachzuweisen vermag, ist berechtigt, den Nutzungsentgang nach der Tabelle von Sanden u.a. zu berechnen. Dem steht die Entscheidung des Großen Senats des BGH (NJW 1987, 50 ff.) nicht entgegen.

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Urteil vom 15.02.2006; Aktenzeichen 3 O 329/05)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Tübingen vom 15.2.2006 im Verfahren 3 O 329/05 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert der Berufung: 3.318,24 EUR.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten nach einem Verkehrsunfall über die Haftungsquote und die Ersatzpflicht hinsichtlich des Nutzungsausfalls bei einem auch für die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit genutzten Fahrzeug.

Zwischen dem Kläger und der Beklagten Ziff. 1 kam es am 28.6.2005 gegen 15.10 Uhr in im Bereich der Einmündungen Straße/Straße zu einem Verkehrsunfall. Die Beklagte Ziff. 1 befuhr die Straße, eine bevorrechtigte Bundesstraße, und wollte von dieser nach links in die Straße abbiegen. Zu diesem Zweck überfuhr sie die durchgezogene linke Begrenzungslinie der Linksabbiegerspur in der Straße bereits 10 bis 12 Meter vor deren Ende und fuhr auf die aus ihrer Sicht linke Richtungsfahrbahn der als Einmündungstrichter verbreiterten Straße ein. Als sie sich jedenfalls mit der Fahrzeugfront bereits auf der für sie entgegengesetzten Richtungsfahrbahn der Straße befand, kollidierte sie dort mit ihrer Fahrzeugfront mit dem vom Kläger geführten Pkw Daimler Chrysler E 320. Der Kläger war vor der Kollision aus der untergeordneten straße nach rechts in die Straße eingebogen mit dem Ziel, sodann die Straße wiederum nach rechts in die Straße zu verlassen. Wegen des genaueren Ablaufs wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils mit den dortigen Verweisungen Bezug genommen.

Der Kläger begehrt den Ersatz des ihm entstandenen Schadens i.H.v. 100 %.

Der Kläger macht u.a. Nutzungsausfall i.H.v. 845 EUR, nämlich 13 Tage zu je 65 EUR, orientiert an der Tabelle von Sanden u.a., für sein Unfallfahrzeug geltend. Das LG hat insoweit im Tatbestand festgestellt, dass der Kläger ein Dentallabor betreibt, vorsteuerabzugsberechtigt ist und das beschädigte Fahrzeug sowohl privat als auch betrieblich nutzt. Wegen des weiteren Vortrags zur Höhe des Schadens wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das LG hat den geltend gemachten Anspruch vollumfänglich zugesprochen. Die Beklagte Ziff. 1 habe den Unfall durch einen Fehler beim Linksabbiegen verschuldet, indem sie auf die falsche Fahrbahnhälfte der Straße eingebogen sei. Dagegen treffe den Kläger kein Verschulden. Dieser habe darauf vertrauen dürfen, dass ihm auf seiner Fahrspur kein Fahrzeug entgegenkomme und er habe vor dem Abbiegen in die Straße nicht den von der Straße aus seiner Sicht von rechts in die Straße abbiegenden Verkehr abwarten müssen. Vor seinem Einbiegen in die Straße habe er nicht erkennen können, dass die Beklagte Ziff. 1 die Kurve schneiden und auf seine Fahrbahn der Straße einbiegen werde. Weil die Beklagte Ziff. 1 mit zumindest 20 bis 25 km/h fuhr und ihre Richtungsfahrbahn der Straße bereits 10 bis 12 Meter vor der Haltelinie nach links verlassen hatte, habe sie die Linksabbiegerspur ca 2 Sekunden vor der Kollision verlassen. Unter Berücksichtigung der Erkennbarkeit dieses rechtswidrigen Abbiegevorganges und der dem Kläger zuzubilligenden Reaktionszeit habe dieser unabhängig von seiner eigenen Geschwindigkeit keine Möglichkeit mehr gehabt, seine Fahrweise auf dieses Fahrverhalten einzustellen. Weil der Kläger auch das Rechtsfahrgebot beachtet habe, das Verschulden der Beklagten Ziff. 1 aber besonders grob sei, trete die Betriebsgefahr des Klägers zurück mit der Folge der 100 %-igen Haftung der Beklagten.

Obwohl der Kläger bei teilweiser gewerblicher Nutzung seines Kfz nicht zu entgangenem Gewinn vorgetragen habe, sei der Nutzungsentgang nach der Tabelle von Sanden u.a. zu berechnen, weil auch dem Kläger durch die Beeinträchtigung der Mobilität ein fühlbarer wirtschaftlicher Nachteil entstanden sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die in zweiter Instanz eine Haftungsbeteiligung des Klägers i.H.v. 40 % und eine vollumfängliche Abweisung der Klage, soweit diese auf Nutzungsentschädigung gerichtet ist, anstreben.

Die Beklagten tragen vor, die Sachverhaltsfeststellung des LG sei fehlerhaft, weil dieses entgegen dem Antrag der Beklagten keinen Aug...

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