Entscheidungsstichwort (Thema)
Schmerzensgeld
Leitsatz (amtlich)
1. Die in einem Strafurteil getroffenen Feststellungen können in einem späteren Zivilprozess durch Urkundenbeweis verwertet werden.
Wegen der fehlenden Bindungswirkung des Strafurteils für die Zivilgerichte hat der Zivilrichter die vom Strafrichter getroffenen Feststellungen einer kritischen Überprüfung innerhalb der Beweiswürdigung zu unterziehen (§§ 415, 417, 286 ZPO).
2. Ablehnung von im Zivilprozess gestellten Beweisanträge entsprechend den Regeln von § 244 StPO, insbes. wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache.
3. Voraussetzungen für die Parteivernehmung nach den §§ 447, 448 ZPO und für die Anhörung der Parteien nach § 141 ZPO.
Verfahrensgang
LG Frankenthal (Pfalz) (Urteil vom 09.12.2009; Aktenzeichen 4 O 312/07) |
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 9. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht tagelassen.
Gründe
Der Beklagte wurde durch Urteil der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 5. Oktober 2006 in dem Verfahren - 7125 Js 20029/04 - wegen Vergewaltigung in zwei Fällen und schweren Menschenhandels jeweils zum Nachteil der Klägerin (geahndet mit Einzelstrafen von zweimal 4 Jahren und 6 Monaten und von 3 Jahren) und wegen weiterer Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren und 10 Monaten verurteilt; zudem hat die Strafkammer seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dieses Urteil ist nach erfolgloser Revision des Beklagten seit dem 17. Mai 2007 rechtskräftig.
Die Klägerin nimmt den Beklagten in dem vorliegenden Rechtsstreit auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 20.000 Euro in Anspruch und hat dazu - gestützt auf die Feststellungen in den Fällen 5, 6 und 7 des oben genannten Strafurteils - geltend gemacht, dass der Beklagte sie im Jahre 2004 mehrfach vergewaltigt und außerdem genötigt habe, für ihn der Prostitution nachzugehen.
Der Beklagte hat hiergegen im Wesentlichen vorgebracht, dass er im Strafprozess wegen der hier streitgegenständlichen Vorwürfe zu Unrecht aufgrund einer Falschaussage der dort als Zeugin vernommenen Klägerin verurteilt worden sei. Soweit es zwischen den Parteien zum Geschlechtsverkehr gekommen war, sei dies mit ausdrücklichem Einverständnis der Klägerin und ohne Gewalt und Drohungen geschehen. Die Klägerin habe sich aus eigenem Antrieb und ohne sein Zutun zwecks Finanzierung ihrer Drogensucht prostituiert; er habe daraus keinen finanziellen Vorteil gezogen.
Die 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) hat in der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2009 die Sach- und Rechtslage mit den geladenen Parteien erörtert, die Akten der Staatsanwaltschaft Landau in der Pfalz im Verfahren 7125 Js 20029/04 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht und danach abschließend verhandelt. Mit Urteil vom 9. Dezember 2009, auf das zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und wegen der Begründung Bezug genommen wird, hat das erstinstanzliche Gericht der Schmerzensgeldklage in der begehrten Höhe von 20.000 Euro stattgegeben. Ihre Entscheidung hat die Zivilkammer unter anderem damit begründet, dass sie aufgrund des Inhalts der beigezogenen Strafakte und des darin enthaltenen rechtskräftigen Urteils keinen Zweifel an der Richtigkeit des Tatsachenvorbringens der Klägerin hinsichtlich der Vergewaltigungen und des Zwanges zur Prostitutionsausübung in einer Bar in L. habe.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht angebrachten Berufung.
Er beanstandet, dass das erstinstanzliche Gericht sich für seine Überzeugungsbildung ausschließlich auf das gegen ihn ergangene Strafurteil gestützt und die von ihm benannten Zeugen nicht vernommen habe. Ferner habe das erstinstanzliche Gericht es zu Unrecht unterlassen, ein Glaubwürdigkeitsgutachten betreffend die klägerischen Angaben zu dem behaupteten Tatgeschehen einzuholen. Darüber hinaus sei der Umstand, dass die Klägerin in dem gegen ihn geführten Strafverfahren die einzige Zeugin für das eigentliche Tatgeschehen gewesen sei, nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Verwertung des Strafurteils im Wege des Urkundenbeweises sei im vorliegenden Fall untunlich gewesen. Auf dieser falschen Beweiswürdigung beruhe das Urteil des Landgerichts.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 18. April 2010.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst den dazu eingereichten Anlagen verwiesen.
Der Senat hat die Akten der Staatsanwaltschaft Landau in der ...