Obdachlosenunterkunft im Teileigentum
Hintergrund: Obdachlosenheim im Teileigentum
In einer Wohnungseigentumsanlage in Berlin betreibt eine gewerbliche Mieterin mehrerer Teileigentumseinheiten eine Einrichtung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit. Hierbei werden Obdachlose auf der Grundlage eines Vertrags mit dem Bezirksamt tageweise untergebracht und betreut. In der Regel teilen sich zwei Personen einen Raum. Die Räume sind nicht abschließbar und können von Mitarbeitern der Einrichtung jederzeit betreten werden. Küche, Toilette und Bad sind als Gemeinschaftseinrichtung ausgerichtet. Gelegentlich wird Obdachlosen vorübergehend für einen längeren Zeitraum Unterkunft gewährt.
Die Teileigentumseinheiten sind in der Teilungserklärung als „Laden“ bezeichnet.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt vom Eigentümer der Teileigentumseinheiten, deren Nutzung zur Unterbringung von Obdachlosen zu unterlassen beziehungsweise alles Erforderliche und Zumutbare zu unternehmen, dass die beanstandete Nutzung unterbleibt.
Entscheidung: Gemeinschaftsunterkunft ist keine Wohnnutzung
Die Klage hat keinen Erfolg. Nach § 15 Abs. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der unter anderem den Vereinbarungen entspricht. Indes liegen die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch auf dieser Grundlage nicht vor.
Die Nutzung der Teileigentumseinheiten als Einrichtung zur tageweisen Unterbringung von Obdachlosen ist keine Wohnnutzung. Eine Nutzung als Heim oder heimähnliche Einrichtung dient nicht zu Wohnzwecken, wie der BGH bereits entschieden hat.
Eine solche Nutzung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Unterkunft in einer für eine Vielzahl von Menschen bestimmten Einrichtung erfolgt, deren Bestand von den jeweiligen Bewohnern unabhängig ist, und in der eine heimtypische Organisationsstruktur an die Stelle der Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises tritt. Dies ist bei der Nutzung für eine tageweise Unterbringung wohnungsloser Personen in einer Gemeinschaftsunterkunft der Fall. Die Anzahl und Fluktuation der untergebrachten Personen machen eine heimtypische Organisationsstruktur erforderlich. Die Bewohner können ihre Haushaltsführung nicht selbst gestalten, auch dann, wenn einzelne Personen länger untergebracht werden. So müssen Zimmer und Betten zugewiesen werden und es gibt Verhaltensregeln, etwa für die Nutzung der gemeinschaftlichen Anlagen und zu Ruhezeiten. All dies deutet auf eine heimtypische Organisation hin.
Anders wäre es, wenn abgeschlossene Wohnapartments mit eigenen Sanitäranlagen und eigenen Kochgelegenheiten eingerichtet wären, die Räume im Rahmen befristeter oder unbefristeter Mietverträge überlassen würden und die Betreuung der Bewohner auf eine niederschwellige Begleitung angelegt wäre.
Gemessen daran dient die Nutzung der Teileigentumseinheiten nicht zu Wohnzwecken. Durch die tageweise Unterbringung der obdachlosen Personen in Zweibettzimmern mit gemeinschaftlicher Nutzung von Küche und Sanitäranlagen findet eine Nutzung als Gemeinschaftsunterkunft statt. Die Unterbringung ist heimtypisch organisiert, eine Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises ist nicht möglich. Es sind Regeln für die Nutzung der Einrichtung aufgestellt und die untergebrachten Personen werden von den Mitarbeitern der Einrichtung kontrolliert und betreut.
Wenn eine Einheit, wie hier, nach der Teilungserklärung nicht zu Wohnzwecken dient, darf sie grundsätzlich nur zu Zwecken genutzt werden, die nicht dem Wohnen zuzuordnen sind. Um solche Zwecke geht es hier.
Die Nutzung der Teileigentumseinheiten als Unterkunft für Obdachlose ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Einheiten in der Teilungserklärung als „Laden“ bezeichnet sind. Aus der Teilungserklärung geht nicht eindeutig hervor, dass hiermit eine ausschließliche Zweckbestimmung verbunden sein sollte.
Die Gemeinschaft kann ihr Unterlassungsbegehren auch nicht darauf stützen, dass die von der Einrichtung zur tageweisen Unterbringung obdachloser Personen ausgehenden Beeinträchtigungen über das hinausgehen, was eine der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung von Teileigentum typischerweise mit sich bringt. Hält sich eine Nutzung von Wohnungs- und Teileigentum im Rahmen der Zweckbestimmung, kann sich ihre Unzulässigkeit nicht aus dem Charakter der Anlage und den diesen prägenden örtlichen Verhältnissen ergeben. Diese Kriterien sind zu unbestimmt, um die Grenzen einer sich im Rahmen der Zweckbestimmung haltenden Nutzung zu bestimmen.
Das bedeutet wiederum nicht, dass die anderen Wohnungseigentümer jede von einer zulässigen Nutzung von Wohnungs- und Teileigentum ausgehende Beeinträchtigung hinnehmen müssen. Wenn es zu Störungen kommt, kann jeder Eigentümer nach § 14 Nr. 1 WEG deren Unterlassung verlangen. Er hat aber keinen Anspruch nach § 15 Abs. 3, die Nutzung an sich, also auch in störungsfreier Ausgestaltung, zu unterlassen. Der Anspruch auf Unterlassung von Störungen kann durch eine Unterlassungsklage und - als letztes Mittel - durch die Entziehungsklage nach § 18 und § 19 WEG durchgesetzt werden.
(BGH, Urteil v. 8.3.2019, V ZR 330/17)
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