BGH: Unterbrechung der Eigentümerversammlung

Eine Eigentümerversammlung darf nicht einfach unterbrochen werden, damit sich die von einer Beschlussanfechtung betroffenen Wohnungseigentümer mit ihrem Rechtsanwalt besprechen können. Dies ist nur bei Vorliegen besonderer Umstände zulässig.

Hintergrund: Eigentümerversammlung für Anwaltsgespräch unterbrochen

In einer Eigentümerversammlung im Juli 2013 beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich die Wiederbestellung des Verwalters. Auf die Anfechtungsklage eines Eigentümers erklärte das Amtsgericht den Beschluss für ungültig. Der Verwalter hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.

In einer Eigentümerversammlung im März 2014 standen eine Erörterung und gegebenenfalls Beschlussfassung über das weitere Vorgehen in dem anhängigen Rechtsstreit auf der Tagesordnung. Außerdem sollte über einen Zweitbeschluss zur Wiederbestellung des Verwalters abgestimmt werden. An dieser Versammlung nahm auch einer der beiden Kläger teil.

Der Verwalter berichtete zunächst über den Stand des gerichtlichen Verfahrens. Dann rief er den Anwalt hinein, der die beklagten Eigentümer - bis auf zwei - im Anfechtungsverfahren vertrat, damit dieser ein Mandantengespräch mit den anwesenden Eigentümern führen könne. Der Anwalt forderte den Anfechtungskläger und die beiden Eigentümer, die er nicht vertrat, dazu auf, den Versammlungsraum zu verlassen. Daraufhin unterbrach der Versammlungsleiter die Versammlung und verließ den Saal. Auch der Anfechtungskläger und die beiden anderen Wohnungseigentümer verließen, allerdings unter Protest, den Raum.

Später wurde die Versammlung in Anwesenheit der zuvor aus dem Saal geschickten Eigentümer sowie des Versammlungsleiters fortgeführt und nach erneuter Diskussion die Wiederbestellung des Verwalters beschlossen.

Auch gegen diesen Beschluss erhob der Kläger Anfechtungsklage. Er stützte diese zunächst darauf, dass der Verwalter in der Vergangenheit Fehlverhalten an den Tag gelegt habe. Erst in der Berufungsinstanz machte er geltend, er sei zu Unrecht von der Versammlung ausgeschlossen worden.

Entscheidung: Unterbrechung war unzulässig

Die Unterbrechung der Versammlung war unrechtmäßig. Trotzdem hat die Anfechtungsklage keinen Erfolg, denn der Kläger hat den Fehler nicht rechtzeitig gerügt.

Teilnahmerecht nicht verletzt

Durch den Ausschluss des Klägers und zweier weiterer Wohnungseigentümer von dem Gespräch mit dem Anwalt sind diese nicht in ihrem Recht auf Teilnahme an der Eigentümerversammlung beschnitten worden. Diese Unterredung war nicht Teil der Eigentümerversammlung, weil der Verwalter diese formal unterbrochen hatte. Unterredungen der Wohnungseigentümer während einer Unterbrechung sind auch dann nicht als Fortsetzung der Eigentümerversammlung zu qualifizieren, wenn kein sachlicher Grund für eine Unterbrechung bestand. Das Fehlen eines sachlichen Grundes für eine Unterbrechung kann dazu führen, dass die Entscheidung über die Unterbrechung ermessensfehlerhaft ist, ändert aber nichts daran, dass während der Unterbrechung gerade keine Eigentümerversammlung stattfindet. Ebensowenig werden während der Unterbrechung geführte Gespräche der Wohnungseigentümer dadurch zu solchen der Eigentümerversammlung, dass sie einen sachlichen Bezug zu den Themen der Versammlung aufweisen, was nicht selten bei einer Unterbrechung der Fall ist.

Versammlung darf nur ausnahmsweise unterbrochen werden

Die Unterbrechung der Eigentümerversammlung war aber ermessensfehlerhaft.

Der Versammlungsleiter darf die Eigentümerversammlung unterbrechen, wenn dies ordnungsmäßiger Durchführung der Versammlung entspricht. Er entscheidet über die Unterbrechung nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei muss die Unterbrechung auf ein angemessenes zeitliches Maß beschränkt werden.

Die Unterbrechung einer Eigentümerversammlung, um den von einem Beschlussanfechtungsverfahren betroffenen Wohnungseigentümern ein Informationsgespräch mit ihrem Prozessbevollmächtigten zu ermöglichen, entspricht regelmäßig nicht einer ordnungsmäßigen Durchführung der Versammlung. Die Eigentümer haben zwar ein Interesse an rechtlicher Beratung. Normalerweise reicht es aber, wenn sie sich mit ihrem Anwalt zeitlich unabhängig von der Versammlung besprechen können.

Nur bei besonderen Umständen kann eine Unterbrechung zum Zwecke eines Mandantengespräches in Betracht kommen, etwa wenn Beratungsbedarf erst aufgrund der in der Versammlung geführten Diskussion entsteht. Solche besonderen Umstände lagen hier aber nicht vor.

Damit fehlte es nicht nur an einem sachlichen Grund für eine Unterbrechung. Vielmehr konnte bei den ausgeschlossenen Eigentümern der Eindruck entstehen, dass der Verwalter einseitig die Interessen einer Eigentümergruppe wahrnimmt und damit gegen seine Neutralitätspflicht verstößt. Zudem war die Unterbrechung nicht vorab auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt. Eine Unterbrechung der Eigentümerversammlung, ohne die Unterbrechungsdauer vorher zumindest ungefähr festzulegen, ist mit einer ordnungsmäßigen Versammlungsführung nicht vereinbar.

Fehler bleibt mangels rechtzeitiger Rüge folgenlos

Allerdings kann offen bleiben, ob die ermessensfehlerhafte Unterbrechung der Eigentümerversammlung hier zur Folge hat, dass der im Anschluss an die Unterbrechung gefasste Beschluss anfechtbar ist. Der Kläger hat diesen Fehler nämlich erst in der Berufungsinstanz und damit nicht innerhalb der Frist für die Begründung der Anfechtungsklage gerügt.

Die Klage könnte nur Erfolg haben, wenn der Beschluss nichtig ist. Dies ist aber nicht der Fall, da auch eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung formaler Gestaltungsmöglichkeiten nicht ausreichen würde, um die Nichtigkeit eines Beschlusses zu begründen.

(BGH, Urteil v. 8.7.2016, V ZR 261/15)


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