Erbe haftet nicht allein deshalb für Miete, weil er Kündigung unterlässt
Hintergrund: Erbe tritt in Mietvertrag ein und kündigt nicht
Der alleinige Mieter einer Wohnung ist im August 2014 verstorben. Alleinerbe ist sein Bruder. Auf Antrag des Erben wurde im November 2015 die Nachlassverwaltung angeordnet.
Bereits im Februar 2015 hatte der Vermieter gegen den Erben Räumungsklage erhoben. Diese hatte aufgrund einer vom Vermieter im April 2015 erklärten Kündigung Erfolg. Ende Januar 2016 fand die Zwangsräumung der Wohnung statt.
Der Vermieter verlangt nun vom Erben die Zahlung von Miete und Nutzungsentschädigung für den Zeitraum 21.3.2015 bis 31.1.2016. Am 21.3.2015 hatte die Frist für die außerordentliche Kündigung durch den Erben oder Vermieter gemäß § 564 Satz 2 BGB geendet. Weder Erbe noch Vermieter hatten von diesem Kündigungsrecht Gebrauch gemacht.
Der Erbe meint, er hafte nicht persönlich für die verlangte Miete und Nutzungsentschädigung. Die Haftung sei wegen der angeordneten Nachlassverwaltung auf den Nachlass beschränkt.
Entscheidung: Untätigkeit ist keine Verwaltungsmaßnahme
Der Erbe ist gemäß § 564 Satz 1 BGB als Mieter in das Mietverhältnis eingetreten. Als solcher haftet er grundsätzlich sowohl mit dem Nachlass als auch persönlich für Forderungen aus dem Mietverhältnis.
Ein Erbe kann seine Haftung in Bezug auf Verbindlichkeiten aus einem Mietverhältnis, in das er durch den Erbfall eingetreten ist, aber auf den Nachlass beschränken, etwa - wie hier - durch Anordnung der Nachlassverwaltung.
Eine solche Haftungsbeschränkung hat ihrerseits aber wieder Grenzen: Sie erstreckt sich nicht auf Forderungen, für die der Erbe nicht nur als solcher, sondern (auch) persönlich haftet. Dies ist der Fall bei Verbindlichkeiten, die der Erbe bei der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses eingeht. Sie haben eine Doppelnatur und sind sowohl Eigenverbindlichkeiten des Erben als auch Nachlassverbindlichkeiten
Somit ist maßgebend, um welche Art von Schuld es sich bei den hier streitigen Forderungen auf Miete und Nutzungsentschädigung handelt. Hierfür kommt es darauf an, ob die strittigen Forderungen auf einer Verwaltungsmaßnahme des Erben beruhen.
Eine die Erbenhaftung begründende Verwaltungsmaßnahme kann rechtsgeschäftlicher oder tatsächlicher Natur sein. Entscheidend ist stets, ob ein eigenes Verhalten des Erben Haftungsgrundlage ist.
Unterlassen von Kündigung ist keine Verwaltungsmaßnahme
Nach § 564 Satz 2 BGB sind sowohl der Vermieter als auch der Erbe, mit dem das Mietverhältnis fortgesetzt wird, berechtigt, dieses innerhalb eines Monats außerordentlich zu kündigen, nachdem sie vom Tod des Mieters und davon erfahren haben, dass keine Haushaltsangehörigen des Mieters in das Mietverhältnis eintreten oder das Mietverhältnis mit den überlebenden Mietern fortgesetzt wird.
Wenn Erbe oder Vermieter dieses Kündigungsrecht ausüben, bleiben die nach dem Erbfall bis zum Ende des Mietverhältnisses fälligen Forderungen reine Nachlassverbindlichkeiten, das heißt, der Erbe haftet nicht persönlich. Dies hat der BGH schon 2013 klargestellt.
Ob der Erbe demgegenüber bei Nichtausübung des Kündigungsrechts für die nach Ablauf der Kündigungsfrist fällig werdenden Forderungen unbeschränkbar (auch) persönlich haftet, ist hingegen umstritten. Der BGH verneint diese Frage nun und stellt klar: Allein das Unterlassen einer außerordentlichen Kündigung nach § 564 Satz 2 BGB durch den Erben des Mieters ist keine Verwaltungsmaßnahme, die zu einer persönlichen Haftung führt.
Insbesondere ist allein dem Verstreichenlassen der Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung ein dem stillschweigenden Abschluss eines Mietvertrages gleichzusetzender rechtsgeschäftlicher Erklärungswert nicht beizumessen. Die Kündigungsmöglichkeit des § 564 Satz 2 BGB schützt lediglich die Interessen beider Vertragspartner an Neudispositionen, begründet im Falle ihrer Nichtausübung jedoch nicht die Eigenhaftung des Erben.
Unterlassen von Räumung kann Verwaltungsmaßnahme sein
Anders als das bloße Unterlassen einer Kündigung kann es eine Verwaltungsmaßnahme des Erben darstellen, wenn dieser einen fälligen Anspruch des Vermieters auf Räumung und Herausgabe der Mietsache nicht erfüllt hat. Dieses Unterlassen hat Handlungsqualität, wenn für den Erben eine Rechtspflicht zum Handeln bestand, gegen die er verstoßen hat.
Hier war der Erbe nach der Beendigung des Mietverhältnisses verpflichtet, die Wohnung an den Vermieter herauszugeben. Gegen diese Pflicht hat der Erbe verstoßen. Allerdings ist noch unklar, wann genau das Mietverhältnis geendet hat und wann der Herausgabeanspruch des Vermieters fällig geworden ist. Dies muss nun das Landgericht aufklären. Erst dann kann endgültig entschieden werden, ob und inwieweit der Erbe für die strittigen Forderungen persönlich haftet.
(BGH, Urteil v. 25.9.2019, VIII ZR 138/18)
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